Trinkwasserhygiene

EU-Trinkwasserrichtlinie – und was gilt jetzt zertifizierungsmäßig wie?

Samstag, 14.09.2024

Produkte, die in Kontakt mit Trinkwasser kommen, müssen der gültigen Trinkwasserordnung entsprechen.

Das Bild zeigt den Grenzübergang am Rhein.
Quelle: Eckhard Martin
Europa wächst zusammen. Am Grenzübergang am Rhein genauso wie bei der Trinkwasserhygiene; also zumindest bei den Richtlinien zum Erhalt derselben.

Dies kann durch einen akkreditierten Zertifizierer bestätigt werden. In Deutschland ist dies nur die DVGW CERT GmbH, eine 100%ige Tochter des DVGW e.V. So das geltende Rechtsverständnis in diesem unserem Lande. Jetzt kommt die EU-Trinkwasserrichtlinie mit einheitlichen Mindestanforderungen. Und wonach richtet man sich nun, als Hersteller? Oder als Installateur, der sein Werk abnahmefähig machen muss?

Das Bild zeigt das Logo der DVGW CERT GmbH.
Quelle: DVGW CERT GmbH

Für die DVGW CERT GmbH hat Sara Hamidache den aktuellen Stand der Richt­linien und der geltenden Regelungen während der Übergangsphasen zusammengefasst:

„Die EU-Trinkwasserrichtlinie, offiziell bekannt als Richtlinie (EU) 2020/2184, wurde am 16. Dezember 2020 verabschiedet. Sie beschreibt europäische einheitliche Mindestanforderungen, um sicherzustellen, dass Trinkwasser keine Mikroorganismen, Parasiten oder schäd­lichen Stoffe enthält, welche die menschliche Gesundheit gefährden könnten. Bisher ist dies national so geregelt, dass das Umweltbundesamt (UBA) auf Basis des § 15 Trinkwasser­verordnung (TrinkwV) Anforderungen an Materialien und Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser durch drei verbindlich geltende materialspezifische Bewertungsgrundlagen (BWGL) festlegt. Das UBA empfiehlt auch die Zertifizierung und hat eine Empfehlung ‚Konformitätsbestätigung der trinkwasserhygie­nischen Eignung von Produkten‘ publiziert. Bis zum 31. Dezember 2026 gelten die nationalen Regelungen. Das UBA wird daher bis zu diesem Zeitpunkt die Bewertungsgrundlagen noch fortschreiben.

Die aktuelle nationale Rechtslage wird ab dem 31. Dezember 2026 durch einen neuen EU-Rechtsrahmen abgelöst. Ab diesem Zeitpunkt können die Bewertungsgrundlagen nicht mehr fortgeschrieben und dementsprechend nicht mehr für eine Bewertung genutzt werden. Produkte, für die bis zum 31. Dezember 2026 eine korrekte Konformitätsbestätigung auf Grundlage der UBA-Bewertungsgrundlagen ausgestellt wurde, müssen ab dem 31. Dezember 2032 nach dem europäischen Verfahren zertifiziert sein. Falls diese Produkte in der Übergangszeit noch nicht nach dem europäischen Verfahren zertifiziert sind, gelten die nationalen Anforderungen für diese Produkte weiter. Aus diesem Grund wird das UBA die Bewertungsgrundlagen erst zum 31. Dezember 2032 zurückziehen.

Handelt es sich jedoch um Produkte, die ab dem 31. Dezember 2026 erstmalig in Verkehr gebracht werden, müssen diese nach dem europäischen Verfahren zerti­fiziert und gekennzeichnet sein. Dafür dürfen solche Produkte in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten verwendet werden.

Spätestens ab dem 31. Dezember 2032 dürfen Produkte, die für den Kontakt mit Trinkwasser bestimmt sind, nur noch in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den europäischen Anforderungen gerecht werden und ent-sprechend gekennzeichnet sind. Die Einhaltung dieser Anforderungen wird mittels Marktüberwachung gewährleistet.

Das Bild zeigt das Logo, der für Kontakt in Trinkwasserinstallationen zugelassenen Produkte.
Quelle: DVGW CERT GmbH
Unter diesem Label künftig EU-weit vereint: die für Kontakt in Trinkwasserinstallationen zugelassenen Produkte.

Gemäß dem 5. Rechtsakt der europäischen Regelung gilt eine Zertifizierungspflicht für Produkte, die aus endgültigen Mate­rialien und Werkstoffen bestehen und für den Kontakt mit Trinkwasser vorgesehen sind. Hinsichtlich baustellenseitig hergestellter Produkte ist diese Zertifizierung nicht darstellbar, da die endgültigen Materialien und Werkstoffe erst auf der Baustelle gefertigt werden. Aufgrund dessen wird das UBA zu einem späteren Zeitpunkt darüber informieren, wie der Nachweis der hygienischen Eignung von baustellenseitig hergestellten Produkten zu führen ist. Die Zertifikate sind von Zertifizierungsstellen auszustellen und können frühestens ab dem 31. Dezember 2026 erteilt werden, da die Rechtsakte erst ab diesem Datum in Kraft treten.

Das UBA empfiehlt, nationale Zertifikate so bald wie möglich in neue EU-Zertifikate zu überführen. Ein solches Vorgehen verringert das Risiko, dass kurz vor Ende der Übergangszeit ein Bearbeitungsstau bei den Zertifizierungsstellen entsteht und nicht alle gewünschten EU-Zertifikate rechtzeitig vorliegen.“

Aber was bedeutet das für die Praxis?

So weit, so gut. Aber was bedeutet das in der Praxis, fragte sich zuerst die Redaktion – und bat Manfred Meyer von der DVGW CERT GmbH international um Antworten. Die DVGW CERT als Branchenzertifizierer im Gas- und Wasserfach bietet Verfahren zur Konformitätsbewertung für Produkte, Fachunternehmen und Sachverständige an. Für Bauunternehmen führt sie das Präqualifikationsverfahren nach VOB durch. Und ist damit ganz eng am Puls der Zeit, wenn es um zulässige (oder eben hygienisch fragwürdige) Trinkwasserinstallationen geht.

Das Bild zeigt Manfred Meyer von der DVGW CERT GmbH, akkreditierte Zertifizierungsstelle für das Gas- und Wasserfach.
Quelle: DVGW CERT GmbH
Manfred Meyer von der DVGW CERT GmbH, akkreditierte Zertifizierungsstelle für das Gas- und Wasserfach.

Manfred Meyer, sind die neuen Mindestanforderungen „schärfer“ als die bisherigen; was sind beispielhafte Veränderungen? „Gesetzliche Vorgaben sind ein must have! Die hierin festgelegten Prüfmodalitäten und Anforderungen entsprechen zu großen Teilen dem von mehreren EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der 4MSI-Zusammenarbeit festgelegten Vorgehen, das in Deutschland im Zuge der Festlegung der UBA-Bewertungsgrundlagen umgesetzt wurde. [Anm.: der Redaktion: Die vier EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Niederlande und Großbritannien / Nordirland hatten schon 2011 vereinbart, die Prüfungen zur hygienischen Eignung von Produkten im Kontakt mit Trinkwasser zu harmonisieren. Diese Zusammenarbeit wird als ‚4MS-Initiative‘ (4MSI) bezeichnet und soll erweitert werden.]“

Dürfen Hersteller, die beispielsweise für Sanitärarmaturen bereits eine DVGW-Zertifizierung haben, diese unverändert und ohne neue Zertifizierung weiter in den Verkehr bringen (auch über den 31. Dezember 2032 hinaus) oder müssen sie sich zeitnah um eine neue Zertifizierung bemühen? „Bis 2032 darf der Hersteller das Produkt national vertreiben, dann muss er eine neue Zertifizierung haben, sonst ist kein Vertrieb mehr möglich.“

Bis zum 31. Dezember 2026 gelten die nationalen ­Regelungen. Das UBA wird daher bis zu diesem Zeitpunkt die Bewertungsgrundlagen noch fortschreiben. Sind diese Veränderungen in der Übergangsphase für Hersteller zwingend zu beachten oder können sie mit Verweis auf die EU-Regelung ausgesessen bzw. angefochten werden? „Die Übergangsfrist der Bewertungsgrundlagen (BWGL) fing März 2019 an. Laut der damals gültigen Trinkwasserverordnung gab es eine Übergangsfrist von zwei Jahren, die jetzt also bereits verstrichen ist. Stand heute ist damit: Mit der EU-Trinkwasserrichtlinie ist das Trinkwasser ein national geregeltes Gut und damit kein Verweis möglich.“

Wenn die nationalen Bewertungsgrundlagen nicht mehr der Maßstab sind: Darf dann jede Zertifizierungsstelle (DVGW / KIWA etc.) jedes Produkt für jeden nationalen Einsatzraum prüfen / zertifizieren? „Die Zertifikate sind von Konformitätsbewertungsstellen (auch als Zertifizierungsstellen bezeichnet) auszustellen, die akkreditiert und bei der Europäischen Kommission notifiziert sind. Die jeweiligen nationalen Zertifizierungsstellen werden dazu auf einen gemeinsamen Standard verpflichtet.“

Wie ist mit Produkten umzugehen, für die es nirgendwo eine umfassende nationale Zertifizierungsgrundlage gibt, die bisher aber über „Hilfskonstruktionen“ (wie: „wirksamkeitsgeprüft“ bzw. GS-geprüft bei Kalkschutz­geräten) als „geeignet für den Einsatz in Trinkwasser­installationen“ angeboten werden? „Für die Kalkschutzgeräte gab es die DVGW-Arbeitsblätter W 512 und die W 510, die mittlerweile zurückgezogen sind. Dafür gibt es jetzt die Norm DIN 3607. Diese Norm besitzt zur Ergänzung bereits ein Zertifizierungsprogramm (ZP 9191), speziell für Kalkschutzgeräte zum Einsatz in Trinkwasser-Installationen.

"Hinsichtlich baustellenseitig hergestellter Produkte ist diese Zertifizierung nicht darstellbar, da die endgül­tigen Mate­rialien und Werkstoffe erst auf der Baustelle gefertigt werden. Aufgrund dessen wird das UBA zu ­einem späteren Zeitpunkt darüber informieren, wie der Nachweis der hygienischen Eignung von baustellen­seitig hergestellten Produkten zu führen ist.“ Wie gehe ich denn als Anlagenerrichter vor, um in der Übergangsphase rechtssicher zu arbeiten (z. B. Abnahme der Anlage durch DVGW CERT)? Welche grundlegenden Maß­gaben kann ich als Anlagenerrichter beachten, um beim Erstellen einer solchen Anlage auf der sicheren Seite zu sein? „Wie es in Zukunft gehandhabt wird ist noch nicht gesichert, aber ich kann heute bereits darauf achten, indem ich mir eine Hygiene-Konformität durch einen akkreditierten Zertifizierer zeigen lasse für das Vorprodukt.“

Wie unterstützen nationale Zertifizierungsgremien wie die DVGW CERT ihre Marktpartner (Hersteller und Handwerk), um sich auf die neuen Zertifizierungen qualifiziert vorzubereiten? „Die DVGW CERT GmbH bietet in regelmäßigen Abständen eine Online-Infoveranstaltung zu dem Stand der EU-DWD an. Zudem findet man uns immer auf den einschlägigen Fachmessen, wo wir gerne Rede und Antwort stehen. Mehr Infos, beispielsweise auch zu entsprechenden Seminaren, unter www.dvgw-cert.com.“

Von Eckhard Martin
Chefredaktion SanitärJournal

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