Trinkwasserhygiene

Pro und contra Rohrinnensanierung

Höchstrichterliches Urteil sorgt für Furore

Montag, 07.05.2018

Weniger Zeit, weniger Aufwand, weniger Kosten: deshalb bevorzugen manche Sanierer die Rohrinnensanierung anstelle einer kompletten Erneuerung des Rohrleitungssystems für Trinkwasser. Für den Einsatz in diesem hygienisch äußerst sensiblen Bereich ist die Methode jedoch höchst umstritten.

Einem Verfahren zur Rohrinnensanierung von Trinkwasserleitungen wurde jetzt vermutlich die richterliche Absolution erteilt: Mit Epoxidharz sanierte Trinkwasserleitungen müssen nicht generell entfernt werden, urteilte der Bayrische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH). Und hob damit eine Anordnung des Gesundheitsamts Würzburg auf. Das hatte einer Wohnungseigentümergemeinschaft auferlegt, die in ihrer Anlage nach der Methode sanierten Trinkwasserleitungen wieder zu entfernen. Mit der Begründung: das Ausspritzen mit Epoxidharz entspräche nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. „Für den vorliegenden Rohrdurchmesser habe das zuständige Umweltbundesamt (UBA) in seinen Leitlinien keine Beschichtung auf Epoxidharzbasis vorgesehen“, argumentierten sowohl das Gesundheitsamt als auch das erstinstanzliche Verwaltungsgericht Würzburg.

Rohrinnensanierung oder Neuinstallation: Das ist hier die Frage…
Quelle: pexels
Rohrinnensanierung oder Neuinstallation: Das ist hier die Frage…

Auf Regeln der Technik kommt es nicht an…

Der BayVGH hat nun der Berufung der ausführenden Fachfirma stattgegeben: Die Behörde dürfe nur dann einschreiten, wenn im „konkreten Einzelfall eine möglicherweise bestehende Gefahr für die menschliche Gesundheit vorauszusetzen ist, wovon hier nach derzeitigem Kenntnisstand nicht positiv ausgegangen werden könne.“ (BayVGH, Urteil vom 6. März 2018, Az. 20 B 17.1378) Und weiter: „Auf die Frage, ob die Rohrinnensanierung mit Epoxidharz den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, kam es dagegen nicht an“… Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich!

Zwar sei das Trinkwasser der fraglichen Anlage mit in Epoxidharz vorhandenen Stoffen wie Bisphenol A (BPA) belastet, die grundsätzlich die menschliche Gesundheit gefährden könnten. Die erfolgten Messungen hätten jedoch kein Überschreiten der festgesetzten Vorsorgewerte nachgewiesen.

Bekanntermaßen werden bei der Innenrohrsanierung nach dem Relining-Verfahren die Rohrleitungen zuerst getrocknet und anschließend mit Sandstrahlen von Rost und Ablagerungen gereinigt. Wenn alles gründlich gereinigt ist, wird die Epoxidharz-Beschichtung aufgetragen. Die Betonung liegt auf „wenn“: „Wird auch nur der kleinste Fehler bei der Reinigung der Rohre gemacht und es bleiben Rostrückstände zurück, kann die Beschichtung nicht einwandfrei aufgebracht werden“, warnen Experten des TÜV NORD. Dieser Gefahr sollen die „Technischen Regeln zur Innensanierung von Trinkwasserrohren“ begegnen, die der Verband der Rohrinnensanierer e.V. seinen Mitgliedsunternehmen vorgibt: „Überprüfen der Rohrleitungen nach dem Rückstrahlen, insbesondere der Winkel, Verzweigungen und Reduzierstücke auf Sauberkeit mit einem geeigneten Endoskop. Die Überprüfung mit dem Endoskop ist zwingend vorgeschrieben, hierüber ist ein Protokoll zu erstellen“, heißt es da im Abschnitt 3.10 der Regeln.

Bisphenol A – ein endokriner Disruptor?

Neben der Anfälligkeit für menschlich-technische Fehler ist das Verfahren auch wegen der Chemikalie BPA umstritten. Die kann sich aus dem Epoxidharz der Innenrohr-Beschichtung auslösen und so vom Verbraucher aufgenommen oder in die Umwelt abgegeben werden. BPA gilt als „endokriner Disruptor“ – eine hormonell wirksame Chemikalie, wie in Tierversuchen nachgewiesen wurde. Sie ist beispielsweise in Baby-Flaschen seit 2011 EU-weit verboten, allerdings als vorsorgender Verbraucherschutz, nicht wegen nachgewiesener Gefährdung.

Auf der anderen Seite hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach einer Neubewertung von BPA keinerlei gesundheitliches Risiko für alle menschlichen Altersgruppen (inklusive ungeborener Kinder) festgestellt. Gleichzeitig hat die Behörde den sicheren Grenzwert für BPA pro Tag und pro Kilogramm Körpergewicht von 50 auf 4 Mikrogramm herabgesetzt. Die „aggregierte Exposition“ von BPA über Ernährung, Staub, Kosmetika und Thermopapier läge immer noch um das drei- bis fünf-fache unter diesem neue Wert.

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