Tusch, ganz großer Tusch für die vor wenigen Tagen zu Ende gegangene Welt-Leitmesse ISH 2017 in Frankfurt am Main. Und ein noch viel größeres DANKE! In Großbuchstaben; mit Ausrufezeichen am Ende. Nochmal: DANKE!
Nein, nicht im Namen deutscher Fachhandwerker oder italienischer Großhändler, nicht stellvertretend für britische BIM-Planer oder niederländische Facility Manager, die sich hier über die neuesten Entwicklungen in der Sanitär- und Heizungswelt informierten. Quatsch, wer denkt denn an sowas?!
Nein, DANKE vielmehr aus Sicht der vielen tausend namenlosen Handynutzer aus dem Land der Mitte, die mit konfuzianischer Gelassenheit und ungestört von jeglichem unwürdigen Lamento des Standpersonals mit ihren Smartphones ungeniert alles abfilmten, was als Exponat auf den Messeständen nicht schnell genug abgeschraubt oder abgedeckt werden konnte. Für den Chinesen mag das kulturell gewachsen sein, für die westlichen Langnasen aber ist es schlichtweg geistiger Diebstahl.
„Spontanität, Improvisation, Originalität oder Selbstverwirklichung sind (Anm. d. Red.: in der chinesischen Gesellschaft) weitgehend verpönt, was zusammen mit der Angst vor dem Gesichtsverlust zu einem erhöhten Konformitätsdruck und zur geringen Verbreitung von Exzentrikern in China führt. Das Kopieren von Vorbildern … gilt vor diesem Hintergrund ausdrücklich als erwünscht, lobenswert und keineswegs als verwerflich…“, heißt es in Wikipedia. Mag sein. Aber dazu vielleicht einfach mal als Klartext in Richtung Fernost: Bei uns hier ist das anders. Ganz anders. Bei uns hier wird der Mensch hoch angesehen, der Ideen hat und Geist – und beides über gutes Engineering in neue, innovative, gute und perspektivisch auch lukrative Produktneuheiten umzusetzen weiß. Ist das vielleicht irgendwann auch für jemanden nachvollziehbar, der im Schatten der Chinesischen Mauer ganz anders sozialisiert wurde?
Alle Jahre wieder fliegen auf der ISH, und anderen Fachmessen, die Männer und Frauen in Grün vom Zoll ein und beschlagnahmen die dreistesten Raubkopien. Der Lerneffekt scheint jedoch gegen Null zu gehen. Stattdessen werden mittlerweile völlig ungeniert und über spitze Ellenbogen durchgesetzt kurze Videoclips gedreht, die mit der entsprechenden Rendering-Software quasi 1:1 in die Steuerung einer Kopierfräse irgendwo zwischen Peking und Lhasa, zwischen Chop suey und Menü Nr. 5 („Abel in süß/sauel!“) eingelesen werden können. Dreister als in diesem Jahr geht es wirklich kaum noch.
Aber vielleicht, vielleicht sollten wir alle, die wir als Hersteller, Aussteller und europäische Fachbesucher die ISH 2017 zu einem Erfolg gemacht haben, uns an dieser Stelle auch wirklich einmal selber auf die Schulter klopfen: Es mag ja sein, dass 2019 wieder hunderte Armaturen- oder Pumpen- oder Ventil-Plagiate namhafter Marken-Hersteller von kleinen gelben Schuhschachtel-Messeständen abgeräumt werden müssen. Doch wir, wir können dann zumindest stolz darauf sein, wieder für ein kleines bisschen mehr an Vollbeschäftigung im Reich der Mitte gesorgt zu haben. Und sei es nur bei den Herstellern besagter Kopierfräsen…