Es geht heiß her, beim vorläufigen Insolvenzverfahren der Bayerischen Energieversorgungsgesellschaft mbH (BEV). Und das, obwohl der Strom im übertragenen Sinne längst abgestellt ist …
Extra falsche Abrechnungen verschickt
Staatsanwalt ermittelt wegen Erpressung
Donnerstag, 31.10.2019
Die Gläubiger sind sauer. Ihr Unmut richtet sich an die zuständige Insolvenzrichterin am Amtsgericht München und den von ihr eingesetzten, vorläufigen Insolvenzverwalter Axel Bierbach. Sie werfen der Insolvenzrichterin Untätigkeit vor, währenddessen gegen Bierbach bereits Strafanzeigen eingegangen sind. Angeblich hat er Tausende von falschen und überhöhten Abrechnungen an die ehemaligen BEV-Kunden verschickt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft München.
Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bereitet gegen Bierbach bereits eine Musterfeststellungsklage wegen der falschen Abrechnungen vor. Entweder wurden die vertraglich zugesicherten Boni für Neukunden nicht mit eingerechnet, oder die Jahresverbrauchsrechnung beruht nicht auf einem exakten Verbrauch, sondern lediglich auf Schätzungen, so der Vorwurf.
In einer offiziellen Pressemitteilung heißt es dazu: „Der vorläufige Insolvenzverwalter Axel Bierbach hatte mit der Inkassofirma Creditreform einen Deal ausgehandelt: Das Unternehmen überließ dem Insolvenzverwalter rund drei Millionen Euro Vorfinanzierung, damit die ausstehenden Abrechnungen der BEV erstellt werden konnten. Im Gegenzug dazu bekam die Creditreform das Inkasso für die Abrechnungen der BEV-Kunden zugestanden.“ Über dieses fragwürdige Abrechnungsverhalten soll die zuständige Insolvenzrichterin bestens informiert sein, heißt es weiter.
Der ehemalige Richter Bernhard Kreilinger, selber früher Stromkunde der BEV, hat inzwischen Strafanzeige wegen Erpressung (§ 253 StGB) gegen Insolvenzverwalter Bierbach gestellt, weil er Forderungen von durch die Creditreform „eingeschüchterten beziehungsweise getäuschten“ Kunden eintreiben lässt.
Gleich zweifach ausgetrickst
Doch damit nicht genug. Die wütenden Gläubiger werfen Bierbach weiter vor, die Auszahlung von Guthaben der BEV-Kunden offenbar zweitrangig zu behandeln, um Masse zu generieren. Ihren Recherchen zufolge, hatte Bierbach bis Ende August 2019 ca. 300.000 Rechnungen (Stand: 19. August 2019) erstellen lassen. Von den ca. 300.000 Rechnungen habe er bis jetzt nur 100.000 versendet. Das seien die Rechnungen für Nachzahlungen im Wert von rund 12 Millionen Euro. Die 200.000 Rechnungen über Guthaben der BEV-Kunden, die laut Energie Wirtschaftsgesetz (EnWG) innerhalb von sechs Wochen nach Lieferende versendet sein müssen, wurden allerdings nicht verschickt, obwohl sie bereits fertig erstellt waren, heißt es. Das Guthaben der BEV-Kunden beträgt rund 27 Millionen Euro (Stand: 19. August 2019).
Auf diese Weise versuche der vorläufige Insolvenzverwalter, die BEV-Kunden gleich zweifach auszutricksen: Zum einen nehme er den Gläubigern die Möglichkeit, sich gegen eine auf falscher Grundlage erstellten Rechnung zu wehren. Zum anderen beraube er ihnen die Chance, die Guthabenforderungen aus den Abrechnungen (unabhängig davon, ob diese korrekt sind oder nicht) nach Eröffnung des Verfahrens zur Insolvenztabelle anzumelden.
Boris Wehlauer, ehemaliger CEO und Verwaltungsrat der Schweizer Genie Holding AG (Muttergesellschaft der BEV) kritisiert: „Trotz der Strafanzeigen und trotz der Vielzahl an Beschwerden bleibt die Richterin aus unerfindlichen Gründen untätig. Der vorläufige Insolvenzverwalter Axel Bierbach hatte offensichtlich kein Interesse, die Geschäfte der BEV fortzuführen. Bierbach schlug im Januar 2019 unbegründet einen fertig ausgehandelten Deal mit einem potentiellen Käufer der BEV aus. Die Fortführung der Geschäfte wären allerdings seine Pflicht gewesen.“