Als – nach der Messe in Essen – binnen weniger Wochen zweites Highlight in der bundesdeutschen SHK-Branche, hat die Messe IFH/Intherm Nürnberg Anfang April 2016 rund 42.000 Besucher gezählt, darunter 27.000 aus dem SHK-Handwerk. Nach eigenen Angaben ist die Fachmesse IFH/Intherm damit „Marktführer bei den Fachbesuchern“. Das Stimmungsbild unter den Messe-Ausstellern fiel ausgesprochen differenziert aus…
Denken wir mal etwas zurück. Als etwa die geneigten Leserinnen und Leser, die in der SHK-Ausbildung (die damals noch Lehre hieß) auf halbautomatischen Kugelkopf-Schreibmaschinen ihre ersten Angebote schreiben durften. Oder die mit Block und Bleistift im Abhollager standen und Lieferscheine von Hand mit Kohlepapier ausfüllten… Oder die, die am Wählscheibentelefon beim Hersteller nachhakten, warum schon wieder eine Päckchenlieferung mehr als 14 Tage Laufzeit hatte. Also genau die denken jetzt mit zurück. Und die anderen müssen halt lauschen, wie es „früher“ war…
Früher, das heißt in diesem Falle in den Hallen wie beispielsweise auf der Messe in Nürnberg. Die damals, das mag so Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre gewesen sein, noch keine „Intherm“ kannte. Diese Messe sollte erst später dazu kommen, als in Stuttgart das Gelände ausgebaut wurde. Damals, da war echt nicht alles besser. Denn in den Messe-Hallen – war alles im Grunde genommen fast genauso wie heute: links eine Reihe Stände, dann ein Gang, rechts wieder eine Reihe Stände. Manche schön und groß und kreativ; andere wie Schuhschachteln. Auf den Ständen dann die Exponate, ein paar Aufsteller, vielleicht noch ein Blickfang (der heute „eye-catcher“ heißt), und wenn der Platz es hergab zudem eine Theke. Das war, sagen wir mal, 1992 so. Oder 1993, wenn es besser in die retrospektive Zeitrechnung der Fachmesse IFH passen sollte. Vom groben Eindruck her: genau wie heute.
Das wiederum führt zu einer fast schon rhetorischen Frage: Gibt es im Marketingmix eigentlich ein mit der Messe vergleichbares Instrument der Kundenansprache, das im erweiterten Kern – gewissermaßen also alles mit Ausnahme einer dünn getünchten Schale drumherum – über so viele Jahrzehnte hinweg so unverändert geblieben ist?
Nur zur Einordnung vor allem durch die Jüngeren, die selbstverständlich in der Ausbildung am PC ihre ersten Angebote schreiben. Oder die mit dem Tablet im Abhollager stehen und Lieferscheine elektronisch übers WLAN verschicken… Oder die, die am Smartphone online „tracken“, warum schon wieder eine Päckchenlieferung mehr als 12 Stunden Laufzeit hat. Also genau die mögen sich jetzt kurz vor Augen führen: Damals gab es noch wenige PCs (so in der Qualität eines 8086/8088 von IBM) und kein Smartphone, kein Internet und keinen Flatscreen. Aber die Messe, die war im Prinzip fast genauso wie die, die ihr Anfang April in Nürnberg besucht habt. Oder Anfang März in Essen…
Marke vs. Breite
Die Bilanz der Messe-Veranstalter liest sich dabei so: „93,3 Prozent der SHK-Experten vergaben bei der unabhängigen Besucherbefragung für die Messe die Topnoten. …Auffallend bei der diesjährigen Veranstaltung war die große Zahl von Besuchern, die mit konkreten Vorstellungen auf die Messe kamen, um ihre vollen Auftragsbücher abzuarbeiten. Wir sind mit den FKM-geprüften (Anm. d. Red.: FKM ist die Gesellschaft zur Freiwilligen Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen) Aussteller- und Besucherzahlen sehr zufrieden. Es unterstreicht unsere Spitzenposition im SHK-Messekalender 2016“, so GHM-Geschäftsführer Klaus Plaschka.
Was kein Gegensatz sein muss, denn diese Einschätzung wurde von genauso vielen Ausstellern gegenüber dem Chronisten bestätigt – wie andere Aussteller sich über mangelnden Besuch beklagten. Oder über die bemerkenswert ausgeprägte Neigung der Franken, Sachsen und Bajuwaren zur zeitigen Heimkehr: Ab etwa 15 Uhr herrschte in manchen Hallen nur noch „Totentanz“, konnten die Aussteller völlig unter sich und ungestört auf den Gängen Halma spielen…
Ein zweiter Eindruck, auch schon auf der Messe in Essen gewonnen und auf der IFH/Intherm bestätigt: Die Besucher scheinen wesentlich gezielter zu kommen als früher. Die Zeit der Flaneure ist wohl vorbei; also jener Interessierten, die „einfach mal so“ erst über den Tellerrand schauten und dann auch mal bei den verschiedenen Wettbewerbern einer Produktgruppe auf den Messestand. Stattdessen wird dem einladenden Hersteller (der möglicherweise auch schon die Eintrittskarte bezahlte) das konzentrierte Interesse gezollt, und dann – siehe oben – der Heimweg angetreten. Was im Übrigen auch erklären würde, warum die Hersteller massenkompatibler SHK-Produkte und einem entsprechenden Marken-Bekanntheitsgrad durchweg besser besucht wurden als die teilweise genauso leistungsstarken, aber eben wesentlich unbekannteren „Underdogs“.
„Real feel“ vs. Statistik
Ein vergleichbarer Eindruck: bei den durchaus selbstbewusst angekündigten – weil tatsächlich absolut wichtig im Mainstream liegenden – Sonderschauen. Exemplarisch: die „Bad Arena“ und „Smart Home“. Zu ersterem warb die IFH/Intherm: „Luxus auf engstem Raum und Wohlfühlen für Generationen – so können die beiden Bereiche der neuen Bad Arena treffend beschrieben werden.“ Was dann im Verlauf der Messe auf der Sonderschau in Halle 7A weitgehend wörtlich zu nehmen war, denn statt „engstem Raum“ gab es tatsächlich ganz viel Platz zum Wohlfühlen für Generationen – mangels Besucher.
Kaum anders sah es in der smarten Zukunft aus. Jeder in der SHK-Branche redet drüber, selbst der „kleinste“ Heizungsbauer und Klempner dürfte damit vor Ort schon konfrontiert worden sein – doch „fachliches Know-how für lau“ abzugreifen bei den Fachvorträgen im Rahmen der Sonderschau und im Übergang zwischen den Hallen 3A und 4A, das war nur bedingt gefragt. Ansonsten gähnten die Sitzreihen allzu häufig schlicht vor Leere.
Wie im Übrigen selbige nicht selten auf den Verbandsständen auch, wenn eben dort referiert wurde. Wissen und Kompetenz, zusammengefasst auf „Power-Point“ und ausgerichtet am täglichen Handwerks-, Planer- oder Architektenbedarf, verhallten stattdessen im weiten Hallenrund und in den unbegrenzten Weiten des Desinteresses…
Aber vielleicht, und hier ist guter Rat wieder teuer und sind selbst die Auguren vor übermenschliche Anforderungen gestellt, hängt das alles ja irgendwie zusammen?
Die genannten Sonderschauen waren beispielsweise nicht nur im Hallenübergang untergebracht, sondern qualitativ auch eher genauso übergangsmäßig konzipiert. Als „retro“ könnte man das Boxdesign wohlwollend bezeichnen; die meisten ordneten es aber weniger wortklingelnd eher zwischen „langweilig“ und „öde“ ein. Während sich an den Ständen, wo „angefasst“, „gemacht“ werden konnte, Dauerbetrieb herrschte. Kommt das Wissen eigentlich über die Hand oder den Kopf? Noch so eine der Fragen, die man sich stellen kann.
Tatsache aber ist unbestritten, dass sich konzeptionell auf Dauer wohl etwas ändern muss – hört man auf die Aussteller und vergleicht die geprüften Besucherzahlen mit dem „real feel“. Also dieser Geschichte, die jeder vom Wetter kennt: Das Thermometer zeigt acht Grad plus, der Körper signalisiert zwei Grad minus, und die Stimmung ist schon unter dem Gefrierpunkt angekommen, weil der Frühling immer noch nicht kommen will…
Denn wie erfolgreich zum Beispiel „Sonderschauen“ sein können, wenn sie denn richtig aufgestellt sind, zeigen nicht zuletzt die erfolgreichen neuen Fachmessen rund um das Thema Brandschutz. Oder kleinere „Nachwuchsmessen“ wie die Energiesparmesse im österreichischen Wels – die brummte wie ein Bienenkorb, während die „Aquatherm“ in Österreich der großzügigen Wirkung des freien Hallenraumes huldigte.
Es bleibt also spannend im Messe- und Ausstellungswesen. Genauso wie im Marketingmix der Hersteller, die sich angesichts der Kosten nach der IFH/Intherm einmal mehr die Frage nach der Kosten/Nutzen-Relation stellen werden. Aber DAS hört man eigentlich auf jeder Messe auch jedes Jahr – um zur IFH/Intherm oder zur SHK Essen in 2018 dann nur festzustellen, dass die Stände doch wieder noch größer und das Rahmenprogramm noch üppiger geworden sind… Also schau‘n mer mal; wie der Bayer sagt.