Gravierender Wohnungsnotstand! Immer lauter schrillen die Alarmglocken der Verbände …
„Lasst, die ihr hierzulande wohnen wollt, alle Hoffnung fahren …“
Klimaschutz oder Wohnungsbau?
Mittwoch, 22.02.2023
Der Wohnungsbau in Deutschland steht vor dem Kollaps – dieser Eindruck beschleicht einem beim Lesen der jüngsten Verlautbarungen von Verbänden der Wohnungs- und Bauwirtschaft. Eine kleine Auswahl:
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„Ungeahntes Desaster auf dem Wohnungsmarkt“
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„Beängstigende Sozialwohnungsnot“
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„Wohnen wird zur Armutsfalle“
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„Wohnbauziele endgültig in den Sand gesetzt“
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„Jetzt ist es amtlich: Bundesregierung hat jegliche Hoffnung auf eine Trendwende platzen lassen. Die Talfahrt am Wohnungsmarkt wird weiter zementiert.“
Nun gehört Klappern bekanntermaßen zum Handwerk, gerade für Interessenverbände. Und zumal dann, wenn man mit dem Klappern (oder Unken) Forderungen an die Politik verbindet. Des Pudels Kern ist jedoch der sich ständig weiter vertiefende Spalt zwischen „Mieten, die politisch und sozial erwünscht sind und Mieten, die aufgrund aktueller Bau- und Materialkosten gezahlt werden müssten,“ sagt Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB).
Klimaschutz contra Wohnrecht?
Die Experten von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE eV) haben da mal nachgerechnet und die Kostenentwicklung im Wohnungsbau von 2000 bis zum dritten Quartal 2022 näher betrachtet. Während in diesem Zeitraum der Index der allgemeinen Lebenshaltungskosten um 50 Punkte anstieg, legte der Baupreisindex für Wohngebäude um das Doppelte zu, nämlich um 96 Punkte. Noch stärker stieg der Index der Bauwerkskosten – auf 123 Punkte. Brisant dabei ist: Letzterer beinhaltet die zusätzlichen Kosten für alle Anforderungen zu Energieeffizienz und Klimaschutz, die von der Politik über die Jahre verlangt wurden. Dieser Anteil macht mehr als ein Fünftel der gesamten Bauwerkskostensteigerung seit 2020 aus. Die ARGE stellt fest, „dass der wesentliche Kostentreiber im Wohnungsbau nicht der Rohbau ist, sondern mit Abstand – und weiter zunehmend – der Technische Ausbau. Weitere qualitative, normative oder gesetzliche Standardanhebungen werden die Erstellung bezahlbaren Wohnraums erheblich erschweren.“ Das hat Konsequenzen: Aktuell liegen die Median-Kosten für die Erstellung neuen Wohnraums in deutschen Großstädten bei ca. 4.900 Euro pro Quadratmeter - mit einer Spanne von 2.880 bis 7.338 Euro. Daher sei im frei finanzierten Wohnungsbau eine Kaltmiete unter € 16,50/m2 nicht mehr wirtschaftlich realisierbar, rechnet die ARGE. Es scheint fast, als stünde der Wohnungsbau vor der Qual der Wahl: Entweder mehr Klimaschutz – oder mehr Wohnungsbau.
Folgende Forderungen stellen die Verbände deswegen an die Politik:
-Absenkung der Mehrwertsteuer von neunzehn auf sieben Prozent für (sozialen) Wohnungsbau.
-Keine weiteren Verschärfungen im Mietrecht.
-Einfach mögliches „switchen“ vom freien Mietwohnungsbau zu gefördertem Sozialwohnungsbau bei bereits laufenden Projekten.
-Schnellere Bearbeitung von Förderanträgen für den Bau von Sozialwohnungen. Vorbildlich sei das in Schleswig-Holstein geregelt mit nur vier Wochen Bearbeitungszeit.
-Auskömmliche und vor allem verlässliche Förderung und längere KfW-Zinskonditionen.
Bittere 1:10-Chance
Die Kostenentwicklung im Wohnungsbau verlange nach einer Reaktion des Staates, insbesondere im sozialen Wohnungsbau, fordert das Bündnis „Soziales Wohnen“. Derzeit kämen auf eine Sozialwohnung zehn Bewerber mit einem Wohnberechtigungsschein. Für den Neubau von 380.000 Sozialwohnungen bis 2025 solle ein „Sondervermögen“ von 50 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Konkret liege der Förderbedarf für eine 60 Quadratmeter große Sozialwohnung bei 126.000 Euro. Das mache für 100.000 Wohnungen 12,6 Milliarden. Werde nach dem KfW 40-Standard gebaut, erhöhe sich der Betrag auf 14,9 Milliarden. Wieviel Klimaschutz darf es sein?
Zu dem brisanten Thema berichtet das SanitärJournal auch hier und hier.