Über den (Teller)Rand geschaut
Aber nicht nur „ex oriente“ wird höchst aufmerksam auf die aktuellsten Entwicklungen hierzulande geschaut. Auch unter den in Westeuropa beheimateten Herstellern scheint im Vorfeld der ISH der Blick über den (Teller- oder besser: Spül)Rand – und daraus resultierend die Lust an Umsatzanteilen aus angrenzenden Marktsegmenten – deutlich an Reiz gewonnen zu haben. Wie anders wäre er sonst zu erklären, der Trend zur „Arrondierung“ des eigenen Produktportfolios aus benachbarten Marktsegmenten?
Beispiele dafür gab es beim Messe-Rundgang eigentlich in jeder Halle zu sehen. Vom Installationstechnikanbieter (jetzt auch mit Dusch-WC) über den „Über-einen-Partner-Nuten-für-die-Fußbodenheizung-in-den-Estrich-fräsenden“-Rohrhersteller bis hin zum „Heizer“, der neuerdings genauso selbstbewusst klimatisieren und lüften will. „Alle möchten alles können!“ schallt es dazu als Zusammenfassung vom Kollegen aus dem Off – was offen lässt, ob dem draußen, in der Praxis, der notwendige Wahrheitsbeweis tatsächlich zu folgen vermag, wenn irgendwann der kommunizierte Anspruch in eine wahlweise erwärmte oder klimatisierte Praxis umgesetzt werden muss.
So oder so aber hat diese Entwicklung auf der ISH eine neue Qualitätsstufe erreicht, die Planern und Handwerkern letztlich eine Gewissensentscheidung aufzwingt: Entweder, er bindet sich mit seiner Auslegung bzw. Produktauswahl an nur noch einen Hersteller – und bekommt damit ein in sich zwar (hoffentlich) weitgehend abgestimmtes Gesamtpaket. Oder er „bastelt“ sich die aus seiner und des Kunden Sicht sinnvollste, weil individuell wirtschaftlichste und von den Ansprüchen bzw. Erwartungen passendste Lösung zusammen – und hat damit den ganzen zusätzlichen Aufwand am Bein, diese in aller Regel einmalige Konfiguration beispielsweise auch noch effizienzbestimmend labeln zu müssen.
Und der Wettbewerb lebt
Die Qual der Wahl wird es zukünftig genauso verstärkt noch auf einer anderen Ebene geben, und zwar beim Vertriebsweg. Das Thema ist ein Klassiker, auf eigentlich jeder Messe schon seit Jahren präsent; im Herbst auf der GET Nord sogar mehr als das, erinnert man sich an den selbstbewussten Auftritt einiger Handels-Nordlichter mit ihren nicht zu übersehenden, hoch professionellen Messeständen.
In Frankfurt aber gab es – auch hier – eine neue Qualitätsstufe, aber in die andere, die zweistufige Richtung. Nicht wegen der Hersteller aus Polen, dem leider kaum wirklich in Erscheinung getretenen Partnerland der diesjährigen ISH. Dass die zweistufig verkaufen möchten (und verkaufen können), es ist allein schon der mangelnden Einbindung in die binnenländischen Strukturen des dreistufigen Vertriebswegs geschuldet.
Es geht vielmehr um jene Hersteller, die gewissermaßen als Kinder von Google, Apple, Amazon und Co. eine völlig neue Generation an Herstellern (und Vertrieblern) personifizieren. Da wird halb-virtuell vernetzt entwickelt, irgendwo rund um den Globus komponentenfabriziert, wieder woanders assembliert und verpackt, um dann genau so direkt internetgetrieben direkt verkauft und dank ausgefeilter globaler Logistik auch noch overnight ausgeliefert zu werden: Nur wenige Protagonisten sind fest involviert, alle Prozesse sind extrem flexibel und ständig in Bewegung, trotzdem reden wir über qualitativ hochwertige, anspruchsvolle Produkte, die keinen Qualitäts- oder Aftersale-Vergleich mit etablierten Marken zu scheuen brauchen.
Da entwickelt sich eine ganz neue Form von Wettbewerb, die zwar auf der einen Seite ihre Nachhaltigkeit noch genauso wird beweisen müssen wie viele andere (gescheiterte) zuvor. Die zugleich aber, und das ist die Herausforderung, heute Macher an der Spitze hat, die ihr Handwerk erwiesenermaßen verstehen – und die Marktmechanismen der SHK-Branche durch und durch kennen. Sie als „Exoten“ abzutun – das wäre zu einfach und deutlich zu kurz gesprungen. Stattdessen werden „die Etablierten“ gefordert sein, zeitnah Gegenstrategien zu entwickeln – und sie werden es tun, das zeichnet sich bereits jetzt ab…