Sonne „vernichtet“ Hormone im Wasser: Innovative Technologie zur Zersetzung von Hormon- und Arzneirückständen im Trinkwasser entwickelt
Sonne „vernichtet“ Hormone im Wasser
Katalyse statt Filtration
Montag, 18.09.2023
Das Trinkwasser – unser Lebensmittel Nummer eins – ist in Deutschland von höchster Qualität. Umso mehr beunruhigen Meldungen über Rückstände von Hormonen und Arzneimitteln im Trinkwasser. Tatsächlich können diese Wirkstoffe schon in allerkleinsten Mengen gesundheitsschädliche Wirkung entfalten – für Mensch, Tier und Pflanze. In der Regel gelangen die Stoffe mit dem Abwasser in den Wasserkreislauf. Insbesondere Moleküle aus Geschlechtshormonen stellen eine Herausforderung dar. Diese Stereoide sind besonders schwer nachweisbar und noch schwerer zu beseitigen. „Es geht darum, sensiblere Methoden zu entwickeln, um die Hormon-Moleküle anzugreifen. Auf eine Trillion Wassermoleküle – eine eins mit 18 Nullen – kommt ein Hormonmolekül. Das ist eine extrem niedrige Konzentration“, erklärt dazu Prof. Andrea Schäfer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Schäfer befasst sich schon länger mit dem wichtigen Thema Wasseraufbereitung. Dabei konzentrierte sie sich bislang auf Filtertechnik im Nanobereich. Allerdings ist diese Nanofiltration recht energieintensiv. Und zudem müssen die ausgefilterten Hormone aufwendig entsorgt werden.
„Katalysator für Wasser“
Auf der Suche nach einer praktikableren Lösung ließ sich Schäfer von der Sonne inspirieren, genauer: von Solarzellentechnologie. Sie kam auf die Idee, eine speziell beschichtete Filtermembran mit starkem (Sonnen-)Licht zu bestrahlen. Dabei entstehen hoch reaktive Sauerstoffradikale, die die Hormonmoleküle im Wasser in unschädliche Oxidationsprodukte umwandeln. Wie die ersten Versuche zeigten, konnte die Gruppe um Schäfer zwischen 60 und 600 Liter Wasser pro Quadratmeter Membran in einer Stunde filtern. Die Konzentration von Estradiol, dem biologisch aktivsten Steroidhormon, sank beispielsweise von 100 auf zwei Nanogramm pro Liter – eine Reduktion um 98 Prozent. „Damit kommen wir dem EU-Zielwert von einem Nanogramm pro Liter schon sehr nahe. Wir haben sozusagen einen Katalysator für Wasser entwickelt“, freut sich Schäfer. „Mit dieser Photokatalyse gelang es, Stereoidhormone im kontinuierlichen Durchfluss so weit zu reduzieren, dass die analytische Nachweisgrenze erreicht wurde“, berichtet das KIT. Jetzt arbeite die Gruppe um Schäfer daran, den Zeitbedarf und Energieverbrauch der Technologie zu reduzieren und die Verwendung von natürlichem Licht zu ermöglichen. „Vor allem aber zielt die weitere Forschung darauf ab, auch andere Schadstoffe mithilfe der Photokatalyse abzubauen, beispielsweise Industriechemikalien wie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) oder Pestizide wie Glyphosat“, so das KIT. Herausfordernd sei zudem, die Technologie in größerem Maßstab, sprich: im praktischen Einsatz zu verwirklichen. Und ein größerer Maßstab tut not: So trägt beispielsweise der Rhein jährlich 13 Tonnen des Diabetesmedikaments Metformin in die Nordsee … (siehe Grafik)