Die Erstbefüllung und Inbetriebnahme einer neuen Trinkwasser-Installation stellt hohe Anforderungen an den Planer und Installateur. Gerade die Mikrobiologie ist ein oft vernachlässigter Mitspieler, der bei mangelnder Sorgfalt schnell zum Spielverderber wird.
Wenn der Start zum Problemfall wird
Mittwoch, 26.10.2016
Denn haben sich krankheitserregende Mikroorganismen im Leitungsnetz erst mal eingenistet, lassen sie sich meist nur durch kostenintensive Maßnahmen entfernen. Das mikrobiologische Kontaminationsrisiko kann jedoch bereits mit einfachen Mitteln und ohne größeren Aufwand reduziert werden.
Das (hier: Schweizer) Trinkwasser ist von höchster Güte. Dafür sorgen mit enormem Aufwand und viel Hingabe die Trinkwasserversorger, die tagtäglich das Wasser aufbereiten und verteilen. Die Mikrobiologie ist dabei ein wichtiger und nützlicher Bestandteil des Trinkwassers [1]. Je nach Bezugsquelle (zum Beispiel Grund- oder aufbereitetes Seewasser) bewegt sich die normale Bakteriendichte in der Wasserphase in einem Bereich zwischen ca. 1.000 und 100.000 Zellen/ml [2]. Mittels neuer Sequenzierungsmethoden konnte gezeigt werden, dass in einem einwandfreien Trinkwasser bis zu 2.000 unterschiedliche Bakterienspezies leben, von denen viele noch unbekannt sind [3].
Der Großteil dieser Bakterien spielt eine wichtige Rolle für die Aufbereitung sowie biologische Stabilität des Wassers, sind aber für die menschliche Gesundheit nicht relevant [4]. Dennoch sind auch krankheitserregende Mikroorganismen ein unvermeidbarer Bestandteil der natürlichen Trinkwasserbiozönose. Deren Anzahl ist aber in der Regel so tief, dass von ihnen kein Infektionsrisiko für den Menschen ausgeht [4].
Mikroorganismen, allen voran die Bakterien, sind wahre Meister im Besiedeln von Oberflächen. Seit 3,5 Milliarden Jahren bilden Bakterien Biofilme und haben sich damit eine der effektivsten Überlebensstrategien geschaffen. Ein Biofilm ist eine mikrobielle Lebensgemeinschaft, die eine extrazelluläre polymere Matrix ausbildet. Diese schleimigen Strukturen schützen die mikrobielle Lebensgemeinschaft unter anderem vor Trockenperioden, Nährstoffengpässen sowie Desinfektionsmaßnahmen, und verbessern die Verwertung komplexer Nährstoffsubstrate.
So erstaunt es nicht, dass das Leben in einem Rohrsystem hauptsächlich an der Rohroberfläche stattfindet. Während etwa 95 Prozent der Bakterien im Biofilm leben, halten sich die verbleibenden 5 Prozent in der Wasserphase auf. Zwischen der Wasser- und der Biofilmphase findet ein dynamischer Austausch durch ständiges Anheften und Ablösen der Bakterien statt. Je nach Material finden sich pro Quadratzentimeter Oberfläche 100.000 bis 10 Millionen Zellen im Biofilm. Die Besiedlungsdichte auf nicht zertifizierten Produkten (zum Beispiel Duschschläuchen) kann sogar 1 Milliarde Zellen/cm2 erreichen [5].
Wie viele Bakterien an der Rohroberfläche wachsen können, hängt neben der Materialqualität auch von weiteren Wachstumsbedingungen ab, die generell in Verteilsystemen von Gebäuden weit optimaler sind, als im Bereich der Trinkwasserhauptversorgung. So stellt das Zusammenspiel aus langen Stagnationszeiten, moderaten Temperaturen und hohen Oberflächen-/Volumenverhältnissen in Gebäudeinstallationen für die Trinkwasserverteilung eine Herausforderung dar.
Bezüglich des Auftretens von Krankheitserregern muss zwischen einem Eintrag von außen und dem Aufwuchs im Verteilsystem unterschieden werden. Ein Großteil der krankheitserregenden Mikroorganismen wird zum Beispiel durch Überschwemmung, Ausfall von Prozessstufen oder Leckagen in Hauptverteilsystemen – also von außen – eingetragen. Dabei handelt es sich häufig um mikrobiologische Verunreinigungen fäkalen Ursprungs, die das Hauptverteilsystem über einen kurzen Zeitraum kontaminieren, sich aber nicht etablieren können. Anders verhält es sich bei krankheitserregenden Mikroorganismen, die sich unter gewissen Bedingungen in einem Verteilsystem einnisten und auch vermehren können [6].
Im Bereich der Gebäudeverteilsysteme stehen hauptsächlich „Pseudomonas aeruginosa“ und „Legionella species pluralis“ (spp.) im Fokus. Für Menschen mit einem intakten Immunsystem stellen diese Krankheitserreger nur eine geringe bis keine Gefährdung dar (s. Kasten) [6].
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