Die verbreitete Expertenmeinung, dass Legionellen über 50 °C langsam absterben, widerlegten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums in Braunschweig kürzlich in einer Studie. Sie wiesen nach, dass sich die gefährlichen Krankheitserreger auch noch bei Temperaturen zwischen 50 und 60 °C vermehren. Was bedeutet das für die Energieeffizienz und die Trinkwasserhygiene in der Gebäudeinstallation? Müssen wir die normativen Temperaturvorgaben überdenken? Welche Lösungsansätze bieten sich an?
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Effiziente Lösungen zur Sicherstellung der Trinkwasserhygiene
Donnerstag, 15.12.2016
Legionellen kommen in fast allen Wässern vor – insbesondere bei Temperaturen über 20 °C. Daher dürfen diese Bakterien im Gegensatz zu vielen anderen Mikroorganismen in geringer Anzahl im Trinkwasser enthalten sein und können so in die Installation gelangen. In dieser geringen Konzentration geht keine nennenswerte Bedrohung von ihnen aus. Sind sie jedoch einmal in die Hausinstallation gelangt, können sie sich unter bestimmten Bedingungen rasant vermehren.
Wie bei allen Lebewesen wird das Wachstum von Mikroorganismen durch mehrere Faktoren bestimmt: die passende Temperatur, ausreichend Nahrungsangebot und vor allem eines – Zeit. Betrachtet man die ersten Erfahrungswerte mit der Legionellenuntersuchungspflicht nach Trinkwasserversorgung (TrinkwV), so müssen in vielen Objekten Idealbedingungen für Legionellen vorgeherrscht haben.
Gemäß der Auswertung von Agrolab aus 400.000 Proben in verschiedenen Einrichtungen zwischen 2012 und 2014 wurden in mehr als zehn Prozent der Liegenschaften Legionellen in nicht zulässigen Mengen gefunden. In ca. einem Prozent der Gebäude war das Trinkwasser so stark kontaminiert, dass unverzügliches Handeln erforderlich war.
Durch diese Befunde ausgelöste Gefährdungsanalysen bringen häufig die allgemein bekannten Gründe als Hauptursachen für eine zu hohe Legionellenbelastung ans Licht: Die Nutzung der Zapfstellen entsprach nicht dem bei der Planung angenommenen Verbrauch, der hydraulische Abgleich war ungenügend oder die Warmwassertemperatur war zu niedrig eingestellt. Die Ergebnisse verdeutlichen die höchst riskanten Entwicklungen im Installationsbereich. Denn das Absenken der Temperatur in der zentralen Trinkwassererwärmung widerspricht ebenso jeglichen Hygieneempfehlungen wie die Reduktion des Wasserverbrauchs an den Entnahmestellen.
Fest steht, dass die Betreiber in diesen Fällen den in der VDI 3810 definierten Grundlagen der Betreiberverantwortung nicht nachgekommen sind. Diese umfasst die Einhaltung der Gesetze sowie der anerkannten Regeln und des Standes der Technik. In Bezug auf Trinkwasser ist dies insbesondere das Verhindern von nachteiligen Veränderungen des Trinkwassers sowie der Betrieb DIN EN 806-5 inklusive der darin geforderten Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen.
Im Wesentlichen erfordert der in der Richtlinie VDI/DVGW 6023 definierte bestimmungsgemäße Betrieb einen vollständigen Wasseraustausch an jeder Stelle der Trinkwasser-Installation durch Entnahme innerhalb von 72 Stunden. Weiter sind in den Normen und Richtlinien einzuhaltende Temperaturbereiche für Trinkwasser kalt und warm dokumentiert:
Demnach ist Kaltwasser vor Erwärmung zu schützen und darf nach 30 Sekunden mit maximal 25 °C (DIN EN 806-2) aus dem Zapfhahn fließen, die VDI/DVGW-Richtlinie 6023 empfiehlt sogar maximal 20 °C. Und das zu Recht, denn eine Auswertung von 75.000 Datensätzen durch die Technische Universität Dresden zeigt, dass das mikrobiologische Wachstum im zulässigen Temperaturbereich für Kaltwasser von 20 bis 25 °C bereits signifikant höher ist.
Für Warmwasser gibt es die Anforderung nach 60 °C am Speicherausgang und maximal 5K Temperaturabfall (DVGW W 551). In Verbindung mit der DIN EN 806-2 resultiert daraus, dass das Warmwasser bei Armaturen ohne Temperaturbegrenzung nach 30 Sekunden mit mindestens 55 °C aus dem Zapfhahn fließen muss.
Die Grundlage für diese Temperaturgrenzen war bislang die Expertenmeinung, dass Legionellen ab etwa 50 °C die Vermehrung stoppen und über 60 °C sicher absterben. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig haben nun nachgewiesen, dass zumindest bestimmte Legionellenstämme höheren Temperaturen standhalten.
Risikofaktoren vermeiden
Welche Schlussfolgerung können wir nun aus den Erkenntnissen des Helmholtz-Zentrums zur anhaltenden Vermehrung von Legionellen bei Temperaturen zwischen 50 und 60 °C ziehen? Allen, die mit der Sanierung bestehender Anlagen befasst sind, ist bekannt, dass das Anheben der Warmwassertemperatur nicht das Allheilmittel ist und erhebliche Risiken mit sich bringt. Denn dafür sind zum einen die vorhandenen Installationswerkstoffe, insbesondere die in Bestandsobjekten weit verbreiteten verzinkten Eisenrohre, oft nicht geeignet.
Darüber hinaus widersprechen höhere Warmwassertemperaturen einem möglichst energieeffizienten Betrieb der Trinkwasser-Installation und führen durch die thermische Kopplung zwangsweise zu einem Temperaturanstieg in den Kaltwasserleitungen. Eine Dämmung der Leitungen im Bestand verzögert die Erwärmung des Kaltwassers zwar, ist jedoch bei gleichbleibender Temperatur im Schacht keine zielführende Lösung. Umfangreiche bauliche Maßnahmen sind hingegen meist kostenintensiv.
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