Wie und wo kauft der Handwerker künftig ein? Klassisch oder digital? Wandelt er weiter auf dem bewährten dreistufigen Vertriebsweg oder wagt er gar, mit Online-Riesen wie Amazon „fremdzugehen“?
Amazon: Tiger oder Bettvorleger?
Wettbewerb in der SHK-Branche
Montag, 26.03.2018
Die Frage bewegt nicht nur das deutsche Handwerk. Daher ein Gedankenspiel – leicht zugespitzt – für europäische SHK-Installateure: Würden Sie bei Amazon Material für ihre Arbeit kaufen, wenn dieses dort zu ähnlichen Konditionen wie im althergebrachten Fachhandel erhältlich wäre?
Mehr als 70 Prozent der Handwerker erscheint diese Vorstellung doch recht abwegig, vor allem den Kollegen in Deutschland, Frankreich und in Benelux. Die Skepsis ist auch begründet: Dem kalifornischen Internet-Riesen wird weder das nötige Beratungs-Know-how noch individuelle Kulanz bei Reklamationen zugetraut. Das ergab eine Studie von BauInfoConsult.
Amazon in England beliebt
Ein ganz anderes Ansehen genießt Amazon hingegen in Großbritannien. Da kann sich mit 43 Prozent nahezu die Hälfte aller SHK-Spezialisten vorstellen, bei Amazon zu kaufen – wenn denn die Konditionen mit denen des traditionellen Fachhandels vergleichbar sind. Die Briten pochen dabei auf ihre schon gemachten guten Erfahrungen mit dem Online-Händler und mit preislichen Vorteilen. Tatsächlich bietet die britische Amazon-Präsenz schon heute eine große Auswahl beispielsweise an Heizungspumpen sowie reichlich Produkte für Heimwerker an. Auch in Polen steht Amazon hoch im Kurs: Ein Drittel der polnischen SHK-Handwerker kann sich da den Online-Einkauf beim Internet-Handelshaus vorstellen.
Das britische und polnische Beispiel zeige die guten Chancen für den Online-Handel, „wenn Anbieter wie Amazon es schaffen sollten, bei den Konditionen, der Lagerhaltung, bei Service und Preis mit dem klassischen Fachhandel auf Augenhöhe zu treten“, resümiert Ralitsa Ruseva, die Autorin der Studie. Allerdings würden die traditionellen Handelsstrukturen in den nächsten Jahren weiterhin die europäischen SHK-Märkte bestimmen, so Rusova weiter. Ihre Empfehlung: „Der traditionelle SHK-Handel sollte unbedingt sein aktuelles Marktgewicht weiter ausbauen. Etwa, indem er durch Cross-Selling-Strategien mit den Online-Anbietern auf deren eigenem Feld verstärkt konkurriert. Vor allem aber sollte er seine ureigene Stärke weiter ausbauen: kompetente Beratung und gut vernetzte Lieferinfrastrukturen. Nur wenn der Fachhandel es schafft, bei der Kundenbindung und Kundenzufriedenheit der SHK-Profis weiter so gut zu punkten, wird er die digitale Wende erfolgreich überstehen.“
Ein entscheidender Punkt dürfte hier nicht zuletzt die „Kreditfunktion“ sein, die der Großhandel für viele Fachhandwerker auch noch übernimmt…
Online um jeden Preis?
Ob allerdings „Online um jeden Preis“ wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, lassen die Vorgänge um den Handwerkerdienst Thermondo doch stark bezweifeln: Einige Wochen nach einer weiteren finanziellen Infusion in Höhe von rund 21 Millionen Euro entließ das weithin gefeierte Start-up-Unternehmen im vergangenen Herbst 27 von 300 Mitarbeitern. Sieht so Wachstum aus? „Willkommen in der Wirklichkeit, Thermondo!“, ist man fast versucht zu sagen…
Vielleicht sollte Otto-Normal-Installateur in dem ganzen digitalen „Durcheinander“ einfach eine alte Weisheit des Handwerks beherzigen: Schuster, bleib bei deinem Leisten…