Trinkwasserhygiene

Klimaresiliente Trinkwasserinstallationen

Kein Modewort, sondern Notwendigkeit

Montag, 02.09.2024

In den beiden Dekaden bis 2020 beherrschte das Wort „Nachhaltigkeit“ die fachliche und politische Diskussion über die Entwicklung des Gebäudesektors.

Das Bild zeigt den Ausschnitt einer Stadt.
Quelle: Viega
Städtische Wärmeinseln und höhere Temperaturen in Gewässern lassen auch die Kaltwassertemperatur am Hausanschluss steigen. Eine klimaresiliente Planung der Trinkwasserinstallation muss das berücksichtigen.

Diesen Rang scheint inzwischen der Begriff „Resilienz“ einzunehmen. Der Grund dafür ist nicht trivial, sondern drückt eine neue Realität aus. Wurde sich spätestens seit Anfang der 2000er-Jahre ernsthaft darauf konzentriert, durch mehr Nachhaltigkeit den Klimawandel zu bremsen, muss dieser Ansatz jetzt durch Klimaanpassung ergänzt werden. Es gilt außerdem, die Widerstandsfähigkeit gegen die bereits real existierenden und sich noch ausweitenden Folgen der Klimaerwärmung zu erhöhen. Das betrifft im Gebäudesektor vor allem Trinkwasserinstallationen. Denn die Versorgung mit genusstauglichem Trinkwasser ist für den Menschen existenziell, steht aber in direkter Wechselbeziehung mit dem Klimawandel. Umso wichtiger sind einige Grundlagen, die eine klimaresiliente Planung von Trinkwasserinstallationen ausmachen.

Bei der Planung und Umsetzung einer klimaresilienten Trinkwasserinstallation stehen zwei Aspekte im Vordergrund: die aktuellen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Ressource Trinkwasser sowie die kommenden gesetz­lichen Anforderungen für Gebäude. Aus diesen beiden Punkten lassen sich wiederum drei Leitsätze entwickeln, die auf jede Trinkwasserinstallation bezogen werden können:

  • Zum Schutz der Gesundheit muss Trinkwasser jederzeit genusstauglich im Sinne der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) sein.
  • Die Ressource Trinkwasser darf nicht verschwendet werden.
  • Der Trinkwasserbedarf muss möglichst energieeffizient und treibhausgasneutral gedeckt werden.

Diese Leitsätze bei Planung und Ausführung von Trinkwasserinstallationen zu berücksichtigen, sichert trotz Klimawandel schon heute die Trinkwassergüte und den langfristigen Betrieb der Trinkwasserinstallationen ab.

Das Bild zeigt einen Hauswasseranschluss.
Quelle: Viega
Schon ab dem Hauswasseranschluss beginnt eine klimaresiliente Planung. Dazu gehört die Dimensionierung aufgrund einer dezidierten Bedarfsermittlung mittels eines Raumbuchs. Wichtig ist außerdem ein separater Hausanschlussraum ohne Wärmequellen.

Klimabedingte Risiken für Trinkwasser

Eine messbare Größe für den Einfluss veränderter klimatischer Bedingungen auf das Trinkwasser ist das Temperaturniveau am Hausanschluss. Als Planungsgrundlage dient in der Regel die Annahme, dass der Versorger Trinkwasser mit einer Temperatur von etwa 10 °C liefert. Auch, wenn regionale Unterschiede bestehen, ist mittlerweile aber eher von einer Eingangstemperatur von durchschnittlich 14 °C [1] auszugehen – bei lang­anhaltenden Hitzeperioden auch deutlich höher. Die Gründe dafür sind vielfältig, hängen aber fast durchweg mit dem Klimawandel zusammen: Aufgrund des Anstiegs der durchschnittlichen Lufttemperatur erhöhen sich die Rohwassertemperaturen in Tal­sperren, Flüssen oder Seen, die der Trinkwasser­gewinnung dienen. Längere Perioden mit wenig Niederschlag verschärfen die Situation. Denn bei sinkenden Pegeln erwärmen sich ebenfalls die tieferen Wasserschichten. Auf der Strecke von den Trinkwasser-Einzugsgebieten bis zum Hausanschluss kommt es schließlich zu weiteren Wärmeeinträgen, beispielsweise in Hochbehältern und den Versorgungsleitungen. Auch dafür ist der allgemeine Temperaturanstieg ursächlich, der sich inzwischen sogar auf das Grundwasser auswirkt.

Bemerkenswert sind hier Messungen von Trinkwassertemperaturen in unterschiedlichen Bodentiefen der deutschen Bundeshauptstadt im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen: Selbst in der neutralen Zone – einer Tiefe, die von Temperaturen an der Oberfläche kaum beeinflusst wird – steigen die Durchschnittstemperaturen kontinuierlich an. Diese Entwicklung fällt unter dicht besiedelten Flächen besonders deutlich aus, da diese Bodenschichten nicht nach oben abkühlen können: Die Höchsttemperaturen des Grundwassers in 20 m Tiefe stiegen 2010 zum ­Beispiel von 13,7 °C auf 15,9 °C in 2020. In einer Bo-dentiefe von drei Meter wurden sogar Temperaturen bis zu 17,7 °C gemessen. [2]

Das Bild zeigt einen Blick in den Leitungsschacht.
Quelle: Viega
Die Kaltwassererwärmung lässt sich deutlich reduzieren, indem kalt und warmgehende Leitungen in getrennten Schächten verlegt werden.

Kaltwassertemperaturen absichern

Die erhöhte und perspektivisch weiter steigende Trinkwassertemperatur am Hausanschluss reduziert zwangsläufig die Kapazität des Kaltwassers, Wärme aufzunehmen. Gleichzeitig steigen in modern ausgestatteten und gut gedämmten Gebäuden die Wärmelasten. Es gilt aber die Vorgabe der DIN 1988-200 und der VDI 6023 Blatt 1, die maximal zulässige Höchsttemperatur für Trinkwasser kalt (PWC) von 25 °C einzuhalten. Die alte Richtlinie des VDI/DVGW 6023 empfahl aus Sicht der Trinkwasserhygiene sogar, eine Kaltwassertemperatur von 20 °C nicht zu überschreiten. Diese Temperaturgrenze nennt auch das DVGW-Arbeitsblatt W 400-1. Denn schon ab diesem Schwellenwert vermehren sich Bakterien im Trinkwasser. Tatsächlich werden inzwischen Legionellenspezies immer öfter auch im Kaltwasser nachgewiesen. Sicherlich auch dank eines besseren Verfahrens, das spätestens seit März 2019 zur Anwendung kommt. Es basiert auf einem neuen Nährboden, auf dem mehrere der verschiedenen und teilweise potenziell gesundheitsgefährdenden Legionellenarten nachzuweisen sind.

Von Christian Schauer
Leiter des Kompetenzzentrums Trinkwasser bei Viega

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