Man beachte das Wörtchen „dennoch“. „Dennoch“ heißt doch nichts anderes als: Wenn einfach nur geregelt worden wäre, um eine Regel für einen Sachverhalt zu haben, wäre ja alles gut. Aber regeln, weil dahinter eine politische Forderung steht, wie durch die Initiative „Right2Water“ („Recht auf Wasser“) mit über 1,8 Millionen Unterschriften aus ganz Europa – das kann doch einfach nur suspekt sein. Möglicherweise, weil diese Variante der Zieldefinition eine zukunftsgerichtet offene ist, die die Ausgestaltung eines Handlungsrahmens erfordert. Und nicht, wie sonst üblich und gelernt, zuerst das grenzwertige Schutzziel definiert wurde, für das anschließend über die Risikoanalyse nur noch die Einflussgrößen detektiert und limitiert werden müssen, die es gefährden könnten. Oder anders formuliert: Geht es um den Blick nach vorn, oder schauen wir lieber zurück?
Ob diese „mehr als bislang politische Handschrift“ außerdem vielleicht auch daran liegen mag, dass sich für die Versorgung mit Trinkwasser die Rahmenbedingungen genauso massiv verändert haben, wie es beispielsweise im ebenfalls politisch initiierten Umgang mit fossilen Brennstoffen der Fall ist? Ein Punkt, auf den die EU-Kommission im Übrigen selbst in der Präambel zum Entwurf des Regelwerks hinweist: „Eine Rechtsvorschrift – die Richtlinie 98/83/EG des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch – muss besonders hervorgehoben werden, da sie konkret zum Ziel hat, die menschliche Gesundheit vor den nachteiligen Einflüssen zu schützen, die sich aus dem Konsum von verunreinigtem Wasser ergeben, indem dessen Genusstauglichkeit und Reinheit gewährleistet werden. Generell wurde die Richtlinie von den Mitgliedstaaten ordnungsgemäß umgesetzt, das Konzept der Qualitätsüberwachung an dem Punkt, an dem das Wasser zum Gebrauch bereitgestellt wird, orientiert sich jedoch an Parametern, die vor über 20 Jahren festgelegt wurden. Deshalb muss geprüft werden, ob die Richtlinie vorhandenen und künftigen Belastungen gerecht wird ... .“ Vorhandene und künftige Belastungen, zu denen zweifellos die Hitzesommer und der damit einhergehend deutlich gestiegene Bedarf an „öffentlichem“ Trinkwasser gehört.
Fakt ist: In den vergangenen Monaten haben sich die Rahmenbedingungen für die Wärme- wie die Trinkwasserversorgung in beeindruckender Geschwindigkeit verändert. Langjährig belastbare Bewertungskriterien gehören der Vergangenheit an. Auf diese Veränderungen muss jetzt reagiert werden. Und zwar auf allen Ebenen. Die EU hat, wie es ihre Aufgabe ist, dafür die grobe Richtung vorgegeben. In der Energiepolitik genauso wie beim Thema Wasser. Eine „grobe Richtung“, die ganz bewusst nationale Handlungsspielräume eröffnet. Die geneigten Interessensverbände und -vertreter haben jetzt (wieder einmal) die Chance, diese Handlungsspielräume aktiv gestaltend zu nutzen – oder durch ein traditionsverhaftetes „Weiter so“ jenen Fortschritt zu blockieren, dem man irgendwann nur noch nachweinen, aber nicht mehr nachlaufen kann ...