Wenn der Start zum Problemfall wird

Die Erstbefüllung und Inbetriebnahme einer neuen Trinkwasser-Instal­lation stellt hohe Anfor­derungen an den Planer und Installateur. Gerade die Mikrobiologie ist ein oft vernachlässigter Mitspieler, der bei mangelnder Sorgfalt schnell zum Spielverderber wird.

Denn haben sich krankheitserregende Mikroorganismen im Leitungsnetz erst mal eingenistet, lassen sie sich meist nur durch kostenintensive Maß­nahmen entfernen. Das mikrobiologische Konta­minationsrisiko kann jedoch bereits mit ein­fachen Mitteln und ohne größeren Aufwand reduziert werden.

Das (hier: Schweizer) Trinkwasser ist von höchster Güte. Dafür sorgen mit enormem Aufwand und viel Hingabe die Trinkwasserversorger, die tagtäglich das Wasser aufbereiten und verteilen. Die Mikrobiologie ist dabei ein wichtiger und nützlicher Bestandteil des Trinkwassers [1]. Je nach Bezugsquelle (zum Beispiel Grund- oder aufbereitetes Seewasser) bewegt sich die normale Bakteriendichte in der Wasserphase in einem Bereich zwischen ca. 1.000 und 100.000 Zellen/ml [2]. Mittels neuer Sequenzierungsmethoden konnte gezeigt werden, dass in einem einwandfreien Trinkwasser bis zu 2.000 unterschiedliche Bakterienspezies leben, von denen viele noch unbekannt sind [3].

Der Großteil dieser Bakterien spielt eine wichtige Rolle für die Aufbereitung sowie biologische Stabilität des Wassers, sind aber für die menschliche Gesundheit nicht relevant [4]. Dennoch sind auch krankheitserregende Mikroorganismen ein unvermeidbarer Bestandteil der natürlichen Trinkwasserbiozönose. Deren Anzahl ist aber in der Regel so tief, dass von ihnen kein Infektionsrisiko für den Menschen ausgeht [4].

Mikroorganismen, allen voran die Bakterien, sind wahre Meister im Besiedeln von Oberflächen. Seit 3,5 Milliarden Jahren bilden Bakterien Biofilme und haben sich damit eine der effektivsten Überlebensstrategien geschaffen. Ein Biofilm ist eine mikrobielle Lebensgemeinschaft, die eine extrazelluläre polymere Matrix ausbildet. Diese schleimigen Strukturen schützen die mikrobielle Lebensgemeinschaft unter anderem vor Trockenperioden, Nährstoffeng­pässen sowie Desinfektionsmaßnahmen, und verbessern die Verwertung komplexer Nährstoffsubstrate.

So erstaunt es nicht, dass das Leben in einem Rohrsystem hauptsächlich an der Rohroberfläche stattfindet. Während etwa 95 Prozent der Bakterien im Biofilm leben, halten sich die verbleibenden 5 Prozent in der Wasser­phase auf. Zwischen der Wasser- und der Biofilmphase findet ein dynamischer Austausch durch ständiges Anheften und Ablösen der Bakterien statt. Je nach Material finden sich pro Quadratzentimeter Oberfläche 100.000 bis 10 Millionen Zellen im Biofilm. Die Besiedlungsdichte auf nicht zertifizierten Produkten (zum Beispiel Duschschläuchen) kann sogar 1 Milliarde Zellen/cm2 erreichen [5].

Wie viele Bakterien an der Rohroberfläche wachsen können, hängt neben der Materialqualität auch von weiteren Wachstumsbedingungen ab, die generell in Verteilsystemen von Gebäuden weit optimaler sind, als im Bereich der Trinkwasserhauptversorgung. So stellt das Zusammenspiel aus langen Stagnationszeiten, moderaten Temperaturen und hohen Oberflächen-/Volumenverhältnissen in Gebäudeinstallationen für die Trinkwasserverteilung eine Herausforderung dar.

Bezüglich des Auftretens von Krankheitserregern muss zwischen einem Eintrag von außen und dem Aufwuchs im Verteilsystem unterschieden werden. Ein Großteil der krankheitserregenden Mikroorganismen wird zum Beispiel durch Überschwemmung, Ausfall von Prozessstufen oder Leckagen in Hauptverteilsystemen – also von außen – eingetragen. Dabei handelt es sich häufig um mikrobiologische Verunreinigungen fäkalen Ursprungs, die das Hauptverteilsystem über einen kurzen Zeitraum kontaminieren, sich aber nicht etablieren können. Anders verhält es sich bei krankheitserregenden Mikroorganismen, die sich unter gewissen Bedingungen in einem Verteil­system einnisten und auch vermehren können [6].

Im Bereich der Gebäudeverteilsysteme stehen hauptsächlich „Pseudomonas aeruginosa“ und „Legionella species pluralis“ (spp.) im Fokus. Für Menschen mit einem intakten Immunsystem stellen diese Krankheitserreger nur eine geringe bis keine Gefährdung dar (s. Kasten) [6].

„Pseudomonas aeruginosa“ ist ein Pionier im Besiedeln von neuen Oberflächen. Das Bakterium kann effizient Biofilme ausbilden und stellt dabei geringe Ansprüche an die Umweltbedingungen. Der Temperaturbereich, in dem sich „P. aeruginosa“ vermehren kann, reicht von 9 bis 42 °C, weshalb der Stamm besonders für den Kaltwasserbereich relevant ist. Auch in Systemen mit bereits etablierten Biofilmen kann sich „P. aeruginosa“ trotz des dort herrschenden Konkurrenzkampfes einnisten [7].

Legionellen hingegen sind anspruchsvoller. Bei der Erstbesiedlung von Oberflächen haben Legionellen keine Relevanz, da sie sich bevorzugt in bereits existierende Biofilme einnisten. Hinzu kommt die Fähigkeit von Legionellen, sich in Amöben zu vermehren, die ein fester Bestandteil in wasserführenden Systemen mit etablierten Biofilmen sind und die sich von den im Biofilm lebenden Bakterien ernähren. Nehmen Amöben beim „Abgrasen“ des Biofilms Legionellen auf, können sie diese nicht verdauen. Die Legionellen vermehren sich stattdessen in der Amöbe weiter und ernähren sich von deren Stoffwechselprodukten.

Am Ende des Zyklus platzt beziehungsweise lysiert die Amöbe, und die so freigesetzten Legionellen haben für mehrere Tage eine gesteigerte Infektiosität. Legionellen vermehren sich in einem Temperaturbereich von 25 bis 55 °C. Sie bevorzugen vornehmlich Warmwassersysteme, können sich aber auch in Kaltwasserleitungen mit moderaten Temperaturen etablieren und aufwachsen [8].

Vieles hat sich verändert

Im Verlauf der letzten 50 Jahre hat die Trinkwasserverteilung in Gebäuden starke Veränderungen erfahren. So haben sich die Entnahmestellen vervielfacht und mit ihnen die Strecke des Leitungsnetzes. Hinzu kommt die standardisierte Bereitstellung von Warmwasser, wodurch sich die Größe des Verteilnetzes im Gebäude nochmals verdoppelt. Ebenfalls vielfältig gestaltet sich heutzutage die Material- und Produktsituation sowie die unterschiedlichen Ansätze der Leitungsführung [9].

Diese Entwicklung führt zu beeindruckenden Zahlenverhältnissen. Laut einer Studie aus Columbia, Missouri, macht die Gesamtlänge der Rohrleitungen in Gebäudeinstallationen heute im Schnitt 82 Prozent der Rohrlänge des gesamten Versorgungssystems aus. Außerdem befinden sich 24 Prozent der Rohrober­flächen des Gesamtversorgungssystems innerhalb von Ge­bäuden, wobei das Wasservolumen in Gebäudeinstallationen gerade mal 1,6 Prozent des Volumens eines Versorgungsnetzes ausmacht [11].

Doch nicht nur die Trinkwasserver­teilung in Gebäuden hat sich verändert. Auch der Endverbraucher erfährt einen Wandel, den Kistemann et al. [9] wie folgt zusammenfasst: „... Schließlich ist zu erwähnen, dass sich nicht nur die Nutzungen, sondern auch die Nutzer verändert haben. Der Anteil alter, pfle­gebedürftiger oder immungeschwächter Menschen im häuslichen Umfeld nimmt aufgrund der demographischen Alterungsentwicklung, des medizinischen Fortschritts und der Verlagerung der Pa­tientenpflege in das häusliche Umfeld ständig zu. Zusammengefasst bedeutet dies, dass moderne Trinkwasser-Installationen höchst komplexe Konstruktionen sind, die Wasser für unterschiedlichste Nutzungen bereitstellen, welches von Menschen genutzt wird, die in zunehmender Zahl eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber umweltbedingten Infektionen aufweisen.“

In der Sanitärbranche hat sich das Bewusstsein für die hygienische Situation der Trinkwasserverteilung in den letzten Jahren weiterentwickelt und zunehmend an Wichtigkeit gewonnen. Die Bedeutung des Faktors Hygiene wird unterstrichen durch eine umfangreiche Erhebung von deutschen Gesundheitsbehörden aus dem Zeitraum 2003 bis 2009, die zeigte, dass gesundheitsrelevante mikrobielle Kontaminationen in Trinkwasser-Installationssystemen durchaus Realität sind. So wurden die Resultate von rund 30.000 Wasserproben aus über 4.400 öffentlichen Gebäuden zusammengefasst.

In 13 Prozent der Proben wurde der technische Maßnahmewert für Legio­nellen (1.000 KBE/l) überschritten und in 3 Prozent der Proben wurden Pseudomonaden nachgewiesen [9]. Im Jahr 2013 analysierte das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen des Kantons St. Gallen 49 Wasserproben aus unterschiedlichen Hotels. Davon wurden 14 Proben in Bezug auf Legionellen beanstandet, was einem Anteil von 28 Prozent entspricht [12].

Immer wieder auftretende Problemfälle in Neubauten haben dazu geführt, dass auch die Erstbefüllung einer Trinkwasser-Installation sowie die Situation bis zur regelmäßigen Nutzung vermehrt in den Fokus gerückt sind. Genaue Zahlen zu Problemfällen, die durch eine mangelnde Erstbefüllung und Inbetrieb-nahme generiert wurden, existieren jedoch nicht, da solche Fälle meist nicht veröffentlicht werden. Des Weiteren fehlen repräsentative Daten zu Routinekontrollen vor der Übergabe von neuen Verteilsystemen. Fest steht aber, dass die Beseitigung eines mikrobiologischen Problems – wenn es überhaupt entdeckt wird – meist viel Zeit in Anspruch nimmt und hohe Kosten nach sich zieht. Im Extremfall ist die Stilllegung einer neuen Installation und der Austausch einzelner oder aller Komponenten unumgänglich [9, 13].

Die Prävention bietet in diesem Zusammenhang das größte Vermeidungspotenzial mit Bezug auf mikrobiologische Probleme. Sie umfasst das Einbringen neuer Erkenntnisse in den Ausbildungs- und Weiterbildungsbereich, die Verwendung zertifizierter Materialien, eine geordnete Planung sowie Organisation des Bauablaufes, die Erstbefüllung des Systems mit hygienisch einwandfreiem Wasser, die Regelung der Situation zwischen Erstbefüllung und Übergabe sowie ein optimales Systemmanagement während des Betriebs durch den Eigentümer [9].

Im Folgenden wird aufgezeigt, dass bereits effektive Lösungen im Rahmen der Erstbefüllung existieren. Diese sollten fester Bestandteil der Routineanwendung werden, um das Risiko einer mikrobiologischen Kontamination bei der Erstbefüllung ohne größeren Aufwand zu reduzieren.

Verringerung von Risiken durch Prävention

Sobald ein neues Rohrleitungssystem mit Wasser gefüllt wird, kommt es zur Erstbesiedelung der Rohrinnenoberflächen durch die im Trinkwasser lebenden Mikroorganismen. Die biologische Stabilität eines Trinkwassers in neuen Gebäudeverteilsystemen wird während der ersten Wochen bis Monate durch neue Leitungs- und Dichtungsmaterialien generell beeinträchtigt [14]. Kommen noch bauliche Verunreinigungen und lange Stagnationszeiten hinzu, führt dies zu einem zusätzlichen Nährstoffeintrag und in der Folge zu einem chaotischen und unkontrollierbaren mikrobiellen Aufwuchs (Abb. 2).

Werden für die Erstbefüllung des Verteilsystems verkeimte Gerätschaften wie zum Beispiel Schläuche und Pumpen oder nicht hygienisch einwandfreies Wasser verwendet, nehmen unerwünschte Mikroorganismen aus den Biofilmen der Gerätschaften oder dem verunreinigten Wasser am Besiedlungswettkampf im Neuverteilsystem teil (Abb. 1). Dies gilt auch für zertifizierte Schlauchprodukte und Gerätschaften, die mehrfach mit einwandfreiem Wasser verwendet und nicht nach jeder Verwendung ausreichend desinfiziert werden.

Um das Risiko einer mikrobiologischen Kontamination durch bauliche Verunreinigungen sowie verminderter Wasserqualität bei der Erstbefüllung zu reduzieren, wurde an der Eawag im Rahmen des KTI-Projektes „Materialien“ in Kontakt mit Trinkwasser die Effektivität von zwei möglichen Präventivmaßnahmen an zwei automatisierten Testsystemen untersucht.

Aufbau und Betrieb der Testsysteme

Der Aufbau der Testsysteme erfolgte durch die Projektpartner Geberit International AG und GF JRG AG. Jedes der beiden Testsysteme bestand aus drei identischen Blöcken, wobei sich jeder Block aus drei unterschiedlichen zerti­fizierten Kunststoffrohren zu je drei Rohrsträngen zusammensetzte. Alle Rohrstränge waren in 30 cm lange Segmente unterteilt und durch Kupplungen des jeweiligen Montagesets verbunden (Abb. 3). Die Segmentierung der Rohrstränge ermöglichte eine regelmäßige Beprobung der Biofilmphase. Für die Analyse der Wasserphase wurde zudem am unteren Ende jedes Rohrstranges ein Entnahmehahn aus Metall angebracht. Die Bau­gleichheit der Testsysteme ermöglichte den direkten Resultatevergleich von zwei Standorten und die Rückführung potenzieller Unterschiede auf die lokalen Trinkwasserbeziehungsweise Umgebungstemperaturen als mögliche Ursachen. Während die Umgebungstemperatur am Standort (A) bei konstanten 21 °C lag, schwankte sie am Standort (B) saisonal mit der Außentemperatur und betrug bei der Inbetriebnahme ca. 12 °C.

Um die Effizienz der gewählten Präventivmaßnahmen zu untersuchen, wurde eine Erstbefüllung mit kontaminiertem Wasser simuliert. Hierzu wurde eine definierte Menge nicht krankheits­erregender „Pseudomonas fluorescens“ (P17) zum natürlichen Trinkwasser des jeweiligen Standorts dazugegeben. Die Testsysteme wurden mit dem Einbau ­eines Systemtrenners am Testsystemeingang und einer UV-Desinfektionsanlage am Systemausgang abgesichert.

Während die Blöcke 1 und 3 ohne zusätzliche Maßnahmen mit dem künstlich kontaminierten Trinkwasser befüllt wurden, kam für Block 2 der Hygienefilter von Geberit zum Einsatz. Mit einer Porenweite von 0,15 μm werden alle Partikel und Bakterien aus dem Wasser filtriert. Zudem besitzt der Filter einen hohen Durchsatz, sodass er auch mehrfach und bei großen Füllmengen eingesetzt werden kann (Abb. 5).

Nach erfolgter Erst­befüllung durchliefen alle Blöcke eine 24-stündige Stagnationsphase. Im Anschluss folgte eine 30-minütige Desinfektion von Block 3 mit chloriertem Trinkwasser (Natriumhypochlorit, 5 mg/l freies Chlor), gefolgt von einer kräftigen Kaltwasserspülung aller drei Blöcke (Abb. 4).

Im Gegensatz zur Baustellensituation, bei der das Wasser in den Leitungen häufig für längere Zeiträume nach der Erstbefüllung stagniert und so eine Anfangskontamination noch verheerendere Konsequenzen haben kann, wurden die Testsysteme mit regelmäßigen Spül- und Stagnationszeiten während zweier Monate betrieben. Das Spülprogramm wurde von der DIN EN 15664-1 „Einfluss metallischer Werkstoffe auf Wasser für den menschlichen Gebrauch“ übernommen und leicht angepasst [15]. So erfolgten während 24 Stunden vier Spülungen im Abstand von 8, 10, 2 und 4 Stunden. Die Spülungen erfolgten blockweise für 90 Sekunden, was einem 6- bis 8-fachen Volumenaustausch entsprach. Während der zweimonatigen Laufzeit wurden die Testsysteme nach 9, 14, 28 und 42 Tagen beprobt. Nach einer 8-stündigen Stagnation wurde pro Rohrstrang jeweils eine Wasser­probe sowie ein Rohrsegment zur späteren Quantifizierung des Biofilms entnommen.

Resultatevergleich

In den Wasserproben (planktonische Phase) wurde mittels Durchflusszytometrie (DZ) die Totalzellzahl (TZZ) sowie mittels spezifischer Plattierung die Anzahl der koloniebildenden Einheiten (KBE) von „Pseudomonas spp.“ bestimmt. Der Biofilm in den Rohrsegmenten (sessile Phase) wurde mittels Ultraschallbehandlung im Labor abgelöst und anschließend mit den gleichen Methoden (DZ und spezifische Plattierung) analysiert.

Die durchflusszytometrische TZZ ist ein Summenparameter und gibt Aufschluss über das Ausmaß der Besiedlung. Die Resultate verdeutlichen, dass der Großteil der Mikroorganismen in der sessilen und nicht der planktonischen Phase zu finden sind. Des Weiteren zeigen die Zahlen, dass der Aufwuchs im Testsystem am Standort (A) größer war als am Standort (B). Dies ist wahrscheinlich auf die höheren und konstanteren Temperaturen am Standort (A) zurückzuführen, da das bakterielle Wachstum bei niedrigeren Temperaturen generell verlangsamt ist (Abb. 6).

Die spezifische Plattierung hingegen liefert Informationen zur Anbeziehungsweise Abwesenheit von kultivierbaren „Pseudomonas spp.“ und lässt somit eine Aussage über die Effektivität der Präventivmaßnahmen zu. Im Block 1, bei dem keine Präventivmaßnahme zur Anwendung kam, wurden in beiden Testsystemen erhöhte Werte von „Pseudomonas spp.“ nachgewiesen und dies über die gesamte Versuchsdauer hinweg. Das heißt, die künstliche Kontamination bei der Erstbefüllung hatte ohne Präventivmaßnahmen Konsequenzen für die gesamte Zeitdauer des nachfolgenden regelmäßigen Betriebs.

Im Block 2 beider Testsysteme zeigte sich hingegen ein positiver Effekt nach der Anwendung des Hygienefilters als Präventivmaßnahme. Hier konnte „Pseudomonas spp.“ nur noch in einzelnen Rohrsträngen nachgewiesen werden. Die Werte lagen zudem deutlich unter dem Detektionslimit und es ist unklar, ob die KBE tatsächlich von dem verwendeten Indikatororganismus oder der Biozönose des Trinkwassers abstammten.

Die präventive Desinfektionsspülung in Block 3 wirkte sich ebenfalls positiv auf eine übermäßige Einnistung des Indikatorstamms aus. An beiden Standorten war die Zahl der KBE von „Pseudomonas spp.“ niedriger als in Block 1 ohne Präventivmaßnahmen. Während „Pseudomonas spp.“ am Standort (B) nur noch vereinzelt und in sehr niedriger Zahl nachweisbar war, zeigte sich dieser Effekt nicht ganz so deutlich am Standort (A). Wie auch bei der TZZ, könnten die unterschiedlichen Temperaturen der Grund hierfür sein (Abb. 6).

Um die Reaktion der Mikrobiologie auf die eingesetzten Rohrmaterialien abzubilden, wurden alle Analyseresultate der beiden Testsysteme auf das jeweilige Material gemittelt. In Abbildung 7 wird deutlich, dass die TZZ der drei verwendeten Rohrprodukte einem klaren Trend folgten. So lieferte Material 1 das höchste Aufwuchspotenzial, gefolgt von Material 2 und Mate­rial 3. Dieselbe Reihenfolge konnte auch mit dem Materialtest „BioMig“ unter Laborbedingungen vo­rausgesagt werden, einem Methodenpaket, das zur Ermittlung des maximalen Einflusspotenzials von Materialien in Kontakt mit Wasser dient (Abb. 8) [16].

Auch die Werte zur Plattierung von „Pseudomonas spp.“ lieferten interessante Resultate mit Bezug auf die unterschiedlichen Materialien. So lagen die KBE-Werte für Material 1 am tiefsten, obwohl dieses Material die höchsten TZZ und somit das höchste Aufwuchspotenzial lieferte. Die Materialien 2 und 3 wiesen hingegen höhere KBE-Werte auf (Abb. 7). In vorangegangenen Labortests konnte gezeigt werden, dass unterschiedliche Bakterienarten gewisse Rohrmaterialien bzw. deren Migrationsstoffe bevorzugen [16].

Fazit: verbessern, aber nicht übertreiben

Die Resultatlage der Versuche an den Testsystemen verdeutlicht, dass das Potenzial einer Kontamination bei der Erstbefüllung von neuen Leitungssystemen real ist und weitreichende Konsequenzen für den späteren Betrieb haben kann. Trotz optimaler Spülzeiten im Anschluss an die 24-stün­dige Kurzstagnation nach Erstbefüllung setzten sich die Indikatororganismen ohne Präventivmaßnahmen im Block 1 der beiden Testsysteme über die gesamte Experimentdauer hinweg fest. Mit der Verwendung des Hygienefilters am Block 2 der Testsysteme konnte das Kontaminations­risiko deutlich minimiert werden.

Auch die 30-minütige Desinfektion am Block 3 zur Eliminierung von möglichen baulich bedingten mikrobiolo­gischen Kontaminationen hatte einen reduzierenden Einfluss auf die Ansiedlung der Indikatororganismen. Eine solche Desinfektionsspülung wurde bereits 2009 vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) für die Erstbefüllung von Verteilsystemen empfohlen [17]. In öffentlichen Neuinstallationen des Hauptverteilnetzes sind solche Desinfektionsspülungen fester Bestandteil des Bauablaufes und sollten es auch im Bereich der Gebäudeinstallationen werden.

In der Realität erfahren neue Verteilsysteme in Gebäuden meist noch erhebliche Stagnationszeiten von mehreren Wochen bis Monaten während und nach der Bauphase. Dadurch nimmt das Risiko eines unkontrollierten mikrobiologischen Aufwuchses zu. Die Folge ist ein möglicher Befall durch Legionellen, die bei einer Erstbefüllung normalerweise keine Rolle spielen.

Liegt erst einmal eine Kontamination durch problematische Mikroorganismen vor, können betroffene Systeme meist nur mit einem hohen Aufwand nachhaltig dekontaminiert werden [9, 13].

Lange Stagnationszeiten sollten verhindert werden, indem Neuinstallationen zunächst nur mit inerten Gasen auf ihre Dichtheit geprüft werden und die Festigkeitsprüfung mittels Wasser kurz vor der eigentlichen Inbetriebnahme der Installation erfolgt. Können längere Stagnationszeiten nach Anschluss an den Trinkwasseranschluss nicht vermieden werden, bieten sich wiederholte manuelle oder automatisierte Spülungen in kurzen Zeitintervallen an. Eine Spülung sollte mindestens alle sieben Tage erfolgen, optimal wäre eine Spülung alle drei Tage. Es empfiehlt sich, das regelmäßige Spülen einer Neuinstallation während der Bauphase bis zur Übergabe an den Eigen­tümer auch in den Planungsunterlagen aufzuführen.

Auch sollte einer möglichen Forderung nach mehr Routinemessungen im Bereich der Trinkwasserverteilung in Gebäuden nicht mit Argwohn entgegengetreten werden. In Deutschland werden in jedem Neubau bereits stichprobenartig mikrobiologische Kontrollen vor der Übergabe durchgeführt, aber nicht veröffentlicht. Zwar können solche Kontrollen die Risiken nicht direkt minimieren, sie könnten aber ein gewissenhafteres Vorgehen bei der Installation eines Verteilsystems fördern. Zudem können sich Planer, Installateure und Eigentümer basierend auf der mikrobiologischen Kontrolle im Rahmen der Übergabe besser absichern. Denn werden mikrobiologische Probleme erst nach der Übergabe aufgedeckt, ist es für alle Beteiligten oft schwierig bis unmöglich, herauszufinden, ob der Ursprung des Problems in der Bauphase oder an einem ungenügenden Routinebetrieb lag. Zusätzlich würden solche Datenerhebungen das Wissen im Bereich der Trinkwassermikrobiologie erweitern und Erkenntnisse liefern, die wiederum zur Optimierung genutzt werden könnten. Eine flächendeckende Kontrolle jeder Zapfstelle in einem Gebäude wäre aber nicht sinnvoll und für die Routinelabors nicht zu bewältigen.

Zudem sollte in diesem Zusammenhang die Entwicklung von neuen mikrobiologischen Analysemethoden sowie deren Akzeptanz kontinuierlich vorangetrieben werden. Die heutigen Analysemethoden beruhen auf Kultivierungsverfahren, die nur einen sehr kleinen Teil der Bakterien erfassen und zeitaufwendig sind. Gerade im Bereich der spezifischen Plattierung von Krankheitserregern können die Resultate je nach Lage drastische Maßnahmen zur Folge haben [8]. Verbesserte und schnellere Analysemethoden, wie zum Beispiel die Durchflusszytometrie oder molekularbiologische Methoden, können akkuratere Aussagen liefern, die Routinekontrollen erleichtern und mehr Sicherheit bieten. Mit dem Einsatz neuer Analyseverfahren müsste auch die Probennahme optimiert werden, was ebenfalls ein Forschungsschwerpunkt im aktuellen KTI-Projekt ist.

Empfehlung

Zusammenfassend würde sich eine optimale Inbetriebnahme aus Sicht der Autoren wie folgt gestalten:

• Dichtheitsprüfung mit inertem Gas (trocken),

• innerhalb von 48 Stunden: Erstbefüllung mit Hygienefilter einhergehend mit Festigkeitsprüfung (nass), Systemdesinfektion, direkter Anschluss an die Trinkwasserversorgung mit anschließender Kaltwasserspülung.

• Vermeidung längerer Stagnationszeiten bis zur Übergabe (Spülung alle 3 bis 7 Tage manuell oder automatisiert, festzulegen in den Planungsunterlagen),

• stichpunktartige Probennahme kurz vor Übergabe.

Die Diskussion zu möglichen Verbesserungen und Maßnahmen sollte sich aber in einem realistischen Bereich bewegen, sodass die Installationsarbeiten letztlich noch durchführbar sind. Wie in diesem Artikel aufgezeigt wurde, können mikrobiologische Kontaminations­risiken bereits mit einfachen Mitteln und einem überschaubaren Aufwand reduziert werden. Auch wenn auf einer realen Baustelle der Zeitdruck groß ist, viele Parteien involviert sind und es meist anders zu- und hergeht als geplant, sollte im Bereich der Trinkwasser-Installation auf eine sauber durchgeführte Erstbefüllung und Inbetriebnahme geachtet werden. Zeit und Kosten bei der Trinkwasserverteilung einzusparen, kann schnell zu einem Bumerang-Effekt führen.

Architekten, Planer, Installateure sowie der Eigentümer sind gemeinsam verantwortlich für den Bau und die Inbetriebnahme einer hygienisch einwandfreien Trinkwasserverteilung. Der Aufwand ist in jedem Fall gerechtfertigt, sodass unser wichtigstes Lebensmittel, das mit großer Sorgfalt aufbereitet und reingehalten wird, in der gleichen Qualität am Wasserhahn entnommen werden kann, wie es geliefert wird.

Literatur

[1] Hammes, F. et al. (2007): Flow-cytometric total bacterial cell counts as a descriptive microbiological parameter for drinking water treatment processes. Water Res., 42: 269-277

[2] Egli, T.; Kötzsch, S. (2015): Flow Cytometry for Rapid Microbiological Analysis of Drinking Water: From Science to practice – An Unfinished Story. Caister Academic Press, ISBN: 978 1910190 111

[3] Lautenschlager, K. et al. (2013): A microbiology-based multi-parametric approach towards assessing biological stability in drinking water distribution networks. Water Res., 47, 3015-3025

[4] Van der Kooij, D.; van der Wielen, P.W.J.J. (2014): Microbial Growth in Drinking-Water Supplies. IWA publishing, ISBN: 9781780400402

[5] Proctor, C. et al. (2016): Biofilms in shower hoses – choice of pipe material influences bacterial growth and communities. Environ. Sci.: Water Res. Technol., DOI: 10.1039/C6EW00016A

[6] Ashbolt, NJ. (2015): Microbial contamination of drinking water and human health from community water systems. Curr Environ Health Reports, 2: 95-106

[7] Wingender, J. et al. (2009): Mikrobiologischhygienische Aspekte des Vorkommens von Pseudomonas aeruginosa im Trinkwasser. WAT, Energie-Wasser-Praxis, 3: 60–66

[8] Wingender, J.; Flemming, H.C. (2011): Biofilms in drinking water and their role as reservoir for pathogens. Int. Journal of Hygiene and Environmental Health, 14: 417-423

[9] Kistemann, T. et al. (2012): Gebäudetechnik für Trinkwasser: Fachgerecht planen – Rechtssicher ausschreiben – Nachhaltig sanieren. Springer Vieweg, ISBN 978-3-642-29545-4

[10] Bundesamt für Gesundheit (2013): Legionellose (Legionärskrankheit). www.bag.admin.ch/themen/medizin/00682/00684/01084/

[11] Committee on Public Water Supply Distribution Systems: Assessing and Reducing Risks, Water Science and Technology Board, Division on Earth, Life Studies, National Research Council (2006): Drinking Water Distribution Systems: Assessing and Reducing Risks. National Academies Press, ISBN: 978-0-309-10306-0

[12] Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen St. Gallen (2013): Legionellen in Hotels können in Schach gehalten werden. Kaleidoskop, 38

[13] Meier, T.; Bendinger, B. (2015): Survival of pathogens in drinking water plumbing systems – impact factors and sanitation options. IWA Specialized Conference, Biofilms in drinking water systems – From treatment to tap. Arosa, Switzerland, p. 189-196

[14] Kötzsch, S.; Egli, T. (2013): Kunststoffe in Kontakt mit Trinkwasser: Labortests und Realität. Aqua & Gas, 3: 44-52

[15] DIN EN 15664-1 (2008): Einfluss metallischer Werkstoffe auf Wasser für den menschlichen Gebrauch – Dynamischer Prüfstandversuch für die Beurteilung der Abgabe von Metallen – Teil 1: Auslegung und Betrieb, Beuth Verlag

[16] Wen, G. et al. (2015): BioMig A Method to Evaluate the Potential Release of Compounds from and the Formation of Biofilms on Polymeric Materials in Contact with Drinking Water. Environ. Sci. Technol., 49: 11659-11669

[17] Bundesamt für Gesundheit (2009): Legionellen und Legionellose: Modul 12 Sanitäre Installationen. www.bag.admin.ch/themen/medizin/00682/00684/01084/

Mittwoch, 26.10.2016