Wenn keiner mit Nichts so rein gar nichts zu tun hat, dann reden wir entweder über Politik. Oder über Lochfraß in Kupferrohren. Der Eindruck drängt sich einfach auf, denn seit fast drei Jahren „treiben wir diese Sau durchs Dorf“ – und die Schäden bleiben, Ursachen finden sich angeblich oder tatsächlich keine, und die Fachhandwerker als Betroffene mit der Hand am Presswerkzeug leiden weiter und müssen zahlen.
Die unendliche Geschichte begann für die breite Öffentlichkeit eigentlich mit den Vorfällen in Dorsten. Schon im August 2015 berichtete das SanitärJournal darüber: „Aus bisher nicht bekannten Gründen kommt es zu Kupferrohrleitungsschäden in den Kaltwasserleitungen von Neubaumaßnahmen. Diese Objekte befinden sich ausschließlich im Wasserversorgungsgebiet der RWW, Mülheim/Ruhr, und werden vom Wasserwerk Dorsten-Holsterhausen mit Trinkwasser versorgt“, schrieb damals die Firma H. Grefer GmbH, Dorsten, an die Redaktion. Weiter hieß es: „Überwiegend sind Neubauten ab dem Jahr 2005 von diesen Schäden betroffen. Mittlerweile sind über 500 Rohrleitungsschäden aufgetreten, die alleine uns bekannt sind. Die Schäden treten nicht direkt nach der Installation auf, sondern erst nach zwei bis vier Jahren. Da sie nicht sofort entdeckt werden, weil die Rohrleitungen in den Wänden und in den Fußbodenaufbauten liegen, kann über einen längeren Zeitraum Wasser austreten…“ und der Schaden oftmals einen sechsstelligen Euro-Bereich betragen.
Der Fachverband SHK NRW gab deswegen schon im Juli 2014 für dieses Versorgungsgebiet die Empfehlung heraus, kein Kupferrohr mehr in Trinkwasserleitungen einzubauen. Mittlerweile, fast vier Jahre später, gibt es die Probleme immer noch, genauso wie weitere Einschränkungen für die Verwendung von Kupfer, beispielsweise im Düsseldorfer Versorgungsgebiet. Dort wurden Inhibitoren massiv zurückgefahren, der Versorger sprach sich gegen den Einsatz von Kupferrohren in Neubauten aus, und – vorsorglich – ergänzte das Deutsche Kupfer-Institut Ende 2016: „In der Regel ist der Verzicht auf Inhibitoren für Kupferwerkstoffe zwar ohne Bedeutung.“
Allerdings zeige die Erfahrung, dass es aufgrund der komplexen Wasserchemie, insbesondere beim Gehalt an organisch gebundenem Kohlenstoff (TOC), seltene Ausnahmen gäbe, die für die Deckschichtbildung auch in Kupferrohren relevant sind. Eines dieser seltenen Wasserversorgungsgebiete sei Düsseldorf/Mettmann-Stadt. Von daher ergäben sich laut Kupferinstitut ab sofort folgende Empfehlungen für Arbeiten an Trinkwasser-Installationen: Bei Neuinstallationen und bei der Komplettsanierung im Bestand ist auf die Verwendung von blankem Kupferrohr zu verzichten und stattdessen auf alternative Lösungen, beispielsweise innenverzinnte Kupferrohre, zurückzugreifen. Bei Teilsanierungen / Reparaturen im Bestand könne auch weiterhin mit blanken Kupferrohren gearbeitet werden.
Schau‘n wir nach Nienburg!
Dass die Trinkwasserqualität also für die Schäden an den Kupferrohrleitungen ursächlich sein könnte, der Gedanke liegt also nahe. So ist es aber nicht, widersprach der DVGW. Der hatte bekanntlich eine Untersuchung in Auftrag gegeben, bei Dr. Angelika Becker, Bereichsleiterin Wassernetze beim IWW Zentrum Wasser aus Mülheim an der Ruhr. Die Gesellschafter des IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung gemeinnützige GmbH sind Wasserversorgungsunternehmen und Verbände aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen… Das Ergebnis dieser Studie: Das Wasser ist für die Schäden nicht ursächlich! Stattdessen könnten es Probleme mit der Oxidschicht im Rohrinnern sein, weil die während des Fertigungsprozesses möglicherweise aufreiße und dem Lochfraß kleinste Angriffsflächen böte.
Man hört es wohl, und fühlt sich erinnert an einen Prozess, der schon seit Jahren, seit 1996 in Nienburg an der Weser schwelt. Da gibt es – richtig! – ebensolche Probleme mit Trinkwasser und Kupferrohren wie in Holsterhausen. Und da gibt es – wieder richtig! – auch solche Antworten vom Wasserversorger, wie die mittlerweile gegründete Bürgerinitiative beklagt: „Die Bürgerinitiative ist fest davon überzeugt, dass die Schadensquote im Bereich des Wasserwerks Drakenburg besonders signifikant ist und wahrscheinlich bei nahezu 50 Prozent aller Hausanschlüsse liegen dürfte. Da eine sachgerechte Darstellung der Situation diesen möglicherweise herausragenden Sonderfall hätte offensichtlich werden lassen, verweigert der Verband aus Furcht vor den Konsequenzen sowohl eine Vollbefragung als auch eine wahrheitsgemäße Darstellung der aktuellen Situation.“
Zur Erinnerung: Die massive Kritik an der Studie des IWW entzündete sich ebenfalls unter anderem an der Qualität der Datenbasis und der Signifikanz der Werte. Dr. Becker sprach als Wissenschaftlerin daher auch immer wieder von „Erklärungsmodellen“ und unterstrich, wie wichtig zur Aufklärung des Phänomens Lochfraß in Kupferrohren weitere Untersuchungen wären. In der publizierten DVGW-Tonalität aber war das Ergebnis eindeutig: Das Wasser hat garantiert nichts mit Irgendetwas zu tun.
Handwerker enttäuscht
Fakt ist: Genaues weiß man tatsächlich (noch) nicht oder möchte seitens der Wasserwirtschaft diese Untersuchungsergebnisse nicht veröffentlichen – und die Fachhandwerker stehen weiter im Regen bzw. sprudelnden Trinkwasser aus dem lochgefressenen Kupferrohr, wie uns Inga Jansen von der H. Grefer GmbH aus Dorsten unter anderem schrieb:
„Wir, als Leidtragender der Kupferrohrschäden, sind sehr enttäuscht von der RWW… Wir können immer noch bestätigen, dass nur in dem RWW-Dorsten-Holsterhausen Wasser-Gebiet Schäden auftreten. Wir arbeiten zum selben Anteil auch im Gelsenwasser-Gebiet und hatten dort noch keinen einzigen Schaden.“
Uns kommt es so vor, dass die RWW von ihrem Gebiet ablenken will. Wenn man sich die Fragestellungen der IWW, Frau Dr. Becker (Tochtergesellschaft RWW), ansieht, dann macht es einen sprachlos. Hier wird gefragt, Frage 9, Umfrage DVGW, "Liegt der Zeitpunkt der Schadenhäufigkeit vor 2000 oder nach 2000?". Somit ist das "Management Summary" wertlos. Durch diese Frage werden natürlich alle Alt-Installationen mit einbezogen. Das heißt, dass 30 bis 40 Jahre alte Kupferrohre, die nach 2000 undicht werden, mit in diese Studie einbezogen werden.
Der Fall RWW-Holsterhausen beginnt aber erst ab Objekterstellung ca. 2005, und die Schäden traten dann ab 2008 bis heute ein. Eine solche Fragestellung ist eine Verallgemeinerung der Schäden in ganz Deutschland.“
Im Prinzip stößt Inga Jansen also hier in das gleiche Horn wie Professor Dr. Metje für die Bürgerinitiative aus Nienburg und damit für die dort geschädigten Bürger: „Die Bürgerinitiative hat erhebliche Veranlassung zu der Annahme, dass der betroffene Wasserverband 'An der Führse' die tatsächlichen Daten und Fakten bei den bundesweiten Erhebungen geschönt haben könnte und damit seinen Verantwortungsbereich statistisch unauffällig darzustellen versucht hat. Dafür spricht unter anderem die Tatsache, dass die Betroffenen trotz ausdrücklich gegenteiliger Vereinbarung nicht an der Beantwortung der Fragebögen beteiligt wurden und eine angeforderte Kopie angeblich nicht verfügbar ist.“ Der Hintergrund: Schon Ende 2013 hatten Installateure anlässlich einer Fachsitzung die Schadensrate bei den 4.800 Kunden in dem Versorgungsgebiet auf 20 bis 30 Prozent geschätzt; schon damals wurde über Schadenssummen im mittleren Millionenbereich gesprochen…
Der Wasserversorger in der fraglichen Region reagiert auf die Hartnäckigkeit der Bür-gerinitiative im Übrigen mittlerweile unleidig, wie die örtliche Tageszeitung „Die Harke“ schreibt: „Allerdings ist der Wasserverband – Geschäftsführung wie Vorstand – mit seiner Geduld langsam am Ende“, heißt es da. Die Begründung wird ein paar Zeilen weiter als Verbandszitat nachgeliefert: „Wir müssen lediglich die einwandfreie Qualität unseres Wassers gemäß der Trinkwasserverordnung sicherstellen. Und dass wir das tun, ist unstrittig.“
Wie bereits in der Diskussion um die Vorfälle in Dorsten-Holsterhausen bleibt also die Kernfrage unbeantwortet: Muss das Wasser zu den seit Jahrzehnten eingesetzten Werkstoffen in den Trinkwasser-Anlagen passen – oder sollten die vielleicht sogar fröhlich-sonnig immer mal wieder umgebaut werden, falls es irgendwo mal wieder wegen Lochfraß (oder was auch immer alternativ bei Mehrschichtverbundrohren oder PB-Rohren vorstellbar ist) rieselt und regnet im häuslichen Rohrgewirr?
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Was ist mit HÜV des ZVSHK?
Eine aus Handwerkssicht schwierige Problematik ergibt sich vor diesem völlig ungeklärten Ursachen-Hintergrund aus der Haftungsübernahmevereinbarung (HÜV), die der ZVSHK mit vielen Herstellern geschlossen hat und dies auch gerne als Sicherheitsleistungsmerkmal herausstellt: „Für Mitgliedsbetriebe der SHK-Berufsorganisation bringt dies im Schadensfall Vorteile. Zur Erinnerung: Die HÜV ist ein Vertrag zwischen einem Hersteller (Gewährleistungspartner) und dem ZVSHK zugunsten der SHK-Mitgliedsbetriebe. Sofern das Produkt des Herstellers beim Auftraggeber (Bauherrn) einen Mangelfall auslöst, hat der Fachbetrieb neben den gesetzlichen Ansprüchen gegenüber seinem Lieferanten einen eigenen Ersatzanspruch gegen den Hersteller. Der werkvertragliche Mängelanspruch des Auftraggebers ist aber nur dann gegeben, wenn das Material/Gerät/die Anlage zum Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme bereits mit einem Mangel behaftet war.
Es wird in einem Streitfall also darum gehen, ob ein Produktfehler vorliegt – und gerade nicht eine fehlerhafte Montage oder eine Nutzung des Baumaterials den Defekt ausgelöst oder mitbewirkt hat. Hat ein Fachbetrieb Probleme bei der Abwicklung eines solchen Schadensfalles, kann er die Hilfe seines zuständigen Landesinnungs-/Landesfachverbandes in Anspruch nehmen.
Bei der HÜV ersetzt der Gewährleistungspartner über die gesetzlichen Ansprüche hinaus auch zusätzliche begründete Nacherfüllungskosten, wie zum Beispiel die Aus- und Einbaukosten, Kosten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, und/oder weitere begründete Kosten im Falle von Selbstvornahme des Auftraggebers, Minderung oder Schadensersatz.“
In den vorliegenden Fällen, konkret: Dorsten-Holsterhausen, sehen sich Rohrhersteller aber nicht in dieser Pflicht. Denn: Ein paar Straßenzüge weiter sind dieselben Kupferrohr-Installationen, die von demselben Fachhandwerker mit demselben Material in identischer Weise ausgeführt wurden, ja nach wie vor ohne Mängel in Betrieb. Inga Jansen beispielsweise mag diese Argumentation aber verständlicherweise nicht mittragen, da „einige Gutachten die Problematik am Kupferrohr in Verbindung mit dem Wasser sehen. Somit ist die hochgelobte Gewährleistungsvereinbarung wertlos.“ Vom Kupferrohrhersteller wiederum wird auf Untersuchungen durch das EURO-Labor verwiesen „mit dem Ergebnis, dass der Werkstoff und die Fertigung der Rohre nicht zu den aufgetretenen Korrosionen geführt haben können. Somit geht es ersichtlich nicht um die Gewährleistung bezüglich der von uns hergestellten Kupferrohre.“ Der ZVSHK hat übrigens trotz mehrfacher Nachfragen der Redaktion – auch nach über vier Monaten – zu dem Thema „Kupferrohr-Einschränkung in bestimmten Versorgungsgebieten?“ noch keine Position bezogen. Der Pressesprecher vermeldete lediglich kurz: „Stand bis heute: das Handwerk äußert sich nicht!“
Offenes Ende
Wie es weiter geht? Zweifellos vor Gericht. Betroffene Handwerker klagen, denn der Schadensersatz – wie in Holsterhausen zur Rede stehend – würde sie vermutlich ruinieren. Beim OLG, dem Oberlandesgericht als nächster Instanz, ist man nach dem Landgericht Essen bereits angekommen. Aber vor Gericht und auf hoher See sind die Menschen bekanntermaßen alle in Gottes Hand – und wie weit es da um das Wissen um Rohrwasser-Qualitäten, um Trinkwasser-Verschnitte beim Versorger und sicherlich auch um Installationsprozesse und deren Wechselwirkungen besteht, mag man nicht beurteilen.