Was passiert, wenn im Bad Wasser unter den Fliesenboden dringt? Und wie lässt sich dieses Wasser wieder abführen?
Was passiert, wenn im Bad Wasser unter den Fliesenboden dringt? Und wie lässt sich dieses Wasser wieder abführen?
Das Österreichische Forschungsinstitut OFI hat diese Fragen in einer wissenschaftlichen Arbeit untersucht und beantwortet. Soviel vorweg: Sickerwasseröffnungen in der Duschrinne oder im Punktablauf sind kein Lösungsansatz – eher im Gegenteil.
Sekundärentwässerungen sind sinnvoll, wenn es unterhalb des Bodenbelags wasserführende Schichten gibt. Dies trifft bei einigen Bodenaufbauten im Außenbereich durchaus zu. Dort schützt die Sekundärentwässerung die Bausubstanz vor Frostschäden durch aufgestautes Wasser. Ganz anders verhält sich das bei bodenebenen Duschen im privaten oder öffentlichen Bereich, denn die Bodenaufbauten sehen hier ganz anders aus: Auf den Estrich wird zunächst eine flüssige Verbundabdichtung aufgetragen. Nach dem Aushärten werden die Fliesen im Dünnbettverfahren weitgehend hohlraumfrei aufgeklebt. Die hierfür angebotenen Fliesenkleber werden dabei auf den Untergrund mit einem Zahnspachtel aufgetragen oder zusätzlich noch im rechten Winkel zum Untergrund auf die Fliesenunterseiten (Buttering-and-Floating-Verfahren).
Für das Verschließen der Fugen bietet der Markt eine Vielfalt verschiedener Produkte. Je nach zu erwartender Belastung durch Wasser oder eventuell sogar Chemikalien kommen gemäß DIN EN 13888 zementhaltige Fugenmörtel (CG) oder Reaktionsharz-Fugenmörtel (RG) zum Einsatz. Fachverbände und Hersteller sprechen Empfehlungen zur Wahl des Fugenmaterials aus.
Dringen in einen solchen Fliesenboden nennenswerte Mengen an Wasser ein, dann immer als Folge einer Beschädigung der Fliesen oder des Fugenmaterials. Die Verbundabdichtung dient als zweite Barriere, um größere Schäden an der Bausubstanz zu vermeiden. Um eventuell eingedrungenes Wasser abzuführen, werden gelegentlich Öffnungen als sogenannte Sekundärentwässerungen an Duschrinnen und Abläufen empfohlen. Hierzu gehen aber die Ansichten von Herstellern immer noch auseinander. Ob solche Öffnungen tatsächlich in der Lage sind, die gewünschte Entwässerungsfunktion zu erfüllen, untersuchte deshalb das Österreichische Forschungsinstituts in Wien (OFI Technologie & Innovation GmbH, www.ofi.at) im Jahr 2014 im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojekts.
Auftraggeber war der Haustechnikspezialist Tece. Das Unternehmen aus dem Münsterland setzt bei seinen Produkten zur Entwässerung bodenebener Duschen auf geschlossene Ablaufrinnen ohne Sickerwasseröffnungen.
In einer ersten Versuchsreihe untersuchte das OFI die Ausbreitung von Wasser, das über schadhafte Fugen unter die Fliesen dringt. Um das Verhalten von Sickerwasser zu visualisieren, hat das Institut Glasfliesen (15 x 15 cm) im Dünnbettverfahren auf einer XPS-Platte (extrudierter Polystyrol-Hartschaum) verlegt. Bei einem Prüfkörper wurden die Fliesen mit einem einfachen Auftrag von Fliesenkleber auf den Untergrund mit dem Zahnspachtel verlegt, bei einem zweiten Prüfkörper nach dem Buttering-and-Floating-Verfahren.
In der Mitte der Grundplatte blieb eine Kreuzfuge offen, so dass Wasser ungehindert in das Fliesenbett eindringen konnte (Bild 1). Auf die nicht verfugte Stelle wurde ein Rohrstück mit Silikon aufgeklebt, so dass über dieser fehlerhaften Stelle Wasser in einer definierten Höhe (25 mm) aufgestaut werden konnte. Die Platten wurden während des 72 Stunden dauernden Versuchs mit drei Prozent Gefälle aufgestellt. So ließ sich gleichzeitig prüfen, ob das Wasser entlang des Gefälles unterhalb der Fliesen abfließt. Die eingedrungene Wassermenge wurde durch Wiegen der Prüfkörper bestimmt.
Bild 2 zeigt den Prüfkörper, bei dem die Fliesen nach dem einfachen Verfahren aufgeklebt wurden. Die verschiedenfarbigen Linien, die der Versuchsleiter mit Filzmarkern auf die Fliesenoberfläche aufgetragen hat, zeigen das Vordringen des Wassers während der Bewässerung (bis 16.5.) und der Trocknung (bis 26.5.). Die Ausbreitung der Feuchtigkeit unterhalb der Fliesen erfolgte in alle Richtungen – etwas mehr in Richtung der vom Zahnspachtel hinterlassenen Hohlräume. Eine definierte Strömung in Richtung des Gefälles lässt sich in das Bild kaum hineininterpretieren.
Die Gewichtsangaben auf dem Prüfkörper zeigen, dass dieser während der Bewässerung 42 ml Wasser aufgenommen hat. In den nächsten zehn Tagen sind davon 20 ml wieder verdunstet.
Bild 3 zeigt den gleichen Versuch mit dem Prüfkörper, bei dem die Fliesen nach dem But-tering-and-Floating-Verfahren aufgebracht wurden. Die Durchfeuchtung fand hier sogar vermehrt gegen das Gefälle statt. In der Bewässerungsphase drangen 42 ml Wasser in das Fliesenbett ein, von denen zehn Tage nach Versuchsende 26 ml wieder verdunsteten.
Beide Versuche zeigen, dass ein Ablaufen des in das Fliesenbett eingedrungenen Wassers entlang des Gefälles nicht stattfindet. Das Wasser ließ sich noch nicht einmal durch lotrechtes Aufstellen nach der Bewässerungsphase zu einem Abfließen nach unten bewegen, wie das OFI in seinem Versuchsbericht schreibt. Es lässt sich also feststellen, dass beim Eindringen von Wasser in das Fliesenbett offensichtlich fast ausschließlich Kapillarkräfte eine Rolle spielen. Im jeweils zweiten Versuchsabschnitt verlässt das eingedrungene Wasser wieder das Fliesenbett über Verdunstungs- und Diffusionsvorgänge – und das erfordert, wie die Versuche ebenfalls zeigen, viel Zeit.
Bei einem weiteren Versuch untersuchte das OFI, was an den sogenannten Sickerwasseröffnungen einer Duschrinne vor sich geht. Dabei wurde geklärt, ob und wie aufgestautes Duschwasser über diese Öffnungen unter die Fliesen geraten kann und ob eventuell eingedrungenes Wasser wieder abgeführt wird. Hierzu hat das Institut einen weiteren Prüfkörper mit Glasfliesen und einer Duschrinne hergestellt (Bild 4). Eingebaut wurde eine Duschrinne ohne Aufkantung. Wird die Fuge zwischen Rinnenkörper und Fliesenboden nicht mit Silikon verschlossen, so entsteht bei dieser Art von Duschrinnen automatisch eine umlaufende, kapillar-offene Mörtelkante. Diese wird von einigen Bauexperten zur Ableitung von Sickerwasser gefordert. Um es einer eventuellen Durchfeuchtung unter den Fliesen etwas schwieriger zu machen, wurde diese Fuge komplett mit dem Fliesenkleber verschlossen, was in der Praxis oft auch als diffusionsoffene Verfüllung bezeichnet wird.
Zusätzlich wurden in den Prüfkörper Feuchtesensoren in unterschiedlichen Abständen zur Duschrinne installiert. Diese messen in der Schicht des Dünnbettmörtels unterhalb der Fliesen den elektrischen Widerstand. Dieses Prinzip kommt auch bei der Holzfeuchtemessung zur Anwendung. Die Angabe der Messergebnisse erfolgt in Prozent WME (Wood Moisture Equivalent).
Der Versuch begann am 13. Mai – Datumsangaben erscheinen auf den Messschrieben – mit dem Verschließen des Ablaufs und dem Fluten der Duschrinne bis zur Fliesenoberkante (Bild 5). Das in die Sickerwasseröffnung eingedrungene und verdunstete Wasser wurde regelmäßig durch Zugaben ausgeglichen, so dass der Rinnenkörper stets gefüllt war. Der hohe Wasserstand entspricht dabei den Bedingungen in der Praxis, wo sich das Wasser ebenfalls aufstaut. Das erzeugt den statischen Druck, der die erforderliche Abflussleistung über den Siphon gewährleistet.
Am 19. Mai wurde das Wasser aus der Duschrinne abgelassen. Um die Einbau-situation möglichst wirklichkeitsnah zu simulieren, blieb der Siphon unterhalb der Rinne gefüllt. Zudem wurde die Rinne mit einem Rost abgedeckt, der mit Glasfliesen belegt wurde. Zwei weitere Sensoren zeichneten die relative Feuchtigkeit innerhalb der Duschrinne und im Labor auf.
Wie zu erwarten, fand bis zum Ende des ersten Versuchsabschnitts eine großflächige und kräftige Durchnässung des Fliesenbetts durch kapillare Effekte statt (Bild 6). Wichtiger im Zusammenhang mit der Fragestellung des Forschungsprojekts ist aber der Trocknungs- beziehungsweise Entwässerungsprozess. Hier sollten neben der visuellen Beobachtung des Trocknungsvorgangs vor allem die Feuchtesensoren im Mörtelbett Auskunft geben: Im Gegensatz zur schnellen Durchfeuchtung während des simulierten Duschvorgangs erfolgte die Trocknung sehr langsam. Bild 7 zeigt den Prüfkörper nach 15 Tagen Trocknungsprozess. Vor allem in der Mitte unter den Fliesen sind feuchte Stellen noch deutlich erkennbar. Hier sind auch die Wege bis zur umgebenden Raumluft besonders lang und die Diffusionswiderstände entsprechend hoch.
Bild 8 zeigt die gemessenen Feuchteäquivalente zu Beginn des Versuchs, in Zeitschritten von etwa fünf Minuten für Sensor 1, der einen Abstand von 4,1 cm zur Rinne hat. Die Flutung der Duschrinne beginnt bei der blauen, gestrichelten Linie. Schon nach zehn Minuten erreichen die Messwerte die maximale Sättigung, also innerhalb einer Zeit, die für einen Duschvorgang üblich ist. Das Bild 9 zeigt die Feuchtewerte von Sensor 1 beim Ablassen des Wassers aus der Duschrinne, dargestellt durch die rot-gestrichelte Linie. Die Messwerte zeigen einen sehr langsamen Trocknungsvorgang: Innerhalb von dreieinhalb Tagen war eine kaum nennenswerte Abtrocknung in Form einer Tendenz der Messwerte zu verzeichnen. Die anderen Sensoren zeigten qualitativ ähnliche Verläufe. Mit steigendem Abstand zur Duschrinne waren lediglich zeitliche Verzögerungen bei der Durchfeuchtung nach der Flutung zu verzeichnen.
Der Versuch zeigt, dass der Kapillareffekt beim Duschen über die Sekundärentwässerung Abwasser aus der Duschrinne unter die Fliesen befördert. Eine Trocknung findet nur äußerst langsam statt. Von Entwässerung im Sinne einer Strömung bzw. frei abfließenden Wassers unterhalb der Fliesen kann keine Rede sein. Das OFI hat den Trocknungsvorgang nach 31 Tagen abgebrochen, während die Feuchtewerte immer noch nicht ganz die Ausgangpunkte erreichten. Für den täglichen Betrieb im Bad, bei dem die Dusche oft mehrmals täglich genutzt wird, heißt das, dass der Bereich unter den Fliesen praktisch nie mehr austrocknet. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sich unter den Fliesen durch eingesaugten Schmutz, Seifenreste und Hautschuppen ein ideales Klima für Mikroorganismen bildet. Geruchs- und Hygieneprobleme sind dann nur noch eine Frage der Zeit.
Die Versuche am OFI zeigen, dass Sickerwasseröffnungen oder Sickerwasserfugen bei Fliesen- oder Natursteinböden nach dem Dünnbettverfahren kontraproduktiv sind. Der Kapillareffekt verkehrt die gewünschte Entwässerungsfunktion der Sickerwasseröffnungen in ihr Gegenteil: Abwasser steigt unter die Fliesen und kann dort Hygieneprobleme verursachen. Die Trocknung ist langwierig, da hier Diffusionseffekte die wichtigste Rolle spielen. Auf den Punkt gebracht sagt die Studie des OFI aus, dass in nicht wasserführenden Schichten grundsätzlich auf eine Sekundärentwässerung verzichtet werden sollte. Wenn Handwerker, Planer oder Architekten eine Duschrinne mit Sickerwasseröffnungen vorfinden, sollten sie auf die Problematik hinweisen und die Öffnungen dicht verschließen lassen. Eine bessere Alternative ist es natürlich, von vornherein Produkte mit durchgängig geschlossenem Rinnenkörper und Kapillarschutzkante einzubauen. Der Markt stellt hier ein breites Angebot zur Verfügung. Analoge Überlegungen gelten auch für Punktabläufe, wenn diese ähnlich stark belastet werden wie Duschrinnen. Und für den späteren Gebrauch gilt: Defekte Fugen, egal ob aus Fugenmörtel bei Duschrinnen oder aus Silikon bei Duschtassen, sollten kein Dauerzustand sein, sondern ordnungsgemäß ausgebessert werden.
Dienstag, 17.12.2019