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SHK-Systemtechnik

Warum korrodierten Kupferrohre in Dorsten?

Freitag, 30.10.2015

In der letzten Ausgabe des SanitärJournals berichteten wir ausführlich über die massiv auftretende Kupferrohr-Korrosion in Dorsten. Jetzt versuchte das Deutsche Kupfer-Institut (DKI) im Rahmen eines „Gipfeltreffens“ auf dem Bonner Petersberg, den Ursachen ein wenig näher zu kommen.

Das Bild zeigt Dr. Torsten Richter (Fa. Kurita Europe APW) und Dr. Robertino Turkovic (TZW Karlsruhe).
Quelle: Eckhard Martin
Tief gehendes Fachwissen zur Chemie und ihren Auswirkungen sowie anwendungsnahe Forschungskompetenz brachten Dr. Torsten Richter (Fa. Kurita Europe APW) und Dr. Robertino Turkovic (TZW Karlsruhe) als entscheidende Kompetenzfelder in die Diskussion ein.

Ursprünglich war das Treffen mit gut eineinhalb Dutzend Fachleuten aus allen Branchen unter Leitung eines neutralen Mediators (!) eher „übergeordnet“ angesetzt, sollte also mögliche Korrosions­problematiken an Kupferrohren losgelöst von Einzelfällen betrachten. Aber, wie zu erwarten, es spitzte sich fast sofort aufs Konkrete, in diesem Fall: Dorsten-Holsterhausen, zu. Erstens, weil sich dann zwangsläufig handfester diskutieren lässt. Und zweitens, weil mit den Fachhand­werkern Uwe und Thomas Cirkel zwei der maßgeblich Betroffenen aus der Region mit am Tisch saßen. Stellvertretend im Übrigen für insgesamt rund 18 Fach­handwerksunter­nehmen aus der Region nördlich des Ruhrgebietes, die alle das­selbe Problem haben: Reihenweise weisen fünf, sechs Jahre alte, Kaltwasser führende Kupferrohr-Installationen Korrosion auf – und keiner hat eine Idee, was die Ursache sein könnte. 

Über 300 Schadensfälle sind bekannt, sagen die einen. Über 500 sind es, sagen die anderen. Nichts Genaues weiß man nicht, denn zu einem Massenphänomen werden solche Vorgänge bekanntlich erst in der Rückschau. Dann kann man leicht fordern, dass jede Materialanalyse von Anfang an hätte dezidiert aufgenommen werden müssen. Ist sie aber nicht. Und selbst der ZVSHK und sein nordrhein-westfälischer Fachverband scheint zu mauern, wenn es um die Benennung der betroffenen Betriebe geht – sagen zumindest die Brüder Cirkel. Sie kennen 18, der Fachverband angeblich nur ein gutes Dutzend, die sich hilfesuchend an die Standesorganisation wandten. Woran es liegt, konnte ZVSHK-Referent Andreas Braun auch nicht sagen. Aber letztlich ist das auch zweitrangig. Viel wichtiger ist die Suche nach einer Ursache, denn mehrere der Fachhandwerksbetriebe stehen aufgrund sechsstelliger Schadensersatzforderungen mittlerweile wohl vor dem Konkurs.

Das Bild zeigt Handwerker Cirkel und ZVSHK-Referent Braun im Gespräch.
Ja, so sieht es aus, eines der wegkorrodierenden Kupferrohre aus der Trinkwasser-Installation kalt in Holsterhausen: Handwerker Cirkel (re.) brachte Anschauungsmaterial mit und diskutierte mit ZVSHK-Referent Braun das Schadensbild.

Deklination möglicher Ursachen

DKI-Geschäftsführer Dr. Anton Klassert, der dem Gespräch ausgesprochen beruhigend sowohl die notwendige Struktur wie die nicht minder wichtigen Leitplanken gab, verwies schon eingangs auf die Fülle ungeklärter Fragen – und dieser Status sollte sich trotz des Experten-Panels auch nicht ändern.

Kann es am Werkstoff liegen?

Die Markteinführung der halbharten Rohre gehörte zwar zu den Vermutungen, ließ sich aber nicht verifizieren. Denn in der linken Doppelhaushälfte funktioniert die Trinkwasseranlage tadellos, in der rechten – vom selben Fachhandwerker mit denselben Materialien in der gleichen Arbeitsweise hergestellt – kommt es hingegen zur Korrosion. Auch nicht alle Kunden sind beispielsweise beim Handwerksunternehmen der Cirkels betroffen; „nur“ etwa 4 bis 5 Prozent.

Kann es am Wasser liegen?

Auffällig ist, dass sämtliche Fälle im Versorgungsgebiet eines bestimmten Wasserversorgers auftreten, der Rheinisch Westfälischen Wasserwerke mbH (RWW). Vergleichbar lediglich nochmal irgendwo auf Sylt, auch nur in einem Versorgungsbezirk. Und dass die Schadenshäufigkeit im Raum Dorsten augenscheinlich rückläufig ist, seit die Wasserwerke das „Lebensmittel Nr. 1“ phosphatieren. Was aber, sagen angeblich die Wasserwerke, nicht im Zusammenhang mit den Schadensfällen steht. „Angeblich“, weil die Info aus zweiter Hand kommt und bei der Diskussion in Bonn niemand vom RWW mit am Tisch saß. Aber, siehe oben, eigentlich sollte die Kupferrohr-Korrosion ja auch als Meta-Thema und nicht am Fallbeispiel Dorsten behandelt werden. Nun kam es jedoch anders – beim nächsten Experten-Panel werden Wasserwerker mit dabei sein, verspricht das DKI.

Dr. Torsten Richter von der Firma Kurita, einem internationalen Spezialisten für die Wasser- und Prozessbehandlung industrieller Anlagen und verantwortlich für die seit Herbst 2014 durchgeführte Phosphatierung im Versorgungsgebiet Holsterhausen, meinte dazu: „Unseres Wissens – und nach offizieller Verlautbarung des Wasserversorgers – wurde die Phosphatierung durchgeführt, weil es im Versorgungsgebiet Holsterhausen zu Trübungen gekommen ist.“ Generell finde man aber zum Beispiel auch in der TrinkwV oder anderswo absolute Aussagen über Korrosion im Zusammenhang mit solchen Behandlungen, sondern nur über Korrosionswahrscheinlichkeiten – grundsätzlich müssten verschiedene Bedingungen zusammenkommen.

Kann es an der Betriebsweise liegen?

Die spielt, zeigte der Austausch der Argumente, sicherlich mit hinein. Insbesondere der Faktor Stagnation, schätzen auch Uwe und Thomas Cirkel im Gespräch mit der Redaktion des SanitärJournals. Weil auffällig häufig Stichleitungen zu einzelnen Entnahmestellen betroffen sind, zum Beispiel in einem Gebäude der Diakonie in Gladbeck. Doch auch hier wieder ein „Aber“: Ein Einflussfaktor allein ist zu wenig, Korrosion hat in der Regel mehrere Ursachen, sagt nicht nur Dipl.-Ing. Martin Werner vom DKI. Bestätigt wird das durch das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer IFS. Es hat im Laufe der Jahre Tausende von Leitungswasserschäden an allen möglichen Materialien hinsichtlich ihrer Ursache untersucht. Das Ergebnis: Die Ursachen sind vielfältig; eine einfache, allgemeine Lösung zur Vermeidung von Leitungswasserschäden gibt es nicht und werde es in absehbarer Zeit nicht geben.

Von Eckhard Martin
Chefredaktion SanitärJournal
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