In Europa schreibt die F-Gase Verordnung ein kontrolliertes „Phase-Out“ der F-Gase bis zum Jahr 2030 vor. Ein umfangreiches Unterfangen, das auch in den USA genau beobachtet wird. Monika Witt, Vorstandsvorsitzende von eurammon, und Dave Rule, Präsident des International Institute of Ammonia Refrigeration (IIAR), berichten in einem Doppel-Interview über die Situation in ihren Regionen und zeigen neue Trends bei der nachhaltigen Kältetechnik auf.
Europa und die USA – wer geht den besseren Weg beim "Phase-Out" der F-Gase?
Dave Rule: „Auch wenn sich die Programme der USA und Europa unterscheiden, sind die Ziele doch dieselben. Staatspräsident Obama hat festgelegt, dass die USA grundsätzlich dem Kurs der EU folgen werden. Ein Unterschied besteht darin, dass neben der Gesetzgebung der ökonomische Faktor in den USA einen enormen Einfluss besitzt und die Entwicklung neuer und wirtschaftlich attraktiver Technologien extrem triggert.
Durch den Beitritt zum Montreal Protokoll sind die USA zu einem "Phase-Out" von H-FCKW Kältemitteln verpflichtet, mit besonderem Augenmerk auf R-22. Das wird die Verfügbarkeit dieser Kältemittel am Markt schrittweise drastisch reduzieren und deren Kosten in naher Zukunft rapide steigen lassen. Allein dieser Preisaspekt wird ein Ausweichen auf andere Kältemittel sehr stark vorantreiben. Darüber hinaus arbeiten die USA bereits gemeinsam mit anderen Ländern daran, dem Beispiel Europas zu folgen und Auflagen für die Nutzung von FKW in das Montreal Protokoll aufzunehmen. Langfristig scheint somit auch für die US-amerikanische Kältebranche ein Umdenken erforderlich.“
Monika Witt: „In Europa ist das "Phase-Out" in vollem Gange und es sind mit natürlichen Kältemitteln für alle Anwendungen bereits ökonomisch sinnvolle Alternativen verfügbar. Daher ist es nur eine logische Folge, dass auch andere Länder und Unternehmen nachziehen. Wenn sich in den USA natürliche Kältemittel für verschiedene Einsatzbereiche etablieren und sich dieser Umstieg als wirtschaftlich sinnvoll erweist, können die USA Europa vielleicht sogar ein- oder überholen, weil die ökonomische Komponente dort eine extrem treibende Kraft besitzt.“
In den letzten zehn Jahren standen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit im Zentrum der Forschungsaktivitäten. Wohin geht die Reise jetzt – Stichwort intelligente Netzwerke beziehungsweise Smart Grid? Welchen Beitrag leistet hier die Kälteindustrie?
Monika Witt: „Hinsichtlich der Energieeffizienz hat Europa in den vergangenen Jahren bereits einiges bewirkt. Besonders im Bereich der Optimierung von Anlagen und ihrer Komponenten hat sich einiges getan. So haben die Komponenten heutzutage meist nur noch sehr wenig Potential für weitere Reduktionen. Viel wichtiger wird es auch in Zukunft sein, Systeme so effizient wie möglich zu steuern – insbesondere bei Teillast.
Aktuell geht es vermehrt um die Frage, wie wir das Stromnetz möglichst intelligent koordinieren und kontrollieren, wie wir die eingespeisten alternativen Energien effizient speichern können, so dass sie durchgehend verfügbar sind. Ein Beispiel: Durch die Einspeisung von Sonnen- und Windenergie in die Stromnetze steht zeitweise mehr Strom zur Verfügung, als die Abnehmer brauchen. Diese Überkapazitäten können Kühlhäuser und andere Kältespeicher gezielt aufnehmen, indem sie ihren Betrieb bei Sturm oder strahlendem Sonnenschein aufnehmen. Eine Win-Win-Situation für Elektrizitätswerke und Unternehmen. Für die einen wird das Netz entlastet. Kühlhäuser auf der anderen Seite erhalten Strom zu Sonderkonditionen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Unternehmen, die Kälte erzeugen, und solche, die Wärme benötigen, sich vermehrt zu einem intelligenten Netzwerk zusammenschließen. In der Praxis sind dies etwa Fernwärmeunternehmen oder Gemüseproduzenten, die sich in der Nähe zu einem kälteproduzierenden Unternehmen ansiedeln – und die ungenutzte Abwärme kostengünstig für eigene Zwecke verwenden können.“
Dave Rule: „Auch in den USA gewinnt das Thema Smart Grid an Bedeutung. Darüber hinaus besteht allerdings noch ein enormer Nachholbedarf bei der Energieeffizienz. Hier spielen Anwendungen mit natürlichen Kältemitteln für die Kälte- und Klimatechnik eine bedeutende Rolle. So ist Ammoniak etwa das effizienteste Kältemittel überhaupt. Kombiniert mit neuen Gebäudedesigns ergibt sich ein riesiges Potential, Energie einzusparen.
Bei Kühlhäusern in den USA geht der Trend nach den früheren, sehr weitläufigen Flachbauten, nun zu viel höheren Gebäuden, eng bepackt mit einer enorm verbesserten Isolierung. In vielen Fällen gibt es computergesteuerte Zugangs- und Belieferungssysteme, die oft sogar ganz ohne Menschen funktionieren. Das spart Platz und heizt die Halle nicht unnötig auf.“
Die Situation und der Markt in
den USA unterscheiden sich von den Rahmenbedingungen in Europa. Was versprechen Sie sich von einem internationalen Austausch zwischen den Verbänden?
Dave Rule: „In erster Linie geht es um den Know-how-Transfer zwischen den einzelnen Regionen. Man erfährt direkt von Trends und Entwicklungen, die in der Industrie der verschiedenen Wirtschaftsräume entstehen. Vielleicht noch wichtiger bei unserem gemeinsamen, globalen Engagement für natürliche Kältemittel: Auch andere Regionen bei der Umsetzung von Sicherheitsstandards zu unterstützen, in denen Training und Ausbildung einen weniger hohen Stellenwert als in Europa haben. Hier ist das IIAR sehr engagiert und sorgt mit umfangreichem Trainingsmaterial und Ausbildungsmaßnahmen dafür, dass Betreiber von Ammoniak-Systemen über das nötige Fachwissen verfügen.“
Monika Witt: „Unser gemeinsames, zentrales Anliegen ist es, dass alle Anlagen mit natürlichen Kältemitteln dauerhaft sicher betrieben werden. Unsere wichtigste Botschaft, die wir als globales Netzwerk besonders effizient kommunizieren können, ist dabei: Ammoniak-Kälteanlagen sind sicher, wenn sie nach den vorgegebenen Standards gebaut und betrieben werden.“