Absicherung des bestimmungsgemäßen Betriebes im Sinne technischer Regelwerke oder Mut zur Lücke? Dass stagnierendes Trinkwasser in ungünstigen Temperaturbereichen das Wachstum von Legionellen begünstigt, ist weitgehend bekannt und in allen wesentlichen Verordnungen, Normen und Richtlinien zum Thema Trinkwasser berücksichtigt.
Trotzdem weisen Installationen in Gebäuden, in denen Trinkwasser gewerblich an Nutzer abgegeben wird, oft keinerlei Absicherungen für Stagnationsphasen auf. Reicht eigentlich der schriftliche Hinweis des Betreibers an die Nutzer, dass das Trinkwasser in den Leitungen regelmäßig ausgetauscht werden muss oder sollten typische Betriebsunterbrechungen bereits in der Planung berücksichtigt werden? Warum Blumen gießen bei Abwesenheit nicht ausreicht und wie man Installationen systematisch gegen Stagnation in ungünstigen Temperaturbereichen absichert, zeigt dieser Beitrag.
Starten wir mit einer eher grundsätzlichen Frage. Nämlich warum es überhaupt notwendig ist, das Wasser in allen Leitungsteilen mindestens alle 72 Stunden auszutauschen, wie es die VDI-Richtlinie 6023 den Planern und Installateuren und Betreibern empfiehlt. Letztendlich geht es dabei um Verbraucherschutz. Das beispielsweise von Vermietern über die Hausinstallation zur Verfügung gestellte Trinkwasser muss „genusstauglich und rein“ sein. So formuliert es die TrinkwV und sie wird bekanntermaßen bei den mikrobiologischen Parametern, die wiederkehrend überprüft werden, recht konkret. Um nun das Wachstum von Legionellen in Trinkwasser-Installationen nachhaltig zu verhindern, gilt es Stagnationsphasen in allen Leitungsteilen innerhalb hygienisch ungünstiger Temperaturbereiche sicher zu vermeiden.
Stagnationszeit und Temperaturbereich im Blick behalten
Dabei treten Stagnationsphasen bereits im normalen Betrieb von Trinkwasserinstallationen täglich auf. Denken wir an nächtliche Zapfruhen, berufliche Abwesenheit der Bewohner an Wochentagen oder auch an einzelne Entnahmestellen wie z.B. Badewannen, die typischerweise deutlich weniger genutzt werden als die Dusche. Diese Stagnationsphasen müssen nicht zwingend zu einem Legionellen-Wachstum führen, denn neben dem Faktor Zeit, brauchen Wasserbakterien zunächst auch wachstumsfördernde Temperaturen. Überall da, wo beide Faktoren gleichzeitig auf das Trinkwasser wirken, ist das Risiko besonders hoch. Dies ist inzwischen durch zahlreiche Studien belegt. So zeigt das Streudiagramm in Bild 3 die Auswertung von 541 Probenahmen. Das Vorkommen von Legionella pneumophila jeder Probe wurde dazu im Diagramm der jeweiligen Konstanztemperatur – also der erreichten Temperatur der Warmwasserzapfung bei längerem Ablaufen – zugeordnet. Nur drei der 541 Proben über einer Konstanztemperatur von 60 °C zeigen Befunde über 100 KBE/100 ml. Nur eine der Proben unterhalb 25 °C zeigt überhaupt ein Vorkommen von Legionellen.
In der Studie, die im Verbundprojekt der Universitäten Duisburg-Essen, Berlin und Bonn sowie der DVGW-Forschungsstelle TU Hamburg-Harburg und des IWW Zentrum Wasser, Mülheim, erstellt wurde, zeigt sich, wie wichtig die Vermeidung ungünstiger Temperaturbereiche während Stagnationsphasen ist. 97 Prozent der positiven Befunde lag in der Studie im Temperaturbereich zwischen 25 bis 60 °C. Auch diese Temperaturanforderungen an Trinkwasserinstallationen sind deshalb seit vielen Jahren fester Bestandteil unserer technischen Regelwerke. 60/55 °C als Temperaturpaar für den Betrieb von Zirkulationsanlagen, die Speicheraustrittstemperatur von 60 °C oder die Anforderung an kaltes Trinkwasser mit max. 25 °C seien hier exemplarisch genannt. Nachhaltige Trinkwasserhygiene braucht also definitiv regelmäßigen Wasseraustausch. Wasser muss dabei nicht einfach nur fließen. Es muss vor allem erneuert werden, am besten mit turbulenter Durchströmung. Denn nur nachfließendes Trinkwasser sorgt gleichermaßen für eine Verringerung der Keimkonzentration und für eine Temperaturhaltung außerhalb hygienisch ungünstiger Temperaturen.
Einhaltung von Anforderungen in der Praxis
Und wie klappt´s so mit der Einhaltung dieser Anforderungen in der Praxis? Hier lohnt ein Blick in übliche Trinkwasserinstallationsarten und Bauweisen, um mögliche Risikobereiche zu erkennen. Beispiel Schachtinstallation – der in Bild 2 gezeigte Schacht ist zwar zu 100 % normenkonform installiert, die darin verbaute Trinkwasserinstallation, bestehend aus Kalt (PWC), Warm (PWH) und Zirkulation (PWH-C), kann aber trotzdem nicht einmal über täglich übliche Stagnationsphasen in zulässigen Temperaturbereichen gehalten werden, wie in unserem Laborversuch nachgewiesen werden konnte. Zwar sind alle Leitungsteile im Schacht zu 100 Prozent gedämmt und die Zirkulation exakt auf 60/55 °C einreguliert. Allerdings sorgt die Umgebungstemperatur im Schacht, durch den ständigen Wärmeeintrag der Zirkulation schnell für Temperaturen in Höhe von 31 °C. Damit wird bereits nach einer Stagnationszeit von etwa 3 Stunden eine Kaltwassertemperaturerhöhung von 16 auf 25 °C erreicht. Optimierungen durch thermische Trennung der kalt- und warmgehenden Leitungen mithilfe einer 80 mm starken PUR-Dämmung bringen immerhin eine Reduzierung der Umgebungstemperatur um bis zu 4 K.
Jedoch kann auch hier die Aufwärmung des stagnierenden Kaltwassers auf 25 °C nur rund 5,5 Stunden verhindert werden. Das heißt, dass die ansonsten normenkonform gebaute Installation während jeder nächtlichen Zapfruhe und während jeder 8-stündigen Abwesenheit am Tage in den Stagnationsphasen nicht regelkonforme Trinkwassertemperaturen erreicht und ein Risiko für Legionellenwachstum darstellt. Leider ist dies nicht der einzige Schwachpunkt der Warmwasserzirkulation. Während dieser Stagnationphasen ergibt sich an den Abzweigen der Warmwasserleitung ein Temperaturniveau im Bereich zwischen 30 und 40 °C, wie Untersuchungen mit der Wärmebildkamera zeigen (Bild 4). Durch Konvektion und Wärmeleitung im Anschlussbereich bis etwa 40 cm vom Abzweig entfernt, sorgt die Warmwasserzirkulation innerhalb der Stagnationsphase für Temperaturen im Wohlfühlbreich für Legionellen. Was dagegen hilft, ist die strikte Trennung von PWC-Leitungen in einem separaten Schacht von allen warmgehenden Leitungen in Schächten oder ein genereller Verzicht auf Warmwasserzirkulation durch den Einsatz dezentraler Trinkwassererwärmung. Grundsätzlich aber sollten solche vorhersehbaren Stagnationsphasen bzw. Betriebsunterbrechungen durch endsträngige Spülmaßnahmen abgesichert werden, um Hygienerisiken zu minimieren.
VDI 3810 Blatt 2 definiert Maßnahmen bei Betriebsunterbrechung
Spülmaßnahmen? Betriebsunterbrechungen? Was genau hat es damit auf sich? Die VDI-Richtlinie 6023 sowie die VDI-Richtlinie 3810 enthalten zunächst eine Definition der Betriebsunterbrechung: „Fehlender Wasseraustausch über 72 Stunden hinaus gilt als Betriebsunterbrechung.“ Und in den allgemeinen Planungsregeln formuliert die Richtlinie an die Adresse der Fachplaner: „Vorhersehbare Betriebsunterbrechungen der Trinkwasserinstallation sind planerisch zu berücksichtigen.“ Bleibt die Frage, wie konkret diese zu berücksichtigen sind. Reicht es aus Sicht des Planers oder Installateurs, dem Betreiber oder Eigentümer der Trinkwasseranlage über die Notwendigkeit eines bestimmungsgemäßen Betriebes und einen regelmäßigen Wasseraustausch zu informieren? Sicher ist dies auch notwendig, aber nicht ausreichend, wie die VDI 6023 nochmals in den Planungsgrundsätzen feststellt: „Fehlender Wasseraustausch über 72 Stunden hinaus ist zu vermeiden oder durch technische Maßnahmen zu kompensieren“. Diese Maßnahmen sind in der VDI-Richtlinie 3810-Blatt 2 mit dem etwas sperrigen Titel: „Betreiben und Instandsetzen von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen – Trinkwasser-Installationen“ umfassend beschrieben. Bild 5 enthält eine Übersicht aller erforderlichen Maßnahmen, die abhängig von der Dauer der Betriebsunterbrechung vor Beginn und nach Ende erforderlich sind, um die Trinkwasserinstallation vor einem Legionellenwachstum zu schützen.
Die hier beschriebenen Maßnahmen sind aus Hygienesicht sicher gerechtfertigt, zum Teil aber sehr aufwändig in der Umsetzung. So muss bereits bei kürzeren Betriebsunterbrechungen von mehr als 7 Tagen der Teil der Trinkwasserinstallation mit einer Betriebsunterbrechung gemäß DVGW Arbeitsblatt W557 (A) gespült werden. Das bedeutet: Vollständiger Wasseraustausch an allen Entnahmestellen mit demontierten Strahlreglern und Duschköpfen, mit 2 m/s und 20-fachem Wasseraustausch. Dauert die Betriebsunterbrechung länger als 4 Wochen, müsste sogar eine mikrobiologische Kontrolluntersuchung vor Wiederinbetriebnahme erfolgen. Bleibt die Frage, ob die beschriebenen Maßnahmen zur Absicherung von Betriebsunterbrechungen in der Praxis überhaupt durchgeführt werden. Wahrscheinlich eher nicht, denn zunächst müssten Bewohner und Betreiber der Trinkwasseranlage von den erforderlichen Maßnahmen und deren Umfang wissen. Dann müsste der Betreiber wiederum von der jeweiligen Betriebsunterbrechung Kenntnis haben und die erforderlichen Arbeiten beauftragen. Ganz abgesehen davon, dass diese dann sehr zeitnah durchgeführt werden müssten.
Für den Auftraggeber des Planers, der letztlich für die Trinkwassergüte im Gebäude verantwortlich ist, gilt grundsätzlich: Der Betreiber muss Risiken aus dem Betrieb der Trinkwasserinstallation im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht ausschließen, was nicht nur im Interesse des Verbraucherschutzes, sondern auch in seinem eigenen Interesse liegt, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Weil für nachhaltige Trinkwasserhygiene bereits in der Planung die Weichen gestellt werden, müssen Planer bereits beim Aufstellen des Raumbuchs selten genutzte Entnahmestellen, risikobehaftete Installationsbereiche wie z.B. Schachtinstallationen oder übliche Stagnationsphasen durch Berücksichtigung von technischen Maßnahmen absichern. Zum Beispiel durch automatisierte Spüleinrichtungen, mit denen die Stockwerksinstallation und deren Zuleitungen unabhängig von ihrer Nutzung oder der Dauer und Anzahl von Betriebsunterbrechungen automatisch abgesichert werden können. Eine Art Assistenzsystem zum Schutz der Trinkwassergüte, anstatt Mut zur Lücke im Betrieb von Trinkwasserinstallationen.
Betriebsunterbrechungen vermeiden, automatisiertes Spülen
Spülstationen wie Uponor Motion vermeiden dabei längere Betriebsunterbrechungen und erkennen selbsttätig Stagnation in
ungünstigen Temperaturbereichen. Spülintervalle und Spülmengen können an den Wasserinhalt und die Nutzung der abzusichernden Installation angepasst werden. Gespült wird mit bis zu 15 Litern/min, um eine turbulente Durchströmung und eine effektive Hygienespülung zu ermöglichen. Neben festen Spülintervallen können Betreiber sich auch für bedarfsgerechte Hygienespülungen entscheiden. Dabei erkennt die Spülstation, wann zuletzt gezapft wurde, und löst erst dann eine Kalt- und Warmwasserspülung aus, wenn die vom Betreiber zugelassene Stagnationszeit (z. B. 72 h) abgelaufen ist. Wird zwischendurch Wasser gezapft und dabei die Konstanztemperatur erreicht, so beginnt ein neuer Stagnationszyklus. Hygienespülung, die gleichzeitig den Wasserbedarf auf ein Minimum reduziert. Die Spülstation Motion kann sowohl am Ende einer Durchschleif-Reiheninstallationen als auch innerhalb einer Durchschleif-Ringinstallation installiert werden. Bild 1 zeigt die werkseitig komplett in ein Waschtisch-Vorwand-Modul integrierte Spülstation, eingebaut in eine Ringinstallation für Kalt- und Warmwasser. Mit der Spülstation können so alle Leitungsteile der Stockwerksinstallation regelwerkskonform gegen Stagnation, längere Betriebsunterbrechungen sowie den Aufwand von technischen Maßnahmen zur Wiederinbetriebnahme geschützt werden.
[Autor: Matthias Hemmersbach, Manager Commercial Marketing, Uponor GmbH]