Trinkwasserhygiene

Holsterhausen: Handwerk bleibt auf mysteriösen Lochfraßschäden hängen

Montag, 18.06.2018

Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 8. Februar 2018 vor dem 21. Senat des Oberlandesgerichts Hamm und der Richterspruch: „Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.03.2015 verkündete Grund- und Teil-Endurteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Essen (17 O 198/11) wird zurückge­wiesen.“ Das Landgericht hatte die Fa. Grefer zur Behebung der Korrosionsschäden an halbharten Kupferrohren im St. Laurentius Seniorenheim in Dorsten verurteilt.

Das betroffene Objekt: Caritas-Seniorenheim St. Laurentius in Dorsten.
Quelle: Bernd Genath
Das betroffene Objekt: Caritas-Seniorenheim St. Laurentius in Dorsten.

Der Anlagenbauer dagegen sah – und sieht – im Wasser einen Mitschuldigen. Den Liefervertrag mit dem Wasserversorger RWW Mülheim hat aber der Betreiber des Objekts, der Caritasverband, abgeschlossen. Also ist er nach Meinung des Handwerkbetriebs selbst Mitschuldiger an einem der rätselhaften Lochfraßfälle im Bezirk des RWW-Wasser­werks Holsterhausen. Er hatte deshalb gegen den Bauherrn und Betreiber vor dem Landgericht Essen geklagt. Aber kein Recht erhalten. Er ging in die Berufung, doch auch die Berufungsin­stanz, das OLG Hamm, folgte seiner Argumentation nicht. Den Richtern fehlten, genauso wie dem LG, überzeugende Beweise.

Die Schadenssumme beläuft sich auf 110.000 Euro plus Gerichts- und Anwaltskosten. Die Rede ist von Schäden an halbharten Kupferrohren. Das SanitärJournal hatte über die mysteriösen Durchbrüche in Kupferleitungen im Versorgungsbereich des Wasserwerks Holsterhausen/Westfalen mehrfach berichtet. Mehrere Betriebe beziehungsweise Installationen sind davon betroffen und einige Gerichtsverfahren noch anhängig. Rätselhaft ist nicht das Schadensbild. Heute sind sich die Fachleute einig, dass es sich um Lochfraß Typ I handelt – mit dieser Zuordnung taten sie sich anfangs schwer.

Unbekannt ist dagegen nach wie vor der Auslöser. Werkstoff? Wasser? Betriebsbedingungen? Verarbeitung? All diese potentiellen Verursacher nahm man unter die Lupe, konnte aber bisher niemandem eindeutig die Schäden anhängen. Also entschieden sich das Landgericht Essen und jetzt auch das Berufungsgericht gegen das In­stallationsunternehmen. Das habe nach Werkvertragsrecht eine einwandfreie Anlage zu liefern. Grefer demgegenüber argumentierte erstinstanzlich (Landgericht Essen), dass keine der vorliegenden Schadensanalysen von Verarbeitungsfehlern spreche. Es müsse einen anderen Grund für das Debakel geben. Da durch das normgerechte Rohr nun mal Wasser fließe, mit Inhibitoren und Verunreinigungen, müsse das Wasser der Schuldige sein.

Lochfraß Typ I im halbharten Kupferrohr vor dem Durchbruch.
Quelle: Bernd Genath
Lochfraß Typ I im halbharten Kupferrohr vor dem Durchbruch.

Schlechte Karten

Beide, das Landgericht sowie das Oberlandesgericht, gingen jedoch diesem Pfad nicht nach. Wie sollten sie auch, da zum Beispiel Beweise für korrosives Wasser zwangsläufig fehlen mussten. Mussten, denn die Rohre waren vor fünf, zehn und fünfzehn Jahren eingebaut worden. Wasserproben aus dieser Zeit lagen nicht vor und die damaligen Wasseranalysen dokumentieren nur die zu analysierenden Werte nach Norm und Trinkwasserverordnung. Diese Parameter beziehen sich jedoch ausschließlich auf die Hygiene des Wassers, nicht auf seine Verträglichkeit mit halbharten Kupferrohren. Die Trinkwassernorm und die Trinkwasserverordnung interessieren sich nicht oder nur wenig für die Haltbarkeit des Werkstoffs.

Obwohl die Grefer GmbH wusste, dass sie schlechte Karten in der Hand hält, legte sie gegen das Urteil des LG Essen Berufung beim OLG Hamm ein. Für Ansprüche aus Dienst- und Werkverträgen und aus dem Produkthaftungsgesetz ist der 21. Zivilsenat des OLG Hamm zuständig. Zugewiesen sind ihm die Bezirke der Landgerichte Essen und Hagen sowie in Teilbereichen auch die Bezirke der Landgerichte Bielefeld und Detmold. Das OLG hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben. Nach Auswertung der Anhörungen im Rechtsstreitverfahren der Hermann Grefer GmbH als Beklagte (vor dem Landgericht 2015) und Berufungsklägerin sowie der KME Germany AG und Co. KG als Streithelferin gegen den Caritasverband für das Dekanat Dorsten bestätigte die Berufungsinstanz das LG-Urteil gegen den Anlagenbauer. Sie stützte sich bei ihrer Einschätzung unter anderem auf das Gutachten des bestellten Sachverständigen Wolfgang Peglow. Die Grefer GmbH hatte gegen den Caritasverband geklagt, weil der Betrieb im Wasser den Schuldigen sieht und das Wasser – und damit die Wasserqualität – der Caritasververband nun mal selbst beim RWW Mülheim, Betreiber des Wasserwerks Holsterhausen, einkauft. Nicht er, der Anlagenbauer. Wenn sich dieses eingekaufte Wasser nicht mit den Rohren vertrage, müsse sich den Korrosionsschuh auch der Caritasverband anziehen.

Die betroffenen Anlagenbauer Thomas und Uwe Cirkel (rechts), Hermann Grefer GmbH
Quelle: Bernd Genath
Die betroffenen Anlagenbauer Thomas und Uwe Cirkel (rechts), Hermann Grefer GmbH

Trübung kein Thema

Als Beleg für diese Position hatte die Grefer GmbH erstens Analysen des ört­lichen Gesundheitsamts vorgelegt, wonach die Trübung des Wassers in Holsterhausen teilweise den empfohlenen Wert um den Faktor zehn und mehr in der Vergangenheit überstieg, was also auf erhebliche Verunreinigungen zum Zeitpunkt der Schadensauftritte hindeutet. Zum Zweiten präsentierte der Kläger ein Gutachten von Prof. Dr.-Ing. Feser, Geschäft­sführer des An-Instituts für Instandhaltung und Korrosionsschutztechnik an der Fachhochschule Südwestfalen. Korrosionsexperte Ralf Feser hatte die halbharten Kupferrohre im Labor unter die Lupe genommen und eine erhebliche Rauigkeit gemessen. Die unterstütze die Anlagerung von Schmutzpartikeln, sodass es zur Bildung von galvanischen Elementen und damit zur Lochfraßkorrosion kommen könne.

Die Rechtsanwälte führten noch weitere Details zugunsten des Handwerkerunternehmens auf, doch zu technischen Diskussionen kam es vor dem OLG nicht. Dafür war den Richtern offensichtlich die Materie auch viel zu fremd. Mitentscheidend für die Zurückweisung der Berufung war die Passage in dem Gutachten Peglow, die sich mit dem Spülen der Rohre befasste. Grefer hatte nach der Installation die Rohre mit Druckluft zur Dichtheitsprüfung abgedrückt. Der Anlagenbauer hielt sich damit an die Vorgaben des ZVSHK-Merkblatts „Dichtheitsprüfungen von Trinkwasser-Installationen mit Druckluft, Inertgas oder Wasser“. Das empfiehlt den Einsatz von Druckluft, „wenn eine längere Stillstandzeit von der Dichtheitsprüfung bis zur Inbetriebnahme bei durchschnittlichen Umgebungstemperaturen zu erwarten ist, um mögliches Bakterienwachstum auszuschließen“. Das heißt, Wassersäcke und Totzonen sind vor allem in den unendlich langen Rohrleitungen in Krankenhäusern, Altenheimen und ähnlichen Institutionen nicht auszuschließen. Deshalb sollten solche Rohrleitungen trocken bleiben.

ZVSHK-Merkblätter uneinheitlich

Demgegenüber sagt eine andere ZVSHK-Arbeitshilfe, nämlich das Merkblatt „Spülen, Desinfizieren und Inbetriebnahme von Trinkwasserinstallationen“: Um die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung von Verunreinigungen „so gering wie möglich halten zu können, ist es notwendig, bei Installations- und Instandsetzungsarbeiten den Eintrag von Verunreinigungen weitestgehend zu vermeiden. Vorausgesetzt, dass eine saubere Installation durchgeführt wurde, ist ein intensives Spülen der Rohrleitungen mit Wasser in der Regel ausreichend.“ Das heißt also, chemische Verunreinigungen, wie zum Beispiel Lochfraß begünstigende Biofilme, beuge man am besten mit Durchblasen der Leitungen mit trockener Luft vor, mechanische Verunreinigungen spüle man mit Wasser aus. Peglow: „Danach gefragt, ob die Dichtheitsprüfung mittels Druckluft auch der Beseitigung von etwaigen Verunreinigungen in den Leitungen dient, so ist dies zu verneinen. Die Druckluftprüfung dient allein der Prüfung der Dichtigkeit. Die Reinigung erfolgt durch die Spülung mit Wasser.“

Der Anlagenbauer steht damit vor einem Problem. Das erhöht sich noch, wenn man sowohl Dr. Angelika Becker vom IWW-Zentrum Wasser, Mülheim, sowie den Gutachter hört, die beide meinen, dass sich leider bei der Luftspülung unter Umständen Kondenswasser niederschlägt – deshalb sprechen die Regelwerke von trockener Luft – und das Kondenswasser als Stagnationswasser in Leitungen mit Kupfer auch wieder zu korrosiver Elementbildung auf Basis von Mikroorganismen führen kann. Diese widersprüchlichen Empfehlungen und Aussagen verknüpfte Wolfgang Peglow vor dem Oberlandesgericht Hamm zu einem Gordischen Knoten: „Ich empfehle daher, dass kurz nach der Druckprüfung gespült wird. Das war hier nicht der Fall. Der Zeitraum zwischen der Dichtheitskontrolle und dem Spülen beziehungsweise der Inbetriebnahme war hier sehr lang.“

DVGW-Untersuchungsbericht vom 17. September 2017. Bemerkenswert der Titel: Von neuartigen Schäden ist die Rede. (www.dvgw.de/index.php?)
Quelle: Bernd Genath
DVGW-Untersuchungsbericht vom 17. September 2017. Bemerkenswert der Titel: Von neuartigen Schäden ist die Rede. (www.dvgw.de/index.php?)

Mangelbehaftete Leistung

Um es nochmals hervorzuheben: Gerade wegen des vorhersehbaren langen Zeitraums zwischen Druckprüfung und Inbetriebnahme soll nicht mit Wasser gespült werden, rät der ZVSHK in seinem Merkblatt „Dichtheitsprüfungen von Trinkwasser-Installationen mit Druckluft, Inertgas oder Wasser“. Bei so viel Sensibilität des Materials müsste eigentlich wieder das Kupferrohr Thema sein. Ist es für den Einsatzzweck geeignet? Natürlich, werden die Anbieter und die Mehrheit der Planer und Anlagenbauer sagen, wie viel Schäden haben wir denn?

Angesichts dieses undurchschaubaren Stands der Technik beziehungsweise Regelwerke, den zu harmonisieren nicht Sache der Justiz ist und was darüber hi­naus Monate oder Jahre dauern dürfte, stand für die Richter der Vollzug des Verbraucherschutzes im Vordergrund. In diesem Falle der Caritasverband als Verbraucher und Geschädigter. Im Prinzip war ja alles klar: Es handelte sich um einen Werkvertrag zwischen einer karitativen Einrichtung und einem SHK-Betrieb. Der Werkvertrag verlangt die Ablieferung einer mangelfreien Leistung. Unstreitig war sie das nicht.

Der Beweis des ersten Anscheins spricht gegen den vom Landgericht Essen in Erster Instanz zur Schadensbehebung verurteilten Betrieb. Dass der auf der Summe von über 100.000 Euro nicht allein sitzen bleiben will, ist ihm nicht zu ver­übeln. Also trägt er Sachmängel an verwendeten Produkten, nämlich Wasser und Rohrwerkstoff, vor, und zwar solche, die außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegen. Sachmängel dieser Art bestätigen aber die Gutachten nicht. Sie bescheinigen die Qualität des verwendeten Wassers, die Qualität des verwendeten Kupfermaterials und im Zusammenspiel die Verträglichkeit dieser beiden Komponenten – vorausgesetzt, die Installationsregeln werden eingehalten. Ob das Handwerksunternehmen das getan hat oder nicht, ist aus Sicht des Auftraggebers unerheblich. Der hat Anspruch auf ein mangelfreies Werk, also muss der Installateur auf eigene Kosten reparieren, da Belege für „versteckte“ Sachmängel an Transportmittel und Transportgut fehlen.

Das sagt das IWW

In diese Richtung hatte sich auch der Sachverständige geäußert. „Danach gefragt, ob mir die Ergebnisse zu dieser Untersuchung zur Aufklärung von neuartigen Schäden durch Lochkorrosion an Trinkwasser-Installationen aus Kupfer des IWW, die mit der Management Summary von September 2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, bekannt sind, so kann ich dies bejahen. Ich habe die Summary gelesen und sehe sie als Bestätigung meiner in dem Gutachten dargestellten Ergebnisse.“

Das IWW, das von der Wasserwirtschaft getragen wird, steht in der zitierten Summary nicht auf Seiten der Anlagenbauer. Es stellt sich aber auch nicht gegen die Anlagenbauer. Es sagt lediglich, „einen Zusammenhang zwischen der Wasserqualität und der Lochkorrosion konnte in der Auswertung von 200 Trinkwässern nicht festgestellt werden.“ Nur – diese Untersuchungen führte es im Jahre 2017 durch. Die Wasserqualitäten zuzeiten der Korrosionen – wie oben erwähnt vor fünf, zehn und fünfzehn Jahren – standen naturgemäß dem IWW gar nicht zur Verfügung. Das interessierte das Gericht aber nicht.

Auch nicht die Anregung in dem Summary, die eigentlich pro Anlagenbau gewertet werden könnte: „Um das Pro­blem zu lösen, sind weitere gemeinsame Aktivitäten von Industrie, Handwerk und Wasserversorgung notwendig. Im Sinne des Verbraucherschutzes kann nur mit einem gemeinsamen Vorgehen sichergestellt werden, dass die Schadens­ursache genauer eingegrenzt werden kann.“ Also wird die Justiz gedacht haben, dann tut das mal, aber das Leitungsnetz ist zunächst genau aus diesem Grund, dem Verbraucherschutz, heute vom Installateur als Auftragnehmer zu reparieren.

Die Konsequenzen

Deshalb sollte man aus dem Urteil mindestens drei Konsequenzen ziehen:

Erstens: Wie ist denn nun das Spülen zu handhaben? Trocken oder nass? Trocken plus nass? Trocken plus wiederkehrendes Nassspülen bis zur Inbetriebnahme? Bei dieser dritten Variante stünde der Betreiber selbst in der Verantwortung. Er ist damit aufgefordert, für einen permanenten Wasseraustausch in den Leitungen zu sorgen. Das verlangen im Übrigen auch die Hygienevorschriften. So das Bundesgesundheitsamt BGA im Bundesgesundheitsblatt: „Es muss eine periodische Spülung in Krankenhäusern, Arztpraxen oder Hotels sichergestellt sein, unabhängig davon, ob Zimmer belegt sind oder nicht.“

Selbstverständlich hat das BGA die Hygiene im Blick, aber die mangelnde Hygiene kann über die aufkeimende Mikrobiologie die Korrosionen ausüben. Ist im Caritasverband also in dem rund halben Jahr nach der Übergabe und vor der Inbetriebnahme regelmäßig gespült worden? Und was heißt regelmäßig: Täglich, wöchentlich, vierzehntäglich? Dieser Pfad beziehungsweise diese Frage inte­ressierte weder das Landgericht Essen noch das Oberlandesgericht Hamm. DVGW und ZVSHK sind hier gefordert, eine eindeutige Regelung herauszugeben. Man denke dabei auch an Wartungsverträge.

Zweitens: Die gemeinsame Forschung, wie im Summary gefordert, sollte schnellstmöglichst beginnen.

Drittens: Mit Punkt zwei verknüpft ist die Definition von Parametern, die korrosions- aber nicht hygienerelevant sind. Weiter vorne ist ja schon gesagt, dass sich die Wasser­analyse nur um die Hygiene kümmert. Insofern hilft sie bei der Auswahl der Werkstoffe dann nicht weiter, wenn es darüber hinaus noch Faktoren gibt, die nicht erfasst, aber für die Installation risikobehaftet sind. Auf einem Pressegespräch Anfang dieses Jahres mit dem Deutschen Kupferinstitut kam dieser Mangel der pflichtigen Wasseranalyse ebenfalls zur Sprache.

Das Urteil des OLG Hamm.
Quelle: Bernd Genath
Das Urteil des OLG Hamm.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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