Das sagt das DVGW-Regelwerk
Zur Durchflussgeschwindigkeit in kommunalen Netzen enthalten das DVGW-Regelwerk beziehungsweise konkret die Arbeitsblätter W 400-1 und W 216 zwar keine zwingende quantitative Vorgabe, aber sie verlangen, dass die Trinkwasserverordnung mit ihren Parametergrenzen eingehalten wird:
„Für die Wasserqualität im Wasserverteilungssystem gelten TrinkwV und DIN 2000… Wasserverteilungssysteme müssen so geplant werden, dass Stagnation minimiert wird, da diese zu einer gemäß TrinkwV unzulässigen Beeinträchtigung der Wasserqualität führen kann. Geringe Fließgeschwindigkeiten begünstigen die Anreicherung des Wassers mit Korrosionsprodukten und der Leitung mit losen Ablagerungen, in deren Folge Trübungen (Braunwasser) auftreten können. Anfällig für solche Anreicherungen sind Leitungsabschnitte mit dauerhaft niedrigem Durchfluss (z. B… überdimensionierte Leitungen). Die in Leitungen anreicherbare Menge an losen Ablagerungen nimmt mit abnehmender Fließgeschwindigkeit exponentiell zu.“
Seit dem Tag also, als der Großverbraucher Zeche Fürst Leopold zur letzten Schicht einfuhr, blieb vermutlich dem Trinkwasser viele Jahre überreichlich Zeit, sich im jetzt überdimensionierten Kanalnetz mit allem Möglichen an Ablagerungen vollzusaugen. Die Ereignisse decken sich. 2001 machte das Kohlebergwerk zu, und genau zu diesem Zeitpunkt kam die halbharte Kupfersorte in den Handel und in die Häuser.
In den frühen ersten Jahren hielten sich die Wasserschäden in Grenzen, weil zum einen die Gussleitungen aus der Zeit der Betriebsphase noch relativ sauber gewesen sein dürften und sich zum anderen der Lochfraß bis zum Durchbruch der Kupferrohre über viele Monate hinziehen kann. Nach wenigen Jahren dürfte es jedoch an Korrosionsprodukten nicht gemangelt haben. Laut den Tabellen zur Rohrnetzberechnung vervielfacht sich die Rauhigkeit angerosteter Gussrohre auf 4 mm Tiefe. Irgendwann platzen die Schichten ab und zerbröseln.
Zu große Maschenweite
In den meisten der vom Lochfraß betroffenen Großobjekte (Altenheime, Krankenhaus etc.) trennt zwar ein Wasserfilter das kommunale vom privaten Netz. Nur beträgt dessen Maschenweite entsprechend den Regeln der Technik 100 Mikrometer, nicht weniger. Kleinere Partikel lässt der Schmutzfänger mithin durch, etwa abgelöste Korrosionsteilchen. Vor allem für neu installierte metallische Rohre der Hausinstallation stellen sie eine Gefahr dar. Lagern sie sich auf der noch blanken Rohrinnenoberfläche ab, verhindern sie an dieser Stelle den Zutritt von Sauerstoff. Es kann sich keine Schutzschicht bilden, mit Lochfraß und Muldenkorrosion als Ergebnis.
Das RWW war sich wahrscheinlich der Folgen für Kupferrohre durch die späte Anpassung der Transportrohre gar nicht bewusst. Ein Sprecher auf die Frage des SanitärJournals, was man in den letzten Jahren in Dorsten am Leitungsnetz getan habe: „Da müsste man genau in den Unterlagen nachschauen. Das RWW-Netz ist mehr als 3.000 km lang, es wird immer irgendwo dran gearbeitet.“
Der Fachverband SHK NRW sieht sich weiterhin gezwungen, für diese Region den Anlagenbauern einen Verzicht auf Kupferrohr für Trinkwasser-Installationen zu empfehlen. Dem kommen die Betriebe nach, doch sind davon natürlich die Gewährleistungsansprüche der Auftraggeber von zum Teil 500.000 Euro, wie in einem Krankenhaus, nicht betroffen. 17 Handwerksunternehmen haben sich deshalb zu einer konzertierten Aktion zur „Innungsmitglieder-Vereinigung SHK-NRW“ zusammengeschlossen, um sich gemeinsam gegen die Schuldzuweisung zu stemmen.
Den Trumpf mit der Zeche Fürst Leopold drückte ihnen das Gesundheitsamt der Stadt Dorsten in die Hand. Das misst und archiviert im Rahmen der turnusmäßigen Hygienekontrollen (Legionellen) in öffentlichen Einrichtungen nicht nur die Keimzahlen, sondern unter anderem auch die Trübung des Trinkwassers. Die ist ein Indikator für Verunreinigungen und nach TVO beim Wasserwerk auf den Höchstwert 1,0 NTU oder FTU (Formazine Turbidity Unit) begrenzt.