Die Gefährdungsanalyse ist Pflicht. Das schreibt die Trinkwasserverordnung seit 2011 für alle Trinkwasser-Installationen vor, in denen der technische Maßnahmenwert für den Parameter Legionellen überschritten wird. Das Problem: die Teambildung der Gutachter aus den Reihen von Technikern und Medizinern sowie eine einstimmige und umfassende Risikobewertung.
Deshalb hat Boris Sarkoski in seiner Masterarbeit an der FH Münster eine Bewertungsmethode entwickelt, die für Fachleute transparent und aussagekräftig und für Laien trotzdem verständlich ist.
Gerade dieses Thema hat bei Betreibern von Trinkwasseranlagen eine hohe Brisanz. Denn steht eine Gefährdungsanalyse an, brauchen sie eine ordentliche Dokumentation der Mängel und wollen schnell auf einen Maßnahmenkatalog zugreifen können“, sagt Prof.Dr. Carsten Bäcker. Er hat die Masterarbeit am Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt der FH Münster betreut.
Sarkoski zur Theorie: „In fünf Stufen wird jeder einzelne Mangel der Anlage untersucht und pro Stufe nach einem Punktesystem bewertet. Daraus leitet sich ab, wie stark das gesamte System beeinflusst ist und wie hoch das Gesamtrisiko ist.“ In der Praxis sieht das so aus: In einer nichtbenutzten Dusche sind zwei Stagnationsstellen entstanden – eine direkt in der Dusch-leitung und eine in einem Kaltwasserverteiler. Bei beiden Stellen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie die Trinkwasserqualität beinträchtigen. Deshalb erhalten sie eine gleich hohe Punktebewertung. Im zweiten Schritt zeigt sich, dass die Stagnationsstelle im Kaltwasserverteiler zwar einen Einfluss auf die gesamte Kaltwasserinstallation hat, aber läuft das Wasser, kommt frisches Wasser dazu. So fällt die Kontamination an den Entnahmestellen eher gering aus – geringere Punktzahl. Bei der Dusche ist das anders. Zwar beeinflusst das stehende Wasser nicht die gesamte Installation, aber die duschende Person bekommt die volle Keimbelastung aus der Leitung ab – hohe Punktzahl. Auch der Zustand der Armaturen fließt in die Bewertung mit ein sowie die Art der gefundenen Keime.
„Es empfiehlt sich, das Gesamtrisiko in zwei Bewertungskategorien zu unterteilen. So bleibt eine differenzierte Bewertung gewährleistet, auch bei besonderen Bewertungsumständen, wie einem geschwächten Immunsystem von Patienten oder einem erhöhten Verletzungsrisiko“, erklärt Sarkoski. Deshalb analysiert seine Methode im ersten Schritt zunächst das allgemeine Risiko des Verbraucherkreises. In der zweiten Bewertungskategorie schätzt sie das Risiko der individuellen Gefährdung ab. Erst danach kommt es zur Gesamtbeurteilung. Visuell stellt sich das Ganze in einem anschaulichen dreidimensionalen Würfel dar. Auf der Y-Achse zeigt sich die technische sowie zeitliche Wahrscheinlichkeit für die Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität. Die X-Achse zeigt das Infektionsrisiko. Auf der Z-Achse ist das zu erwartende Ausmaß des Risikos abzulesen. „So können wir jeden Mangel besser individuell analysieren und bewerten. In Rücksprache mit den anderen Fachleuten entsteht dann ein Maßnahmenkatalog für die Betreiber, der die Mängel kategorisiert und der einfach abgearbeitet werden kann“, sagt der Zweitprüfer von Sarkoski, Ulrich Doll, vom Ingenieurbüro KaTplan in Münster. Hier arbeitet Sarkoski seit seinem Abschluss.
Das Gute an der Bewertungsmethode ist, dass sie auf jedes Objekt anwendbar ist – egal wie groß, egal wie speziell die Anforderungen an die Trinkwasseranlage sind. Das passt, denn erst Anfang Januar 2018 hat der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) eine aktuelle Richtlinie zur „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“ herausgegeben, die auf alle Trinkwasser-Installationen anwendbar sein soll. „Boris Sarkoski hat ein hervorragendes Bewertungstool aufgebaut. Denn es beurteilt die Mängel aus der Praxis heraus und stellt sie in einer übersichtlichen Tabelle differenziert dar. Andere gängige Verfahren sind viel zu theoretisch“, lobt Bäcker.
Link: Prof.Dr. Carsten Bäcker