Ursprünglich war das Treffen mit gut eineinhalb Dutzend Fachleuten aus allen Branchen unter Leitung eines neutralen Mediators (!) eher „übergeordnet“ angesetzt, sollte also mögliche Korrosionsproblematiken an Kupferrohren losgelöst von Einzelfällen betrachten. Aber, wie zu erwarten, es spitzte sich fast sofort aufs Konkrete, in diesem Fall: Dorsten-Holsterhausen, zu. Erstens, weil sich dann zwangsläufig handfester diskutieren lässt. Und zweitens, weil mit den Fachhandwerkern Uwe und Thomas Cirkel zwei der maßgeblich Betroffenen aus der Region mit am Tisch saßen. Stellvertretend im Übrigen für insgesamt rund 18 Fachhandwerksunternehmen aus der Region nördlich des Ruhrgebietes, die alle dasselbe Problem haben: Reihenweise weisen fünf, sechs Jahre alte, Kaltwasser führende Kupferrohr-Installationen Korrosion auf – und keiner hat eine Idee, was die Ursache sein könnte.
Über 300 Schadensfälle sind bekannt, sagen die einen. Über 500 sind es, sagen die anderen. Nichts Genaues weiß man nicht, denn zu einem Massenphänomen werden solche Vorgänge bekanntlich erst in der Rückschau. Dann kann man leicht fordern, dass jede Materialanalyse von Anfang an hätte dezidiert aufgenommen werden müssen. Ist sie aber nicht. Und selbst der ZVSHK und sein nordrhein-westfälischer Fachverband scheint zu mauern, wenn es um die Benennung der betroffenen Betriebe geht – sagen zumindest die Brüder Cirkel. Sie kennen 18, der Fachverband angeblich nur ein gutes Dutzend, die sich hilfesuchend an die Standesorganisation wandten. Woran es liegt, konnte ZVSHK-Referent Andreas Braun auch nicht sagen. Aber letztlich ist das auch zweitrangig. Viel wichtiger ist die Suche nach einer Ursache, denn mehrere der Fachhandwerksbetriebe stehen aufgrund sechsstelliger Schadensersatzforderungen mittlerweile wohl vor dem Konkurs.
Deklination möglicher Ursachen
DKI-Geschäftsführer Dr. Anton Klassert, der dem Gespräch ausgesprochen beruhigend sowohl die notwendige Struktur wie die nicht minder wichtigen Leitplanken gab, verwies schon eingangs auf die Fülle ungeklärter Fragen – und dieser Status sollte sich trotz des Experten-Panels auch nicht ändern.
Kann es am Werkstoff liegen?
Die Markteinführung der halbharten Rohre gehörte zwar zu den Vermutungen, ließ sich aber nicht verifizieren. Denn in der linken Doppelhaushälfte funktioniert die Trinkwasseranlage tadellos, in der rechten – vom selben Fachhandwerker mit denselben Materialien in der gleichen Arbeitsweise hergestellt – kommt es hingegen zur Korrosion. Auch nicht alle Kunden sind beispielsweise beim Handwerksunternehmen der Cirkels betroffen; „nur“ etwa 4 bis 5 Prozent.
Kann es am Wasser liegen?
Auffällig ist, dass sämtliche Fälle im Versorgungsgebiet eines bestimmten Wasserversorgers auftreten, der Rheinisch Westfälischen Wasserwerke mbH (RWW). Vergleichbar lediglich nochmal irgendwo auf Sylt, auch nur in einem Versorgungsbezirk. Und dass die Schadenshäufigkeit im Raum Dorsten augenscheinlich rückläufig ist, seit die Wasserwerke das „Lebensmittel Nr. 1“ phosphatieren. Was aber, sagen angeblich die Wasserwerke, nicht im Zusammenhang mit den Schadensfällen steht. „Angeblich“, weil die Info aus zweiter Hand kommt und bei der Diskussion in Bonn niemand vom RWW mit am Tisch saß. Aber, siehe oben, eigentlich sollte die Kupferrohr-Korrosion ja auch als Meta-Thema und nicht am Fallbeispiel Dorsten behandelt werden. Nun kam es jedoch anders – beim nächsten Experten-Panel werden Wasserwerker mit dabei sein, verspricht das DKI.
Dr. Torsten Richter von der Firma Kurita, einem internationalen Spezialisten für die Wasser- und Prozessbehandlung industrieller Anlagen und verantwortlich für die seit Herbst 2014 durchgeführte Phosphatierung im Versorgungsgebiet Holsterhausen, meinte dazu: „Unseres Wissens – und nach offizieller Verlautbarung des Wasserversorgers – wurde die Phosphatierung durchgeführt, weil es im Versorgungsgebiet Holsterhausen zu Trübungen gekommen ist.“ Generell finde man aber zum Beispiel auch in der TrinkwV oder anderswo absolute Aussagen über Korrosion im Zusammenhang mit solchen Behandlungen, sondern nur über Korrosionswahrscheinlichkeiten – grundsätzlich müssten verschiedene Bedingungen zusammenkommen.
Kann es an der Betriebsweise liegen?
Die spielt, zeigte der Austausch der Argumente, sicherlich mit hinein. Insbesondere der Faktor Stagnation, schätzen auch Uwe und Thomas Cirkel im Gespräch mit der Redaktion des SanitärJournals. Weil auffällig häufig Stichleitungen zu einzelnen Entnahmestellen betroffen sind, zum Beispiel in einem Gebäude der Diakonie in Gladbeck. Doch auch hier wieder ein „Aber“: Ein Einflussfaktor allein ist zu wenig, Korrosion hat in der Regel mehrere Ursachen, sagt nicht nur Dipl.-Ing. Martin Werner vom DKI. Bestätigt wird das durch das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer IFS. Es hat im Laufe der Jahre Tausende von Leitungswasserschäden an allen möglichen Materialien hinsichtlich ihrer Ursache untersucht. Das Ergebnis: Die Ursachen sind vielfältig; eine einfache, allgemeine Lösung zur Vermeidung von Leitungswasserschäden gibt es nicht und werde es in absehbarer Zeit nicht geben.
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Kann es an falscher Lagerung liegen?
Bisher hat es solche Fälle wohl noch nicht gegeben. Es stünde auch mit physikalischen Grundlagen im Widerspruch, denn Kupferrohre sind im physikalischen und chemischen Gleichgewicht mit ihrer Umgebung, so Dr. Klassert. Das beinhalte, dass sich natürlich bei plötzlichen Temperaturänderungen zum Beispiel Kondenswasser insbesondere auf der Außenseite bildet. Über eine dadurch bedingte Korrosion wurde aber nie berichtet. Korrosionsexperte Robertino Turkovic vom TZW Karlsruhe: „Uns ist eine solche Ursache für Korrosion überhaupt nicht bekannt und ich halte sie auch für ausgeschlossen.“
Kein Fazit
Die zentralen Stichworte wurden also abgearbeitet, im Rahmen des Experten-Panels, das sich jetzt in wenigen Wochen wieder treffen soll. Auch, weil es kein belastbares Ergebnis gab – also auch kein abschließendes Fazit an dieser Stelle. Stattdessen spitzt sich die Ursachenforschung auf die beiden Stichworte „multikausal“ und „Wasser“ zu. „Multikausal“ klang schon von allen Seiten mehrfach durch, für „Wasser“ lieferten die Chemiker und Werkstoffkundler unter den Diskutanten die Hauptargumente: „Wasserwerke dosieren natürlich auch, um ihr eigenes Netz zu schützen. Selbstverständlich haben Inhibitoren dabei Wirkungen auf die eingesetzten Werkstoffe wie Kupfer. Wenn ein Wasserversorger zum Beispiel die Behandlung durch Inhibitoren einstellt, kommt man wieder – zum Teil innerhalb kürzester Zeit – zum ursprünglichen Wasser mit allen seinen Problemen zurück“, hieß es unter anderem.
Also: Gut, dass wir darüber gesprochen haben – aber es muss weiter gehen. Geht es auch, im Spätherbst, hat das DKI zugesagt. Unbedingt, sagt nicht nur die Redaktion des SanitärJournals.
Denn erstens stehen im Moment die betroffenen Fachhandwerker erst vor Gericht und dann ganz gehörig im Regen: Wenn das Material nicht ursächlich ist und auch nicht das Wasser, dann sind es eben Installationsmängel. Was Zahltag für den verurteilten Handwerker bedeutet.
Zweitens steht, nicht zuletzt durch die unmissverständliche Empfehlung des SHK-Fachverbandes (in der Region generell auf Kupferinstallationen im Kontakt mit Trinkwasser zu verzichten), ein ebenso bewährter wie beliebter Werkstoff grundsätzlich zur Disposition.
Und drittens kann es nicht sein, dass Trinkwasser-Installationen so dem Wohl und Wehe der Versorger ausgeliefert sind, wie es in der Diskussion den Anschein hatte. Dr. Klassert: „Die Wasserwirtschaft postuliert, dass das Rohr zum Wasser passen muss. Dieser Satz ist mit Sicherheit richtig, insoweit es nicht angehen kann, dass Trinkwässer auf ganz besondere Anforderungen eines einzelnen, gegebenenfalls neu entwickelten Rohrwerkstoffes eingestellt werden müssten. Allerdings muss man dabei beachten, dass die Trinkwasserverordnung nur gesundheitliche Aspekte beachtet, nicht das Korrosionsverhalten von eingesetzten Werkstoffen.“
Hier liegt aber für die Werkstoffseite ein großes Problem vor. Denn während die Wasserwerke ihre Schutzmaßnahmen für ihr eigenes Rohrnetz wechselnden Wasserqualitäten anpassen können, sind die mit diesem Wasser belieferten Gebäudeeigentümer korrosionsverändernden Änderungen der Wasserbeschaffenheit ohne jegliche Handlungsoption ausgeliefert. „Hier muss dann umgekehrt genauso gelten“, resümiert Klassert, „dass das Wasser zum Gebäudebestand und damit mindestens zu den bereits eingebauten Hauptwerkstoffen passen muss. Nur so können der Verarbeiter und auch der Eigentümer langfristig vor Schäden geschützt werden.“
Ob die Wasserwerke das genau so sehen? Die kommenden Gespräche und Diskussionen werden auf jeden Fall spannend.