Weniger Meister, weniger Azubis, aber insgesamt eine nach wie vor hohe Ausbildungsquote, stellt eine Studie zu den Langzeit-Wirkungen der Handwerksreform vor vierzehn Jahren fest. Insgesamt jedoch ist das Handwerk nach wie vor führend bei der Bildung von „Humankapital“.
Deutlich weniger Ausbildung im meisterfreien Handwerk
14 Jahre „meisterfreies“ Handwerk (II)
Montag, 04.06.2018
Als „gravierenden Einschnitt in das Gefüge der deutschen Handwerkswirtschaft“ sehen die Autoren einer Studie die Reform der Handwerksordnung (HwO) vor vierzehn Jahren. Das Institut für Mittelstand und Handwerk an der Uni Göttingen (ifh) untersuchte die Folgen der Deregulierung – mit durchaus kritisch zu beurteilenden Ergebnissen, wie das SanitärJournal hier berichtete.
Weniger Meister = weniger meisterliches?
Recht massiv und direkt wirkte sich die Reform der HwO auf die Zahl der bestandenen Meisterprüfungen aus: Sie sank in den B1-Handwerken deutlich (z.B. bei Fliesenlegern, Raumausstattern, Gebäudereinigern), in den A-Handwerken leicht (z.B. bei Installateuren, Maurern, Elektrotechnikern). Bereits bis 2003, dem letzten Jahr vor der HwO-Reform, wurden immer weniger Meister im gesamten Handwerk ausgebildet. Das sei vorwiegend der demografischen Entwicklung geschuldet, so das ifh. Der deutliche Bruch ab 2004 habe hingegen eindeutig mit der Reform zu tun (siehe Grafik eins). Die Zahl der Meisterprüfungen in den B1-Handwerken liegt seitdem bei nur noch 40 Prozent.
Als direkte Folge dieses Bruchs entwickelte sich in den B1-Handwerken zudem eine enorme Diskrepanz zwischen dem Rückgang der Meisterprüfungen und dem starken Zuwachs bei den Gründungen. So machten 2016 bestandene Meisterprüfungen nur noch 2,5 Prozent der Zugänge in die Handwerksverzeichnisse aus – ganz im Gegensatz zu den A-Handwerken. Sollte in den B1-Handwerken irgendwann die Meisterpflicht wieder eingeführt werden, könnte es wegen des Meister-Mangels kaum zu Neugründungen kommen, befürchtet das ifh.
Welche Folgen der weggefallene Anreiz zur Meisterprüfung für die Güte handwerklicher Arbeit in den B1-Gewerken habe, bedürfe allerdings noch weiterer Forschung, so das Institut.
Handwerk bildet überdurchschnittlich aus
Wichtige Frage der Untersuchung war die nach der Bildung von Humankapital, im Handwerk generell, besonders aber im Nachhall der HwO-Reform. Konkret geht es dabei um die Ausbildungsquote. Die ist im Handwerk, trotz eines allgemeinen Rückgangs, nach wie vor überdurchschnittlich hoch - verglichen mit der gesamten Wirtschaft und gemessen am Anteil der Azubis an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (siehe Grafik zwei). Das liege unter anderem auch daran, dass das Handwerk weit über den eigenen Bedarf hinaus ausbilde: Nach Zahlen aus dem Jahr 2012 wechseln langfristig mehr als 60 Prozent der handwerklich ausgebildeten Fachkräfte in andere Wirtschaftsbereiche.
Nach der Novellierung der HwO sank die Zahl der Ausbildungsstätten, der Auszubildenden und der bestandenen Gesellen-Prüfungen um 20 bis 30 Prozent. In den B1-Handwerken war dieser Rückgang stärker. Allerdings macht das Institut nicht nur die Reform, sondern ebenso andere bekannte und bislang unbekannte Faktoren für diese Entwicklung verantwortlich. Von daher bedürfe es noch weiteren Untersuchungen zu einer umfassenderen Bewertung der HwO-Reform.