Nicht nur die wärmere Luft, auch „heiße“ Gebäude und Straßen erhitzen das Grundwasser.
Zu warmes Grundwasser gefährdet Trinkwasserhygiene
Umfassende Messungen erforderlich
Dienstag, 09.01.2024
Wie wirkt sich der Klimawandel auf das Grundwasser aus? Die Antwort ist elementar wichtig – in erster Linie für die Hälfte der Menschheit, die laut UNESCO Grundwasser als Trinkwasser nutzt. Am meisten wird ein Absinken des Grundwassersiegels befürchtet, verbunden mit regionalem Wassermangel. Weniger im Fokus steht eine weitere Konsequenz steigender Temperaturen: die Erwärmung eben dieses Grundwassers, auch bei uns in deutschen Landen!. Allerdings werden dessen Temperaturen kaum flächendeckend erfasst. Auf der Suche nach brauchbaren Daten wurden Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich jedoch fündig – in Köln und Karlsruhe. Die Betreiber der dortigen Wasserwerke messen seit über 40 Jahren regelmäßig die Temperatur der lokalen, vom Menschen unbeeinflussten Grundwasserströme. Das Ergebnis: Seit 1970 erwärmte sich das Grundwasser um durchschnittlich ein knappes Grad Celsius. „Für uns waren diese Daten ein Glück“, betont Peter Bayer vom Geologischen Institut der ETH Zürich. Und folgert anhand der gemessenen Werte: „Die Erderwärmung wird im Grundwasser direkt abgebildet, wenn auch gedämpft und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung.“
Im Grundwasser tobt das pralle Leben
Unter dieser Erwärmung leidet die Qualität des Grundwassers: Schon bei gering erhöhter Temperatur, beispielsweise von unter auf über 10 °C, steigen die Konzentrationen von Kohlensäure, organischem Kohlenstoff und Mangan. Generell laufen chemische und biologische Reaktionen (nicht nur) im Grundwasser bei höheren Temperaturen schneller ab. Mit trinkwasserhygienischen Folgen: So können sich unerwünschte, weil gesundheitsgefährdende Bakterien besser vermehren. Und das nicht nur wegen steigender Temperaturen. Die Grundwasserleiter bilden einen stabilen Lebensraum für Flohkrebse, Asseln, Würmer und Schnecken, der sich über lange Zeiträume entwickelt hat. Diese ernähren sich von Bakterien, die wiederum den in Wasser gelösten Kohlenstoff in Biomasse umwandeln. Durch diese Nahrungskette wird das Grundwasser quasi permanent gereinigt. Der Biologe Hans Jürgen Hahn von der Universität Landau berichtet dazu: „Aus unseren Messungen am Oberrhein wissen wir, dass dort diese Lebensgemeinschaften umkippen, sobald die Temperaturen 12,4 °C überschreiten. Das ist zu warm für die Tiere, die sind niedrigere Temperaturen gewohnt.“
Urbane „Hitzeinseln“ heizen das Grundwasser
Nicht nur der Klimawandel, auch die Bebauung und Versiegelung der Flächen über den Grundwasserleitern tragen zur Erwärmung bei. Die im Asphalt oder Mauerwerk insbesondere in heißen Sommern gespeicherte Wärme reiche bis in 20 Meter Tiefe. Darunter herrschen konstant circa 8 °C, so die Studie. In Berlin zeige sich das deutlich, wie der „Tagesspiegel“ berichtet. Der Trinkwasserbedarf der Hauptstadt werde nahezu vollständig mit im Stadtgebiet gefördertem Grundwasser gedeckt. In 20 Metern Tiefe liege die Temperatur des Grundwassers in den Randlagen der Metropole bei 8 bis 10 °C – im Zentrum hingegen sind es über 13 °C, örtlich sogar bis 20 °C!
All das erfordert Maßnahmen, soll unser Trinkwasser weiterhin mit einer Temperatur von zehn bis 14 Grad Celsius den Hausanschluss erreichen. Zum einen ist die Temperatur des Grundwassers möglichst flächendeckend zu messen und zu überwachen. Zum anderen müssen sich die Versorger darauf einstellen, das Rohwasser zu kühlen und trinkwasserhygienisch verstärkt aufzubereiten.