Die Branche hat Diskussionsstoff bekommen: Mit „Integraler Planung“ als Basis für funktionierende Haustechnik macht Viega derzeit ein „richtig großes Fass auf“. Über 3.000 Fachplaner haben die Symposien dazu besucht – bestes Indiz, wie drängend der Bedarf an qualifizierten Informationen zur umfassenden technischen Gebäudeauslegung ist.
Der Erfolg hat viele Väter. Das war schon immer so – auch, wenn es um die bestimmenden Meta-Themen der SHK-Branche geht. Zu denen gehört zweifellos der „Erhalt der Trinkwassergüte“. Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) gab vor eineinhalb Jahrzehnten den Impuls, die Hersteller sprangen – der eine früher, der andere später – auf die Steilvorlage an, und heute gibt es eine ganze Menge intelligenter Lösungen vom Eckventil als „Zapfhahn“ für die Beprobung bis zum hoch komplexen Wassermanagementsystem, das von A wie Austausch bis Z wie Zirkulation in die GLT integriert wird.
Vorangetrieben hatte dieses Thema wesentlich Systemhersteller Viega. Der jetzt, man muss die Lebenszyklen solcher Meta-Themen sehr genau kennen und beobachten, erneut ein fachlich ähnlich schwergewichtiges „Fass“ aufmacht: die Integrale Planung. Das „i“ ist hier schon groß geschrieben, weil es nicht um eine weitere Planungsfacette nach dem Shakespeare´schen Gusto „Wie es Euch gefällt“ geht. Sondern um eine qualifizierte Begriffspaarung, die in wenigen Jahren als Glaubensbekenntnis und Qualitätsausweis den Unterscheid zwischen erfolgreichem, GA-optimiertem Bauen (als Gebäudeautomation, nicht die „überholte“ GLT; s. auch Heidemann „Raumfunktionen“; S. 38ff) und nicht abgestimmtem, teil-automatisiertem Funktionen-Mix ausmachen wird.
Das aber kann und sollte, so die zentrale Botschaft der Viega-Symposien „Planen in 360°“ dazu, weder im Sinne des Bauherrn noch der Nutzer sein. Warum nicht, erläutern am besten auch an dieser Stelle die Referenten, die der Systemhersteller zu insgesamt mehr als einem Dutzend ausgebuchten Veranstaltungen bundesweit und in Österreich aufgeboten hatte. Allen voran Professor Achim Heidemann von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, den man zweifellos zu den geistigen Vätern der Integralen Planung zählen darf:
„Die Planungspraxis ist von stark gestiegenen Anforderungen an die Funktionalität vor allem in Zweckbauten geprägt. Mit der daraus resultierenden Komplexität der TGA aber ist das Tätigkeitsfeld und die Kompetenz der Architekten bei weitem überschritten.“ Die entscheidenden Fragen zum bestimmungsgemäßen Betrieb des Gebäudes müssten im Bauplanungsprozess dringend von anderen, von den TGA-Ingenieuren, gelöst werden: „Dazu gehört insbesondere, vor der eigentlichen Bauplanung eine Bedarfsplanung durchzuführen und gleich zu Beginn des anschließenden Planungsprozesses alle an dem Projekt Beteiligten möglichst frühzeitig an einen Tisch zu bekommen, um mit dem Bauherrn nicht nur die aktuell anstehende Nutzung zu erörtern, sondern über den Lebenszyklus des Gebäudes hinweg auch denkbare Nutzungsänderungen.“
Um eine integrale Planung zu realisieren, sei allerdings die Zusammenarbeit zwischen Architekten und TGA-Fachplanern neu zu definieren: „Die integrale Planung führt zwangsläufig zu Kompetenzüberschneidungen, die nur im offenen Gespräch aufgelöst werden können. Das setzt aber ein Grundvertrauen in der Zusammenarbeit voraus, in der allein das gemeinsame Ziel – die erfolgreiche Projektabwicklung – im Mittelpunkt steht.“
Der Rahmen war und ist damit also gesetzt. Und das ist auch gut so, denn wie es in der Praxis aussieht, konnten beispielsweise Professor Dr. Thomas Kistemann (Stichwort: Trinkwasserhygiene), Dipl.-Ing. Marc Stolbrink (Stichwort: Brandschutz) oder Professor Dr.-Ing. Klaus Heikrodt (Stichwort: Energieeinsparung / EnEV) den geneigt lauschenden Auditorien jeder aus seiner Sicht, aber jeder gleichermaßen plastisch und drastisch sehr lebensnah vor Augen führen.
Ihr gemeinsames „inhaltliches Dach“: Je größer und komplexer der Bau, desto häufiger hakt es. Dafür muss man noch nicht einmal den neuen Berliner Großflughafen BBR bemühen. Das schaffen die (fachlich hoch qualifizierten!) Einzelkämpfer schon allein vor Ort. Was übrigens jüngst nur ein paar Kilometer vom Viega-Stammsitz entfernt im westfälischen Hagen bestätigt wurde. Da konnte die neue Vorzeige-Einkaufsmeile am Eröffnungstag nicht eröffnet werden, weil´s beim Brandschutz klemmte… Die verantwortliche Firma soll im Übrigen ihre Expertise dafür bereits hinreichend unter Beweis gestellt haben, beim – richtig: Berliner Großflughafen. Aber das ist nur eine Petitesse am Rande. Denn hier geht es um die Viega Fachsymposien zur Integralen Planung. Und den damit ins Wasser geworfenen thematischen Stein, der jetzt seine Wellen schlägt: Es kann auf der Fachschiene keiner mehr sagen, er hätte es nicht (besser) gewusst, wenn im Schacht oder in der F90-Brandschutzwand kein Platz für normgerechte Rohrdämmung oder Schottung mehr ist – mit Integraler Planung wäre das nämlich nicht passiert! Insofern gebührt Viega die Anerkennung, den Finger erst auf eine schwärende Wunde der TGA-Planung gelegt und dann dazu passend zumindest schon mal ein Wundpulver präsentiert zu haben. Es mag auch (mit den von Schulungsleiter Dieter Hellekes vorgestellten, geprüften Brandschutzlösungen ohne geforderten Mindestabstand, werkstoffunabhängig für Rohrleitungen) eine erste Medikation gewesen sein – zumindest für eines der Krankheitsbilder.
Viel wichtiger aber ist: Die Symposien haben eine Diskussion angestoßen. Sie haben deutlich gemacht, dass im Bunde ein „weiter so wie bisher“ möglicherweise Kanzlerinnen-typisch sein mag. In der TGA-Planung von Morgen aber ist das nicht mehr zielführend. Dafür nehmen die Anforderungen an die Gebäude im Allgemeinen und an ihre Funktionalitäten im Besonderen viel zu schnell zu. Gleichzeitig werden die Nutzer anspruchsvoller. Sie sind informiert, sie wissen, was möglich ist (oder glauben das zumindest), und wort- und juristenreich sind sie gerne bereit, dafür einzutreten – und Schadensersatz einzufordern, wenn das Trinkwasser wegen Stagnation verkeimt, der fehlerhafte Brandschutz die Eröffnung der Einkaufsgalerie verzögert oder die thermische Behaglichkeit im Bürohaus sommertags nur dem Niveau eines 70er- Jahre Iglus irgendwo am Rande einer Eisscholle vor Grönland entspricht.
Insofern darf man gespannt sein, wie das neue Meta-Thema von der Branche jetzt mit Leben gefüllt wird… Wer darauf nicht warten will, kann die wesentlichen Inhalte der Viega Symposien im Übrigen auch nachlesen. So ganz klassisch im dickleibigen A4 plus-Buch.
Das ist vom VDI herausgegeben worden und heißt verkürzt „Integrale Planung der Gebäudetechnik“. Das zweite Fachbuch, das man in diesem Kontext kennen sollte, ist das bereits zitierte Werk „Raumfunktionen – ganzheitliche Konzeption und Integrationsplanung zeitgemäßer Gebäude“, verfasst von Achim Heidemann und Peer Schmidt, erschienen im TGA Verlag.