Wer seine Berufung zum Beruf macht, muss nie wieder arbeiten – heißt es. Ein schöner Gedanke, der sich aber ganz schnell in Luft auflöst, wenn der Beruf in der Familie oder bei den Kumpels nicht ankommt. Dann sieht Realität anders aus: Denn selbst wenn ein Beruf den eigenen Tätigkeitsinteressen entspricht, neigen viele Jugendliche dazu, ihn bei ihrer Berufswahl auszuschließen, wenn er nicht genügend soziale Anerkennung vermittelt.
Job als Visitenkarte im sozialen Umfeld
BIBB-Studie: Warum bestimmte Berufe nicht gewählt werden
Montag, 06.05.2019
Darüber hinaus können schlechte Rahmenbedingungen während der Ausbildung weitere Gründe sein, einen als interessant wahrgenommenen Beruf fallenzulassen. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die im Forschungsprojekt „Bildungsorientierungen“ des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) entstand. Die Ergebnisse beruhen auf einer schriftlichen Befragung von Schülerinnen und Schülern neunter und zehnter Klassen allgemeinbildender Schulen in Nordrhein-Westfalen.
Anlass für die Studie war das Problem vieler junger Menschen, am Ende der Schulzeit ohne Ausbildungsplatz dazustehen - trotz steigender Zahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen. Angebote der Berufsorientierung, die auf eine Ausweitung des Berufswahlspektrums zielen, waren bisher nur bedingt erfolgreich. Viele Jugendliche klammern Berufe mit Besetzungsproblemen einfach aus, zum Beispiel in der Gastronomie, in der Pflege oder etwa in Teilen des Handwerks.
Daher fragt die BIBB-Studie weniger danach, was Jugendliche motiviert, einen bestimmten Beruf zu ergreifen. Vielmehr interessiert, warum Berufe nicht gewählt werden. Und schnell wurde klar: Die Nichtwahl von Berufen folgt anderen Logiken als die Wahl eines Berufes. Hier gehört die mangelnde soziale Anerkennung zum relevanten Faktor. Wenn Jugendliche meinen, in ihrem sozialen Umfeld, insbesondere bei ihren Eltern und im Freundeskreis, mit einem bestimmten Beruf nicht gut anzukommen, fliegt er aus der engeren Berufswahl – und zwar auch dann, wenn die Tätigkeiten des Berufes mit ihren eigenen beruflichen Interessen übereinstimmen.
Neben fehlender sozialer Passung und als ungünstig wahrgenommenen Rahmenbedingungen wie beispielsweise Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten, gibt es noch weitere Gründe dafür, dass Jugendliche Berufe links liegen lassen: wenn etwa mit Schwierigkeiten gerechnet wird, einen Ausbildungsplatz zu finden; oder wenn es an der Sicherheit fehlt, den Beruf richtig einschätzen zu können.
Mit Blick auf die Ergebnisse folgert BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser für den Berufsfindungsprozess und die Wahl von Berufen mit Besetzungsproblemen: „Die Studie macht deutlich, dass es bei der Berufsorientierung nicht ausreicht, Jugendliche über die Tätigkeiten in den verschiedenen Berufen aufzuklären. Denn Jugendliche wollen mehr! Sie nutzen Berufe als Visitenkarte in ihrem sozialen Umfeld und wollen mit ihrem Beruf Anerkennung finden. Wenn Berufe dies aus Sicht der Jugendlichen nicht leisten, ist das ein Alarmsignal, das uns alle herausfordert. Wollen wir in Zukunft mehr Jugendliche für Berufe mit Besetzungsproblemen gewinnen, müssen wir die Rahmenbedingungen und Perspektiven dieser Berufe verbessern.“