Im Gespräch: Heinz Bittmann, Planungsberater für Gebäudetechnik HLS zum Thema „Erhalt der Trinkwasserhygiene“.
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„Vor-Denken statt nach-träglich etwas ändern!“
Dienstag, 05.05.2020
Bei der praktischen Umsetzung hakt es aber noch arg häufig, ist auch die Erfahrung von SHK-Meister Heinz Bittmann. Wie er damit umgeht und bei Mängeln wenig begeisterte Betreiber überzeugt, war Thema eines Gesprächs...
Es hält sich ja gnadenlos die Mär, dass früher alles besser war – sagen vor allem die Älteren. Nimmt man dann aber noch den klassischen Märcheneinstieg mit „Es war einmal…“ dazu – dann hat man eigentlich ein perfektes Narrativ rund um den Erhalt der Trinkwassergüte in der häuslichen Trinkwasser-Installation: „Es war einmal…“ eine Zeit, in der waren die Menschen froh, wenn sie zuhause überhaupt fließend Wasser hatten. Damals, also so vor etwa 80 bis 100 Jahren, oder noch etwas länger her. Zu einer Zeit also, die heute auf jeden Fall als „früher“ durchgeht – wo, siehe oben, bekanntlich alles besser war. Was, bezogen auf das hier ganz eng fokussierte Thema, sogar stimmt: Nur eine Kaltwasserleitung beispielsweise zur zentralen Entnahmestelle für alle auf der ungeheizten Etage, das machte Freude! Weniger den Verbrauchern als vielmehr den Trinkwasserhygienikern, hätte es sie denn damals schon in der heutigen Form gegeben: keine langen Leitungswege, keine vermaschten Netze mit funktionalen Totleitungen, keine Fremderwärmung von Trinkwasser kalt (PWC) – wo soll denn da überhaupt eine Pseudomonade, geschweige denn eine Legionelle, gedeihen können?
Insofern: Früher war DAS tatsächlich besser. Weil aber wohl keiner mehr auf ständig verfügbares Trinkwasser warm / kalt verzichten möchte, sind heute eben die Fachplaner und Fachhandwerker in der Pflicht, besagte Risiken für den Erhalt der Trinkwassergüte möglichst weitgehend auszuschließen. Was in der Praxis deutlich schwieriger ist als in der Theorie, sagt SHK-Meister Heinz Bittmann aus, der seit mehr als einem Vierteljahrhundert als freier Planungsberater für Gebäudetechnik HLS arbeitet: „Jede Trinkwasseranlage ist individuell. Es gibt einfach keine pauschalen Lösungen, um Hygienerisiken für die Trinkwassergüte im Handstreich auszuschließen.“
Also was tun?
Weiterbilden!
Der Praktiker, der im Tagesgeschäft Geschosswohnungsbauten bis 50 WE genauso plant und betreut wie exklusive Einfamilienhäuser mit Swimmingpools von der Größe einer mittleren Tennisanlage oder Verwaltungsgebäude aus den 50er-Jahren, fordert als erstes drei Dinge: Weiterbildung, Weiterbildung und Weiterbildung. „Die Dynamik, mit der sich zum Thema Erhalt der Trinkwassergüte permanent neue Erkenntnisse ergeben, ist einfach so groß, dass wir uns als TGA-Fachleute ständig um den aktuellsten Wissensstand neu bemühen müssen“, so Heinz Bittmann: „Nur dann können wir auch selbstbewusst unterscheiden, was von den kommunizierten technischen Lösungen kaum mehr als Esoterik ist und was davon hingegen in der Praxis tatsächlich funktioniert!“
Denn vieles, so die Erfahrung des Pragmatikers aus Herrsching-Breitbrunn am schönen Ammersee, mag sich in der Theorie noch so schön anhören, ist aber in der Praxis einer Trinkwasseranlage mit ihren allgegenwärtigen Erweiterungen, Nutzungsunterbrechungen oder Nutzungsänderungen schlichtweg nicht dauerhaft belastbar. Ein wertvolles Indiz ist für den TGA-Spezialisten daher auch der „technologische Hochrüstungsgrad“ einer Trinkwasseranlage: Hygienisch einwandfrei handhabbare Anlagen sind immer vergleichsweise einfach strukturiert, so sein Credo.
Was gehört dazu?
Vordenken!
Anlagen einfach, überschaubar auszulegen und dennoch den erwarteten Versorgungskomfort sicherzustellen, sei kein Hexenwerk, wenn man vor-denkt statt nach-bessert, so Heinz Bittmann im Gespräch: „Das setzt aber voraus, dass die TGA-Planer frühzeitig in einen echten Dialog mit dem Bauherrn oder Investor treten, um möglichst detailliert dessen Wünsche und spätere Anforderungen an die Trinkwasseranlage abzugreifen.“ Anlagen müssten dabei ganzheitlich gesehen und perspektivisch gedacht werden: „Alle 15 Jahre ändern sich erfahrungsgemäß die Nutzungsanforderungen grundlegend. Und zwar nicht nur in Zweckbauten, sondern auch in Privatwohnungen. Das muss man wissen, um später möglichst einfach notwendige Anpassungen zum Erhalt der Trinkwassergüte vornehmen zu können.“
Falls der Investor oder künftige Betreiber auf dieses Vor-Denken trotz strategisch entsprechend aufgestellter Gesprächsführung nicht einsteigt, bleibe im Übrigen nur eines: Schriftlich den Betreiber auf potentielle Risiken hinweisen. „Schließlich setzen wir Produkte in einen Werkvertrag um, für den wir in vollem Umfang haften“, schildert Bittmann die Risiken. Und wenn es dann trotzdem mal hakt; beispielsweise im Rahmen einer Bestandsaufnahme mit diversen Mängelfeststellungen?
Was hilft dann weiter?
Mitdenken!
Heinz Bittmann kennt diese Momente aus dem eigenen Arbeitsalltag nur zur Genüge: „Kaltwasser-Installationen, die durch unzulässige Erwärmung parallel laufender Warmwasser-Leitungen zu leiden haben, fehlende Rohrdämmung mit dem Effekt auskühlender PWH-Installationen, über die Armaturen geführte Zirkulationsleitungen mit Wärmeübergang auf die PWC-Versorgung – all das kommt ihm als potentielle Hygienerisiken immer wieder unter die Augen und ist dem Betreiber, der primär in Nachbesserungskosten denkt, oft nur schwer zu vermitteln. Bittmann: „Der Ausweg besteht dann in der Regel in fachlich fundiertem Mitdenken und häppchenweisem Vorgehen!“
Um mit Punkt 1 zu beginnen: Mitdenken auf der Basis gesunden Menschenverstandes reiche häufig genug aus, erste Hygienerisiken auch mit vergleichsweise geringem Aufwand zu beheben. Trinkwasser-Installationen im Heizungskeller gehören beispielsweise dazu, wenn es direkt nebenan einen nicht genutzten, aber deutlich kühleren Raum als Ausweichmöglichkeit gibt. Oder bei Kernsanierungen die getrennten Steigestränge für Trinkwasser warm bzw. Trinkwasser kalt, wenn die Etagenverteilung in den Wohnungen in ohnehin notwendigen Vorwandkonstruktionen ganz einfach quer verzogen werden kann. Oder die „Umschaltung“ im Rahmen einer Sanierung, damit anstelle der Dusche die Toilette zum letzten Verbraucher am Ende der (kurzen) Stichleitung wird, um hier auf jeden Fall einen regelmäßigen und vollständigen Wasseraustausch sicherzustellen – unabhängig von der Frage, wie reinlich und duschbegeistert die aktuellen Wohnungsnutzer gerade sind…
Zu Punkt 2, dem häppchenweisen Vorgehen: Natürlich sei kein Hausbesitzer oder Betreiber begeistert, wenn im Rahmen der Bestandsaufnahme beträchtliche Mängel an einer Trinkwasseranlage festgestellt werden, die nur mit entsprechendem, (finanziellem) Aufwand zu beheben sind. „Häufig kann aber schon mit einzelnen Schritten eine deutliche Verbesserung erzielt werden“, weiß Heinz Bittmann. Beispielsweise, wenn die Temperaturhaltung in der Trinkwasser-Installation PWH nicht stimmt, weil der hydraulische Abgleich mangelhaft ist.
Der Klassiker ist für den SHK-Meister dabei, immer wieder bemerkenswert im Rahmen der 100prozentigen Bestandsaufnahme, eine zusätzliche Pumpe in zirkulierenden Strängen, weil hier ansonsten der Versorgungsdruck in sich zusammenfiele: „Das geht gar nicht und ist auch über die beste Regeltechnik nicht mehr einzufangen.“
Also: Aus- bzw. Rückbau, und ganz vorne neu ansetzen: „Gerade bei den Installationen für Trinkwasser warm geht das nicht anders!“ Was aber nicht gleichzeitig aufwändige Umbaumaßnahmen bedeute. „Oft“, so Bittmann, „genügt es schon, Kernprobleme wie die zusätzliche Pumpe zu eliminieren und beispielsweise alte Ventile gegen präziser regelnde neue auszutauschen, denn hier hat es beträchtliche Entwicklungsschritte gegeben. Insbesondere, wenn man gleichzeitig von statischen auf thermostatisch gesteuerte Zirkulationsregulierventile wechselt. Dabei gebe es allerdings, warnt Bittmann, „beträchtliche Qualitätsunterschiede, sowohl in Bezug auf den möglichst schnell zu erreichenden minimalen kv-Wert wie bezüglich der Länge der aktiv nutzbaren Regelflanke.“
Seine bevorzugten Produkte sind in diesem Zusammenhang im Übrigen die automatischen Zirkulations-Regulierventile der Serie „Multi-Therm“ von Kemper, als manuelle, statische Ergänzung die „Multi-Fix“-Modelle: „Wenn man ordentlich plant, bei der Ausführung ein waches Auge hat und mindestens in den ungünstigsten Strängen mit den ,Multi-Therm‘-Ventilen mit entsprechender Dämmung richtig auslegt, funktionieren die Trinkwasser-Anlagen immer.“ Und zwar sogar bei Netzen bis zwei Kilometer Länge und ca. 22 kW Zirkulationsverlust oder bis zu 35 Steigesträngen, verweist der TGA-Praktiker auf belegbare Erfahrungen.
Allerdings, und da schließt sich dann ein Kreis, gelingt das wiederum nicht ohne die entsprechende Qualifikation. Also die qualifizierte Kenntnis sowohl der trinkwasserhygienisch relevanten Zusammenhänge, wie das Wissen um die Produkte und Systeme zum Bau hygienisch dauerhaft einwandfrei zu betreibender Trinkwasseranlagen, so Bittmann: „Hier sind die Hersteller in der Pflicht, uns mit den passenden Schulungen zu unterstützen. Wir als TGA-Fachleute müssen uns wiederum die Zeit nehmen, diese Qualifizierungsangebote auch regelmäßig wahrzunehmen. Und last, but not least, sollten wir alle unabhängig von der Größe des jeweiligen Projektes mehr miteinander reden. Der Architekt mit dem Planer genauso wie der mit dem TGA-Ausführenden oder alle drei wiederum mit dem Betreiber.“ Denn nur dann, so Bittmann, seien letztlich die hohen Qualitätsstandards dauerhaft sicherzustellen, die für eine hygienisch einwandfrei zu betreibende Trinkwasseranlage einfach zwingende Voraussetzung sind.
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