SHK-Systemtechnik

Wasserstoff in der Haustechnik? Technisch geht‘s.

Mittwoch, 05.06.2024

Das vorhandene Gas-Versorgungsnetz ist wesentlich aus Kupfer-Rohrleitungen aufgebaut.

Das Bild zeigt ein Schild auf dem Wasserstoff steht.
Quelle: Eckhard Martin
Ist das die Zukunft der leitungsgebundenen Energie­versorgung? Wasserstoff statt L- oder H-Gas, in nahezu 
jedes Haus, weil das Rohrnetz dafür schon geeignet ist?

Für die Versorgungssicherheit von Morgen kann das noch entscheidend sein, wenn durch diese Rohre statt L- oder H-Gas „grüner“ Wasserstoff (H2) zu den Verbrauchern transportiert werden muss. Technisch geht das schon heute, bestätigt eine Studie des Kupferverbandes.

Wer (immer noch) daran glaubt, dass die nahe Zukunft der Energieversorgung rein elektrisch ist, ist – euphemistisch gesprochen – ein Optimist. Oder: Der / die / das glaubt auch daran, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Denn ja, es stimmt: In 2023 hat zwar der Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch tatsächlich die 50-Prozent-Marke übertroffen. Aber das lag erstens daran, „weil der gesamte Strombedarf im Jahr 2023 nochmals zurückging“ (Zitat Umweltbundesamt). Zum anderen haben die Erneuerbaren am Primärenergieverbrauch in Deutschland (11,75 Petajoule; Quelle: Umweltbundesamt, 11.23) generell nur einen Anteil von etwa 17,6 Prozent – so dass bei wohlwollend kompletter Zuordnung dieses Blocks zur Elektrizität der „grüne“ Anteil am Gesamtenergiebedarf ganz schnell in den einstelligen Prozentbereich absackt. Und jetzt lassen wir mal außen vor, dass da auch noch Biomasse mitgezählt ist, zum Beispiel... Also: Es wird noch eine ganze Weile dabei bleiben, dass wir neben den auf, besser in schmalem Draht wandernden Elektronen weiterhin alternative Energieträger brauchen – für die es idealerweise schon eine Infrastruktur geben sollte. Denn selbiges wäre auch für die Umwelt von Vorteil; so gesamtbilanzierend gesehen.

Womit wir beim Wasserstoff (H2) im Allgemeinen und beim grünen oder orangenen oder pinken als solchem wären, der CO2-frei, zumindest äußerst CO2-arm aus in dieser Reihenfolge Photovoltaik oder Wind- oder Wasserkraft oder Atomstrom hergestellt wird. Aber warum überhaupt Wasserstoff? Vor allem, weil das Gas mit 33,33 kWh/kg auf die Masse bezogen die höchste Energiedichte von allen Brennstoffen hat. Es ist also ein sehr guter Energiespeicher. Herstellen, wenn volatile grüne Energie im Überfluss da ist, bunkern und verbrauchen, wenn´s nötig ist – so sieht das dann nachhaltig in der Praxis aus. Vor allem, wenn das vorhandene Gasnetz genützt werden könnte, den Brennstoff zu verteilen. So bliebe alles beim Alten, bei 59.500 Kilometer bestehendem Fern- und Verteilnetz quer durch die gesamte Republik bis in fast jedes Gebäude hinein. Nur das L- oder H-Gas würde durch ein „H“ mit tiefgestellter „2“ ersetzt – wenn es denn technisch tatsächlich ginge... Und genau mit dieser Frage hat sich jetzt der Kupferverband auseinandergesetzt. Der hat naheliegenderweise ein originäres Interesse an dem Thema, schließlich sind auf der „letzten Meile“ viele, viele Hausverteilungen und Geräteanschlüsse aus entsprechenden Rohren aufgebaut. Und nachdem Gerätehersteller wie die Granden der Heiztechnik ihre „zumindest H2-ready“ am Start haben, sollte die Umstellung an der leitungsgebundenen Zuführung der Energie doch nicht scheitern ...

Um das Ergebnis der aktuellen Studie vorweg zu nehmen: Ja, das vorhandene Gasnetz eignet sich für die Verteilung von Wasserstoff. Es funktioniert sogar erstaunlich gut, auch außerhalb der Test- und Versuchsanlagen.

Denn um den Einfluss von Wasserstoff auf Kupferwerkstoffe zu untersuchen, wurde speziell für Kupferlegierungen ein umfangreiches Testprogramm für unterschiedliche Kupferlegierungen an der Ruhr-Universität Bochum, Lehrgebiet Werkstoffprüfung, durchführt – und die kamen zu dem Ergebnis, dass „Kupferwerkstoffe als Konstruktionswerkstoffe mit hoher Festigkeit sowie als Funktionswerkstoffe mit den kupferspezifischen Eigenschaften der hohen Korrosionsbeständigkeit, hohen Leitfähigkeit, Nichtmagnetisierbarkeit etc. für H2-Anwendungen genutzt werden“ können, so Jens Jürgensen vom Ruhr-Universität-Institut. Denn ausscheidungshärtende Kupferlegierungen erreichten Festigkeiten, die mit hochfesten Stählen vergleichbar seien, aber so gut wie keine Versprödungseffekte bei H2-Exposition zeigten. „Insbesondere in der Hausinstallation ist damit ein absolut zuverlässiger Nachweis für eine problemlose Einsatzbarkeit von Kupferlegierungen gegeben,“ fasst Roland Müller, Vorsitzender der Gütegemeinschaft Kupferrohr, das Ergebnis zusammen.

Das Bild zeigt einen Lehrsaal mit Dozenten.
Quelle: Kupferverband e.V.
Die RuhrUni Bochum hat sehr genau geforscht und untersucht, wie sich Kupferrohre (und andere Werkstoffe) unter H2-Einfluss verhalten. Das Ergebnis der Studie präsentierte Jens Jürgensen mit dem Ergebnis: Kupfer eignet sich.

Das Handwerk freut sich

Ganz besonders freuen kann sich über diese Botschaft das SHK-Handwerk, für das die Bedeutung der Wasserstoffintegration immer wichtiger werde, so Andreas Braun, Vertreter des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK): „Die Nutzung von Wasserstoff in der häuslichen Gasversorgung eröffnet dem Handwerk vielfältige Chancen. Wir stehen jedoch auch vor Herausforderungen, die es gemeinsam zu bewältigen gilt. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handwerk ist dabei entscheidend.“ Und eben das Wissen, das man augenscheinlich auch weiterhin auf die am Markt eingeführten Kupfer-Rohrleitungssysteme mit Gas-Zulassung setzen kann, wenn denn die entsprechenden Zulassungen für den Einsatz in H2-Netzen vorliegen.

Bislang ist in Deutschland nur eine Beimischung von zehn Prozent Wasserstoff im Erdgasnetz zugelassen. Eine Erhöhung auf 20 Prozent wird derzeit in verschiedenen Feldtests untersucht. Gas-Brennwertgeräte der neuesten Generation sind bereits heute dafür zertifiziert. Sogar eine Nutzung von 100 Prozent Wasserstoff für die Wärmeversorgung ist möglich: Erste darauf ausgelegte Heizgeräte befinden sich in der Testphase. Um diese Geräte einzusetzen, müssten jedoch Gasnetze für den Transport von reinem Wasserstoff freigegeben sein. Das ist aktuell nicht der Fall – die Katze beißt sich an dieser Stelle also selber in den Schwanz ... Oder um die Bildwelt der Tiere weiter zu strapazieren: Was kommt zuerst, die Henne oder das Ei?

Das Handwerk ist auf jeden Fall gerüstet. „Bei uns laufen bereits eine Vielzahl von Projekten zum Wasserstoffeinsatz. Eine Umrüstung auf Wasserstoff ist danach im Gasverteilnetz betriebssicher möglich. Eine Vielzahl weiterer, innovativer Projekte für klimaneutrale Wärme ist auf dem Weg,“ so Braun. „Damit die diesbezüglichen Maßnahmen der Gaswirtschaft, der Heizungsindustrie und des Fachhandwerks möglich sind, fordern wir von der Bundesregierung gleichwohl Rahmenbedingungen, welche die Nachfrage nach klimaneutralen Gasen unterstützen.“

Das Bild zeigt Andreas Braun vom ZVSHK.
Quelle: Kupferverband e.V.
Andreas Braun vom ZVSHK: „Aus Sicht des Handwerks stecken in dem Thema Wasserstoff in der häuslichen Gasversorgung gleichermaßen Chancen wie Herausfor­derungen!“

Wasserstoff funktioniert im Testbetrieb

Beim „H2-Mix Projekt“ in Erftstadt wurde von der GVG Rhein-Erft und Rheinische NETZGesellschaft (RNG) gemeinsam mit dem TÜV Rheinland bereits untersucht, ob und wie eine zumindest 20-prozentige H2-Beimischung in der Praxis als Energieträger zur Wärmeversorgung in bestehenden Gebäuden, also auch über vorhandene Verteilnetze funktioniert.

Mario Reimbold von der TÜV Rheinland Energy GmbH: „Alle beteiligten 100 Kundenanlagen sind mit der Wasserstoffbeimischung über zwei Heizperioden hinweg im vollautomatischen Betrieb einwandfrei gelaufen. Es hat weder Probleme bei der Verbrennung noch Undichtigkeiten in den Leitungen oder den Armaturen gegeben. Da Wasserstoff im Vergleich zu Erdgas rückstandslos verbrennt, haben sich außerdem die Abgaswerte (CO2, CO, NOx) der Kundenanlagen deutlich verbessert.“

Dennoch wurde das Projekt nicht fortgesetzt. Die Gründe: noch nicht wirtschaftlich und nicht wirklich klimaschonend, weil kein „grüner“ Wasserstoff zur Verfügung stand. Außerdem, so Reimbold, sei die Energiebilanz im Vergleich zur Wärmepumpe schlechter.

Das Bild zeigt ein Endgerät für die dezentrale Wärmeversorgung mit Wasserstoff.
Quelle: Eckhard Martin
Die Endgeräte für die dezentrale Wärmeversorgung mit Wasserstoff sind, zumindest in Testanlagen, schon da. Und auch die entsprechenden Instal­lationssysteme für die Versorgung, wie Kupfer-Rohrleitungen in Pressver­bindungstechnik.

Fazit

Der Einsatz von Wasserstoff als Energieträger ist in naher Zukunft eher unwahrscheinlich, da laut Bundesnetzagentur selbst eine Beimischung von Wasserstoff im Gasnetz im großen Stil nicht zu erwarten steht. Eine Prüfung oder Ertüchtigung der Gasnetze für den Wasserstofftransport in Wohngebieten steht damit aktuell nicht auf der Agenda. Sollte sich das ändern, haben aber zumindest die Kupfer-Leute ihre Hausaufgaben gemacht. Dr. Klaus Ockenfeld vom Kupferverband: „Einer von vielen Aspekten zur erfolgreichen Umsetzung der nationalen Wasserstoff-Strategie ist die Sicherstellung der Materialverträglichkeit entlang der gesamten Gas-Kontakt-Infrastruktur. Denn zur Beurteilung des Materialverhaltens unter Wasserstoffeinfluss ist es unumgänglich, die grundlegenden Mechanismen der Wasserstoffaufnahme, die Wirkung von Wasserstoff auf die mechanischen Eigenschaften sowie die dedizierte Wasserstoffanalyse und Wasserstoff spezifische Werkstoffprüfung zu verstehen und anzuwenden.“ Und genau das ist mit der aktuellen Studie erledigt. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, in welche Richtung sich der Energiemix der Zukunft fernab von Ideologien und regierungsbehörden-internen Influencern tatsächlich entwickelt – und wie bedeutsam dann die bereits vorhandenen, leitungsgebundene Versorgungsoptionen für Wasserstoff werden.

Von Eckhard Martin
Chefredaktion SanitärJournal

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