Die rätselhaften Kupferrohrdurchbrüche im Versorgungsbereich des Wasserwerks Dorsten-Holsterhausen im westlichen Münsterland gingen und gehen durch alle Medien. Verhandelt werden derzeit vor dem Landgericht Essen Schadenssummen bis 500.000 Euro – mit der Tendenz, den Installateuren die Schuld zu geben. Nun rückt wieder das Wasser ins Blickfeld.
Lochfraß im Kupferrohr: Fürst Leopold unter Verdacht
Donnerstag, 09.06.2016
Könnte es sein, dass sich das Lebensmittel Nr. 1 im örtlich überdimensionierten Verteilnetz aufgrund der geringen Fließgeschwindigkeit mit Ablagerungen angereichert hat, die die Schutzschichtbildung besonders in den Kupferrohren der Hausinstallationen blockierten?
Seit einigen Jahren diskutieren Fachwelt und Medien das Mysterium „Holsterhausen“. Mysterium, weil dem ersten Anschein nach ausschließlich das Wasser aus diesem Wasserwerk der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft mbH den Installateuren und den Beziehern den Nerv raubt und der Lochfraß in den halbharten Kupferrohren Gutachter und Gerichte beschäftigt.
Mysterium, weil laut Wasseranalysen am Gewinnungsort das Medium die Grenzwerte der TrinkwV einhält und sich in den letzten Jahrzehnten auch nicht verändert haben soll. Mysterium, weil die perforierten Kupferrohre der Norm entsprechen und an ihnen keine Besonderheiten auffällig sind. Bis auf die Löcher… Mysterium, weil kein Gutachten von klaren Installationsfehlern spricht. Trotzdem muss der Handwerksbetrieb nach Werkvertragsrecht dem Kunden als Vertragspartner gegenüber zunächst gewährleisten.
Realistisch klingende Hypothese
Was zerstört also die Leitungen aus Kupferrohr? Nun keimt ein Verdacht auf, der fast schon eine Grobfahrlässigkeit, unter anderem der eingespannten Gutachter, vermuten lässt. Gleichgültig, ob er sich erhärtet – er hätte in jedem Fall an- oder wegdiskutiert werden müssen: Offensichtlich hat niemand den Einfluss des öffentlichen Transportnetzes auf das Wasser und damit seine Eigenschaften am Eingang in die betroffenen Hausinstallationen untersucht. Derartige Analysen wurden jedenfalls bisher nie in das Thema einbezogen, obwohl der DVGW die Versorger anmahnt, den Einhalt von Grenzwerten auch im Verteilnetz zu kontrollieren und Überhöhungen „unverzüglich der zuständigen Behörde zu melden“.
Oder sagen wir so: Den zuständigen Behörden (Gesundheitsamt der Stadt Dorsten) liegen Messungen mit erheblichen Grenzwert-Überhöhungen vor, doch hat man die von Seiten des Amts nur hygienisch, nicht korrosionstechnisch bewertet. Um ihre korrosive Bedeutung hätten sich die Lochfraß-Betroffenen (Gutachter/Gerichte, Wasserversorger, Kupferrohrindustrie) kümmern müssen. Die brachten jedoch in ihren Stellungnahmen und Wortbeiträgen nicht zur Sprache, dass sich das Trinkwasser im Strang Holsterhausen auf dem Transport vom Wasserwerk zu den privaten Wasseruhren vermutlich wegen einer Abweichung vom Üblichen in diesem Ast des RWW-Netzes massiv eintrübt, also Verunreinigungen aufnimmt. Wahrscheinlich aufgrund der abgesperrten Hydranten zur ehemaligen Zeche Fürst Leopold in Dorsten.
Leopold Fürst zu Salm-Salm, Kaufmann und erbliches Mitglied des preußischen Herrscherhauses, besaß vormals das Verfügungsrecht über die örtlichen Bodenschätze. Seine Kohlenzeche im Stadtteil Hervest förderte von 1913 bis 2001. Damit ging natürlich ein erheblicher Wasserverbrauch einher. Das heißt, die Nennweite der öffentlichen Leitung aus duktilem Gusseisen bewegte sich bis nahe einem Meter.
Als die Zeche vor 15 Jahren schloss, wurde das Netz nicht zurückgebaut, das soll erst vor kurzem geschehen sein. Eine Kundeninformation des RWW vom 17. Mai 2013 ist ein Indiz dafür: Der Versorger macht seine Abnehmer darauf aufmerksam, dass „unser gesamtes Rohrnetz in Dorsten-Hervest in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai gespült wird“. In Dorsten-Hervest stand früher die Zeche Fürst Leopold. Also schlich das Trinkwasser wohl mehr, als es floss, in dem viele Jahre überdimensionierten Rohrsystem zu den Haushalten.
Weiterführende Informationen: https://www.iww-online.de/aktuelles
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