Jetzt haften auch Hersteller von wiederverwertbaren und digitalen Produkten für Schäden. Wie steht es dabei um das Handwerk?
Längst fällig: Neue EU-weite Produkthaftungsrichtlinie
Jetzt haften auch Hersteller von wiederverwertbaren und digitalen Produkten für Schäden. Wie steht es dabei um das Handwerk?
Der Trend zur Kreislaufwirtschaft und die alle Lebensbereiche durchdringende Digitalisierung erfordern eine Überarbeitung der über 40 Jahre alten, EU-weit geltenden Produkthaftungsrichtlinie. Sie werde „fit für die Realitäten des digitalen Wandels“, so EU-Justizkommissar Didier Reynders. Die verschuldensunabhängige Haftung der Hersteller für fehlerhafte Produkte umfasst künftig auch Software und Künstliche Intelligenz (KI). „Nach den derzeitigen Vorschriften lässt sich nicht eindeutig bestimmen, wer für Fehler bei Software-Updates, Algorithmen für maschinelles Lernen oder digitalen, für das Funktionieren eines Produkts unentbehrlichen Dienstleistungen haftbar ist“, so die Europäische Kommission (EK). Aber wie andere Produkte auch könnten fehlerhafte Software und KI-Systeme Schäden verursachen. Mit der neuen Richtlinie dürfen Verbraucher dann beispielsweise auch Ersatz für Datenverlust verlangen.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) begrüßt die Vorschläge der EK. So werde endlich die zivilrechtliche Haftung an die digitale Realität angepasst. Holger Schwannecke, Generalsekretär des ZDH, schildert ein praktisches Beispiel: „Wenn ein Sanitärbetrieb künftig eine Heizung mit KI einbaut und aktiviert, die eigentliche KI aber nicht beeinflusst, wird entsprechend der vorgeschlagenen Kriterien im Schadensfall nicht der einbauende Sanitärbetrieb haften, sondern der Hersteller der Heizung oder der sie steuernden Software.“
Darüber hinaus vermisst der ZDH aber einen konkreten Hersteller- und Produktbegriff in der neuen Richtlinie. Denn: „Setzt ein Handwerksbetrieb Einzelteile neu zusammen, kann er eventuell als Hersteller des neuen Gesamtprodukts unter die Produkthaftungsvorschriften fallen. Dies ist nicht sachgerecht. Es sind daher dringend Klarstellungen erforderlich.“ Beispielsweise dürfe beim Einbau eines Smart-Home-Produkts eine einfache Programmierung im Sinne des Kunden nicht die Haftung des installierenden Handwerkers auslösen. Nach dem Entwurf sind nur natürliche Personen im Schadensfall anspruchsberechtigt. Auch das sei nicht sachgerecht, so der ZDH. Der Rechtsschutz von Privatpersonen und Handwerksunternehmen müsse gleichgelagert sein. Deshalb sollten die Ansprüche auch im B2B-Bereich gelten.
Die neue Richtlinie berücksichtigt zudem kreislauforientierte Geschäftsmodelle. Sie schaffe Klarheit für Produkte, die wiederaufbereitet, verändert oder aktualisiert werden, so die EK. Die bislang geltende Haftungshöchstgrenze von 85 Mio. Euro und der Selbstbehalt von 500 Euro für Sachschäden sollen künftig entfallen. Damit ist eine volle Entschädigung für erlittene Schäden möglich. Bis Ende April wollen die federführenden Ausschüsse im Europaparlament über den neuen Entwurf berichten.
Mittwoch, 12.04.2023