Uni sucht tausend Bürger, die ihr Trinkwasser zuhause selbst beproben und analysieren
Guckt doch einfach selber nach der Wasserqualität!
Bürgerwissenschaftliches Experiment in Bochum
Mittwoch, 14.09.2022
Wie das Trinkwasser auf dem Weg vom Wasserwerk zum Hausanschluss beschaffen ist, wird von den Versorgern regelmäßig, mitunter täglich geprüft. Die Ergebnisse sind für jedermann zugänglich bekanntgegeben. Ob und wie sich Qualität und Beschaffenheit des „Lebensmittels Nummer 1“ jedoch auf „den letzten Metern“, vom Hausanschluss bis zu den Zapfstellen, verändern, wird hingegen weitaus seltener untersucht. Vor allem im privaten Raum, also beim deutschen Michel daheim … Daher sei auch das tatsächliche Ausmaß möglicher Veränderungen bislang weder der Forschung noch Verbrauchern bekannt, sagen Wissenschaftler des Lehrstuhls für Didaktik der Chemie an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Diese Wissenslücke wollen sie jetzt aber schließen. Und starten dafür das bürgerwissenschaftliche Projekt „CS:iDrop“. Bürgerwissenschaft, oder Citizen Science, meint die Mitarbeit von Bürgern bei wissenschaftlichen Forschungen und Untersuchungen. Dazu gehören beispielsweise Vogelzählungen, oder die Suche nach außerirdischem Leben, oder eben der Blick aufs vielleicht gar nicht so saubere Trinkwasser in den eigenen vier Wänden.
Waterbox – mobiles Labor für zuhause
In Bochum werden deswegen nun 1.000 Bochumer Bürger gesucht, die ihr häusliches Trinkwasser selbst beproben und analysieren wollen. „Wir rufen dazu auf, gemeinsam mit Wissenschaftlern und kommunalen Partnern ausgewählte chemische Parameter ihres Trinkwassers „auf dem letzten Meter“ mit chemischen Methoden zu untersuchen und darüber zu kommunizieren“, heißt es auf der Webseite des Projekts. Untersucht werden beispielsweise die Parameter für Kupfer, Eisen, Blei und Nitrat/Nitrit. Die zuhause am eigenen Wasserhahn entnommene Probe wird direkt vor Ort mit dem mobilen CS:iDrop-Waterbox-Labor analysiert. Anschließend wird die identische Probe von den Bürgern gemeinsam mit Wissenschaftlern in einem Messlokal an der RUB nochmal mit klassischen Labormethoden analysiert. Die so gewonnenen Daten stehen danach auf einer Plattform für offene Sensordaten (open SenseMap) öffentlich zur Verfügung. Dieses Messlokal wurde jetzt nach einer Entwicklungs- und Erprobungsphase eröffnet. Damit beginnt auch die Anmeldephase.
Das Projekt startet zunächst in Grönemeyers Heimatstadt – und wird danach an weitere Standorte transferiert. „Denn Fragen nach dem Trinkwasser sind überall präsent und die Erweiterung der Wissensbasis eine Gesellschafts- und Gemeinschaftsaufgabe“, so die Verantwortlichen. Gefördert wird CS:iDrop vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis Ende 2024 mit 600.000 Euro. CS:iDrop steht übrigens für: „Citizen Science: investigation of Drinking water of and by the public”.
Dürfen die das denn?
Bei allem Respekt für das durchaus ehrenwerte Anliegen des Projekts CS:IDrop – hier ist ein Exkurs von der Chemie zur Juristik angebracht. Konkret zur Trinkwasserverordnung (TrinkwV) und deren Antwort auf die Frage: Wer darf Trinkwasser beproben? Da ist § 15 Absatz 4 recht eindeutig: „Die nach dieser Verordnung erforderlichen Untersuchungen des Trinkwassers einschließlich der Probennahmen dürfen nur von dafür zugelassenen Untersuchungsstellen durchgeführt werden.“ Zwar bezieht sich dieser Paragraf auf mikrobielle Parameter, die anscheinend bei Projekt CS:iDrop keine Rolle spielen (obwohl eine Untersuchung auf Legionellen ja durchaus sinnvoll wäre). Aber auch die Analyse nicht-mikrobieller Parameter, wie beispielsweise der Bleigehalt, müssen nach den anerkannten Regeln der Technik durchgeführt werden. Ob die den Bürger-Wissenschaftlern so geläufig sind? Es gibt – so die Erfahrung der Redaktion – gute Gründe, warum Vermieter gehobener Mehrfamilienhäuser bestimmte Berufsgruppen fürchten „wie der Teufel das Weihwasser“, weil die erfahrungsgemäß ganz schnell bei der Hand und als „Hobby-Chemiker“ an Muttis Wasserhahn in der Küche sind, wenn sie eventuelle Hygienerisiken für das Trinkwasser vermuten …