Wird es in Zukunft noch Altenheime geben?

Donnerstag, 26.10.2017

Die Alterung der Gesellschaft ist ein weltweites Phänomen, das immer sichtbarer wird und alle Bereiche des Lebens verändert – die städtische und ländliche Infrastruktur, die Produktangebote und Serviceleistungen von Unternehmen oder die Art zu arbeiten. Die elementaren Umbrüche verlangen nach neuen Ant­worten auch und gerade im Bereich des Wohnens. Denn das Konzept der Altenheime passt einfach nicht mehr in die neue Alterskultur – so paradox das auf den ersten Blick klingen mag. Das ist nicht nur das Ergebnis eines tendenziell aktiveren Lebensstils älterer Menschen sowie einer wieder wachsenden Wertschätzung gegenüber dem Alter allgemein, sondern auch von Technologien und Konzepten, die es erlauben, bis ins hohe Alter in den eigenen vier Wänden unabhängig und selbstbestimmt zu leben.

Mit Freude älter werden und den
Quelle: Trendbad24
Mit Freude älter werden und den "Herbst des Lebens" in vollen Zügen genießen.Das funktioniert mit Alters-WG statt Altenheim.

Betreutes Wohnen ist ein Beispiel, aber auch Mehrgenerationenwohnprojekte oder die selbstorganisierte Alterswohngemeinschaft erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. In einer Alters-WG können sich ältere Menschen unter­einander austauschen und haben die Basis für gemein­same Aktivitäten, aber ebenso die Möglichkeit zum Rückzug in ihre Privaträume. Sie können sich gegenseitig unterstützen und gleich­zeitig eigenständig leben, sowohl ihren Tagesablauf als auch das Ausmaß der Betreuung durch Fach­personal selbstbestimmen. Sie können und sollen aber auch über die psychische Komponente des Älterwerdens reden, darüber, wie es ist, wenn immer mehr Freunde sterben und wie man auch mit dem eigenen bevorstehenden Lebensende umgeht. Die altengerechten Wohngemein­schaften sind in unterschiedlichen Bestands­bauten zu finden.

Sowohl bei Neubauprojekten als auch bei der Modernisierung von Bestandsbauten sollten künftig die Anforderungen an ein neues Wohnen im Alter in vielfältiger Weise berücksichtigt werden. „Ageless“- und Universal-Design-Konzepte sorgen dafür, dass Alltagsprodukte und Wohnungseinrichtungen so gestaltet sind, dass eine flexible, leichte und intuitive Nutzung mit hoher Fehlertoleranz möglich ist. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass Barrierefreiheit und Ästhetik nicht länger als Gegensätze weit voneinander entfernt koexistieren. Fortschritte im Bereich Ambient Assisted Living (AAL) ermöglichen als Gestaltungsprinzip von elektronischen Produkten bis hin zu Dienstleistungen immer stärker den Trend zu einem selbstbestimmten Leben im Alter.

So hat das richtungsweisende Konzept des „Bielefelder Modells“ Nachahmung in vielen anderen Städten Deutschlands gefunden: In fast allen Stadtteilen wurden komfortable und barrierefreie Wohnungen in Wohnanlagen vermietet, in denen ein sozialer Dienstleister rund um die Uhr mit einem Servicestützpunkt und einem umfassenden Leistungsangebot vertreten ist. Alle Mieter sowie die Bewohner des umliegenden Quartiers können auf die umfangreichen Hilfs- und Betreuungs­angebote zurückgreifen, müssen diese aber nur im tatsächlichen Bedarfsfallbezahlen.

Mit einer Quote von 37 Prozent sind Single-Haushalte laut Statistischem Bundesamt der häufigste Haushaltstyp in Deutschland, hier die Verteilung nach Bundesländern in Prozent (Stand 2015). 34 Prozent der Singles sind dabei schon im Rentenalter. Der Haushalt eines alleinstehenden Rentners hat im Schnitt 78 Quadratmeter. Das sind 11 Prozent mehr als beim durchschnittlichen Ein-Personen-Haushalt.
Quelle: LBS
Mit einer Quote von 37 Prozent sind Single-Haushalte laut Statistischem Bundesamt der häufigste Haushaltstyp in Deutschland, hier die Verteilung nach Bundesländern in Prozent (Stand 2015). 34 Prozent der Singles sind dabei schon im Rentenalter. Der Haushalt eines alleinstehenden Rentners hat im Schnitt 78 Quadratmeter. Das sind 11 Prozent mehr als beim durchschnittlichen Ein-Personen-Haushalt.

Die Initiatorin und Trägerin, die Bielefelder Gesellschaft für Wohnen und Immobiliendienstleistungen (BGW), betont die Einbettung in den städtischen Kontext: „Die Besonderheit des ‚Biele­felder Modells‘ ist der quartiersbezogene Ansatz des Wohnens. In bestehenden Wohnquartieren und in guter infra­struktureller An­bindung wird älteren Menschen oder Menschen mit Behin­derung ein ergänzendes Angebot von Dienst­leistungen angeboten, das von Behandlungspflege im Bereich der ärztlich verordneten Anwendungen über Be­g­leitung von Aktivitäten, Hobbys, Kultur und Freizeit bis zur Vermittlung von Hauswirtschafts- und Pflegediensten reichen kann. Kombiniert ist dieses Angebot mit einem Wohncafé als Treffpunkt und Ort der Kommuni­kation.“

Inklusion, Sichtbarkeit, Gemeinschaft – sinnvoll unterstützt durch professionelle Dienste, die bei Bedarf in Anspruch genommen werden können. So sehen zukunftsfähige Konzepte aus, die von keinem unrealistischen Co-Housing-Ideal ausgehen, bei dem sich alle ständig zur Seite stehen, wo man sich aber dennoch begegnen und miteinander in Kontakt treten kann.

Dabei ist wichtig, einen Qualitäts­maßstab zu etablieren, der generationenübergreifende Vorteile bietet. Denn letztlich profitieren alle Generationen zum Beispiel von Maßnahmen zur Barrierefreiheit. Die richtige Breite von Durchgängen, leicht bedienbare Fenster und Türen, stufen­lose, stolperfreie Wege, rutschhemmende Oberflächen, sichere Griffe im Sanitär- und Treppenbereich, höhenverstellbare Betten, angepasste Arbeitshöhen und Beleuchtung – generationenkompatibel statt nur altengerecht. Das kommt in Zukunft einem familienfreundlichen und damit auch Mehrgenerationen-Wohnen zugute.

In Zukunft ist das eigene Wohnumfeld folglich ein heterogener Mix aus unterschiedlichen Personen-gruppen und Kon­stellationen von (Wahl-)Familien. Das berück­sichtigt auch und vor allem die wachsende Gruppe der „jungen Alten“. Sie leben künftig gemeinsam mit anderen Menschen unterschiedlichen Alters in Gemeinschaftswohnprojekten. Diese lösen das Konzept Altenheime ab.

(Quelle: Trendstudie „50 Insights“ der Zukunftsinstitut GmbH)

Das Bielefelder Modell

Aufgrund des demographischen Wandels gewinnt das Thema „selbst­bestimmtes Wohnen“ mehr und mehr an Bedeutung. Mit der Zunahme des Anteils älterer und hochbetagter Menschen in unserer Gesellschaft nimmt auch die Zahl der pflegebe­dürftigen Menschen zu und somit der Bedarf an barrierefreiem Wohnraum und quartiersbezogenen, niederschwelligen Versorgungs­angeboten. Auch immer mehr jüngere Menschen mit Behinderungen wünschen sich eine eigene Wohnung, in der sie selbst­bestimmt nach Bedarf Unter­stützungsleistungen in Anspruch nehmen können. Alle eint der Wunsch, in der vertrauten Wohnumgebung alt werden zu können und nicht allein aufgrund von Krankheit oder abnehmenden körper­lichen Fähigkeiten umziehen zu müssen.

Vor diesem Hintergrund hat die BGW gemeinsam mit einem sozialen Dienstleister und der Stadt Bielefeld bereits in den 1990er-Jahren mit dem „Bielefelder Modell“ ein richtungs­weisendes Konzept entwickelt, das bundesweit Aufmerksam­keit auf sich gezogen hat und mittlerweile auch in anderen Städten umgesetzt wird.

Bis zum Jahr 2040 wird sich die Anzahl der über 85-Jährigen in der EU verdoppeln.
Quelle: Eurostat
Bis zum Jahr 2040 wird sich die Anzahl der über 85-Jährigen in der EU verdoppeln.

Die Besonderheit des „Bielefelder Modells“ ist ein quartiersbezogener Ansatz des Wohnens mit Versorgungssicherheit ohne Betreuungspauschale. Einbezogen in bestehende Wohn­quartiere und in guter infrastruktureller Anbindung bietet die BGW älteren Menschen oder Menschen mit Behin­derung komfor­table und barrierefreie Wohnungen. Kombiniert ist dieses Angebot mit einem Wohncafé als Treffpunkt und Ort der Kommunikation, der allen Menschen in der Nachbarschaft offen steht. Gleichzeitig ist ein sozialer Dienstleister mit einem Service­stützpunkt und einem umfassenden Leistungsangebot rund um die Uhr im Quartier präsent. Alle Mieter können auf die Hilfs- und Betreuungsangebote zurück­greifen, müssen diese aber nur im tatsächlichen Bedarfsfall bezahlen.

Ziel der BGW ist es, mit ihrem „Biele­felder Modell“ flächendeckend in allen Bielefelder Stadtteilen vertreten zu sein. Das „Bielefelder Modell“ basiert auf folgenden Säulen:

  • Versorgungssicherheit ohne Betreuungspauschale
  • Sicherheit durch Dauermietvertrag
  • Barrierefreie Wohnungen
  • Wohncafé auch als Treffpunkt für gemeinsame Mahlzeiten
  • Gästezimmer
  • Servicestützpunkt
  • Versorgungssicherheit rund um die Uhr
  • Behandlungspflege im Bereich der ärztlich 
verordneten Anwendungen
  • Begleitung von Aktivitäten, Hobbys, Kultur und Freizeit
  • Eingliederungshilfe für jüngere Menschen 
(Frührentner)
  • Familienverhinderungspflege
  • Unterstützung von Selbsthilfe­aktivitäten
  • Begegnungen der Generationen
  • Vermittlung von Hauswirtschafts- und 
Pflegediensten
  • Förderung der Dienstleistungs­vielfalt
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