Eine komplett neu ausgearbeitete Richtlinie war längst überfällig, die ursprüngliche Richtlinie 98/83/EG nochmals zu aktualisieren wäre zu aufwendig gewesen, von daher hat sich die EU für einen komplett neuen Text entschieden – der Schritt ist sehr zu begrüßen.
Im Folgenden werden nicht alle Artikel der Richtlinie betrachtet und erläutert, sondern nur die wesentlichen, hygienerelevanten Änderungen, die für Planer, Installateure und Betreiber von Trinkwasser-Installationen innerhalb von Gebäuden wichtig sind.
Im Folgenden werden nicht alle Artikel der Richtlinie betrachtet und erläutert, sondern nur die wesentlichen, hygienerelevanten Änderungen, die für Planer, Installateure und Betreiber von Trinkwasser-Installationen innerhalb von Gebäuden wichtig sind.
Grundsätzliche Änderungen und Neuerungen
Es gibt in der neuen Richtlinie einige gravierende Änderungen und Neuerungen. Parameter in den Anlagen der Richtlinie wurden ergänzt und neue hinzugefügt. Die für die Hausinstallation wichtigen Parameter werden weiter unten erläutert.
▪ Beobachtungsliste
Die von der Kommission zu erstellende Liste ist ein neues Instrument der Richtlinie, in der neu nachgewiesene Stoffe aufgenommen werden, die Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben könnten (Artikel 13). Damit erhofft sich die EU-Kommission, schneller als früher auf neue Substanzen zu reagieren. Diese Stoffe werden gegebenenfalls aus der Beobachtungsliste in die Richtlinie eingebracht. Als Beispiele werden Substanzen mit endokriner Wirkung, Mikroplastik im Trinkwasser oder auch Arzneimittel genannt.
▪ Risikobasierter Ansatz
Das Konzept des „Wassersicherheitsplans“ (Water-Safety-Plan) kommt sowohl für die Wasserversorger als auch für die Hausinstallation zur Anwendung (Artikel 9 für Wasserversorger, Artikel 10 für die Hausinstallationen). Bereits 2015 wurde für die Wasserversorger dieser Ansatz mit der EU-Richtlinie 2015/1787 eingeführt. Neu ist, dass es eine Risikobewertung auch für die Trinkwasser-Installation in Gebäuden geben wird.
▪ Information der Öffentlichkeit
Die Aufforderung, die Öffentlichkeit und die Verbraucher zu informieren, ist nicht neu. Den Verbrauchern müssen allerdings umfangreichere Informationen auf verschiedenen Wegen zur Verfügung gestellt werden: über die Qualität des Wassers, Wasserpreis, verbrauchte Wassermenge, Vergleichswerte bzgl. des jährlichen Wasserverbrauchs (Artikel 17).
▪ Zulassungssysteme für Materialien und Werkstoffe
Die EU hat mit der Festlegung von harmonisierten Mindesthygieneanforderungen für die Materialien und Werkstoffe versucht, einheitliche Standards festzulegen, sodass in allen EU-Ländern konforme Produkte hergestellt und eingebaut werden.
▪ Zugang zu Wasser für den menschlichen Gebrauch
Der Artikel 16 ist neu in der Richtlinie und soll benachteiligten Gruppen bzw. Menschen am Rand der Gesellschaft einen Zugang zu Wasser ermöglichen. Die EU-Staaten sind zunächst aufgefordert, diese Gruppen zu ermitteln, Möglichkeiten der Verbesserung zu prüfen, diese Menschen zu informieren und Maßnahmen zu treffen. Die Aufgaben müssen die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bis zum 12. Januar 2023 umgesetzt haben.
▪ Wasserverluste
Die Mitgliedstaaten müssen bis 2026 eine Bewertung der Wasserverluste und Verbesserungen zur Reduzierung von Wasserverlusten vorlegen. Wasser wird zunehmend auch in Europa in einigen Regionen zum knappen Gut. Die einzelnen Nationen sind aufgefordert, mehr in die Wasserinfrastruktur zu investieren und das Bewusstsein in der Bevölkerung zu sensibilisieren (Artikel 4). Diese Forderung ist neu, auch in Deutschland gab es in einigen Regionen in den Sommermonaten der vergangenen Jahre eine Wasserknappheit. Die Bundesländer sind sich dessen bewusst. Einige haben bereits Initiativen zur Erneuerung der Rohrleitungen, die vom Wasserversorger zu den Verbrauchern führen, ergriffen, um Städte und Gemeinden finanziell dabei zu unterstützen.
Begriffsbestimmungen
Die Anzahl der definierten Begriffe ist überschaubar. Bei der Auflistung gibt es zwei Begriffe, die auffällig sind. Der Begriff „prioritäre Örtlichkeiten“ ist neu und fand sich bisher in keinem anderen Regelwerk oder einer Richtlinie, oftmals wurde dafür der Ausdruck „Hygienerelevante Gebäude“ verwendet. In dem Begründungstext zur neuen Richtlinie werden Beispiele genannt: „Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen, Gebäude mit Unterkunftsmöglichkeiten, Restaurants, Bars, Sport- und Einkaufszentren, Freizeit-, Erholungs- und Ausstellungseinrichtungen, Strafvollzugsanstalten und Campingplätzen“. Die Auflistung ist nicht vollständig, die wesentlichen Gebäude sind aber genannt, die in der Vergangenheit hygienisch auffällig waren.
Der Begriff der „Hausinstallation“ ist unglücklich gewählt. Leider hat man sich für diesen Begriff entschieden und nicht für die Bezeichnung „Trinkwasser-Installation“. Hausinstallationen umfassen wesentlich mehr, zum Beispiel die gesamte Elektroinstallation, Klimageräte und Anlagen. Der Anwendungsbereich der Richtlinie betrifft aber die Wasserversorgung und die Trinkwasser-Installation innerhalb eines Gebäudes. Es bleibt abzuwarten, ob der Begriff bei der Überarbeitung in die deutsche Trinkwasserverordnung übernommen wird.
Es gibt jetzt die Unterscheidung von Gefährdung und Gefährdungsereignis. Eine Gefährdung kann durch einen biologischen, chemischen, physikalischen oder radiologischen Stoff erfolgen, der die menschliche Gesundheit beeinträchtigt. Das Gefährdungsereignis ist der konkrete Fall, der zu einer Gefährdung führt.
Risiko wird als eine Kombination aus Wahrscheinlichkeit des Eintretens und des Schadensausmaßes definiert.
Parameter
Bei den Parametern im Anhang wurden neue Substanzen aufgenommen (zum Beispiel Bisphenol A und Microcystin-LR) und es gab Korrekturen. Für die Hausinstallation sind folgende Parameter zu beachten:
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Intestinale Enterokokken (Teil A, Mikrobiologische Parameter). Bei diesem Parameter wurde lediglich der Zusatz „instestinal“ (zum Darmkanal gehörend) ergänzt, der Wert (0/250 ml) – gültig bei der Abfüllung von Wasser in Flaschen oder anderen Behältnissen – wurde nicht verändert.
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Der Parameterwert E. Coli, ebenfalls für die Abfüllung von Wasser in Flaschen oder anderen Behältnissen, ist unverändert (0/250 ml).
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Für Blei gilt bis zum 12. Januar 2036 (!) der Wert von 10 µg/l, danach verringert sich der Grenzwert auf 5 µg/l. Bestehende Bleirohre sollten schnellstmöglich ausgetauscht werden. Für alle neuen Materialien, die mit Wasser in Berührung kommen, sollte der niedrigere Wert als Ziel eingehalten werden.
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Bei den Indikatorparametern (Teil C) sind nach wie vor die mikrobiologischen Parameter Clostridium perfringens (0/100 ml), Koloniezahl bei 22 °C und die Coliformen Bakterien (0/100 ml) aufgeführt. Clostridium perfringens ist erst dann zu ermitteln, wenn die Risikoanalyse Hinweise darauf enthält.
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Neu ist der Teil D für die Risikobewertung von Hausinstallationen mit zwei relevanten Parametern: Legionellen und Blei. Für Legionellen gilt ein Parameterwert von 100 KBE/100 ml. Der Begriff „Technischer Maßnahmenwert“, wie er in der aktuellen Trinkwasserverordnung in Deutschland steht, kommt in der EU-Trinkwasserrichtlinie nicht vor. Für Blei gilt der Wert wie oben erläutert.
Risikobasierter Ansatz von Hausinstallationen
Eine der wesentlichen Neuerungen ist die Risikobewertung von Hausinstallationen (Artikel 10). Die WHO hat seit längerer Zeit das Konzept des Water-Safety-Plans auch für die Trinkwasser-Installation in Gebäuden vorgeschlagen, das nun (endlich) ausführlicher in der Trinkwasserrichtlinie der EU enthalten ist.
Diese Risikoanalyse – nicht zu verwechseln mit der Gefährdungsanalyse laut Trinkwasserverordnung – besteht aus einer allgemeinen Analyse und einer Überwachung der Parameter Legionellen und Blei, wie es im Teil D des Anhangs aufgeführt ist. In der allgemeinen Analyse sollen die verwendeten Produkte, Materialien und Werkstoffe analysiert werden, ob diese eine Gefahr für die menschliche Gesundheit sind. Diese Analyse umfasst keine einzelnen Objekte. Die Analyse auf Legionellen und/oder Blei wird dagegen auf Objekte angewendet. Diese Parameter können vorwiegend bei prioritären Örtlichkeiten untersucht werden, sofern die Mitgliedsstaaten dies beschließen. Das Ein- und Zweifamilienhaus steht damit zunächst nicht im Fokus. Auch bei den Maßnahmen zur Einhaltung sind die EU-Staaten frei in der Festlegung. Die vorgeschlagenen Maßnahmen der einzelnen Mitglieder beschränken sich zunächst auf die prioritären Örtlichkeiten.
Allerdings sind im Absatz 3 des Artikels 10 wichtige Maßnahmen gefordert:
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„Ermutigung der Eigentümer öffentlicher und privater Örtlichkeiten, eine Risikoanalyse durchzuführen“. Wie diese „Ermutigung“ konkret gestaltet und umgesetzt werden soll, ist nicht genannt. Interessant ist auch, dass in diesem Zusammenhang die privaten Örtlichkeiten jetzt genannt werden. Hier kann man gespannt darauf sein, wie die einzelnen EU-Mitgliedstaaten diese Forderung umsetzen.
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Eine weitere geforderte Maßnahme lautet: „Unterrichtung der Verbraucher und der Eigentümer öffentlicher und privater Örtlichkeiten über die Maßnahmen, mit denen sich … das entstehende Risiko … beseitigen oder verringern lässt.“ Und auch die nächste Maßnahmenforderung lässt viel Spielraum für die Mitgliedsstaaten:
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„Beratung der Verbraucher über die Bedingungen des Konsums und der Verwendung von Wasser …“. Eigentümer und Mieter werden zunehmend angehalten, mit dem „Lebensmittel Wasser“ sorgsam umzugehen.
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Eine wichtige Maßnahme wird gefordert, die bisher thematisch nicht enthalten war: „Förderung von Schulungen für Installateure und andere Fachleute für Hausinstallationen sowie Bauprodukte, Materialien und Werkstoffe“. Damit wird das Thema „Weiterbildung“ erstmals in einer Richtlinie sehr deutlich beschrieben – bisher ist jeder Beteiligte (Unternehmer und sonstige Inhaber, Planer, Installateure) zum lebenslangen Lernen aufgefordert gewesen, aber niemals stand es so konkret in einem Text der EU. Die Umsetzung dieser Maßnahme kann von den EU-Staaten gestaltet werden, abzuwarten bleibt, wie dies in der Trinkwasserverordnung verankert wird.
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Auch in Bezug auf die Legionellen findet sich eine Forderung in der Richtlinie, die zum einen die EU-Staaten auf-fordern, stärker aktiv zu werden und zum anderen technische Verfahren anzubieten, die Krankheitsausbrüche verhindern sollen. Eine Art Steilvorlage für die Anwendung von Membrantechnik in der Trinkwasserhygiene.
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Der Austausch von bleihaltigen Materialien wird an dieser Stelle des Artikels 10 nochmals gefordert.
Im Artikel 7 ist als Datum für die erstmalige Durchführung der Risikobewertung der Hausinstallation der 12. Januar 2029 genannt.
Hygieneanforderungen für Materialien
Bisher gab es keine einheitlichen Anforderungen bzgl. der Hygiene an Materialien und Werkstoffen, fast jedes EU-Mitglied hatte seine eigenen Vorgaben für Produktzulassungen. Für die Verbraucher war es schwierig zu beurteilen, ob ausländische Produkte eingebaut werden dürfen, für die Hersteller war es erschwert, ihre Produkte in anderen EU-Ländern zu verkaufen. Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie trägt entscheidend dazu bei, dass in den EU-Ländern nur konforme Produkte verkauft und eingebaut werden.
Dieses Ziel soll erreicht werden, indem die Kommission sogenannte Durchführungsrechtsakte zu einzelnen Themen erlässt. Im Wesentlichen sind es folgende drei Rechtsakte:
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Methoden für die Prüfung und Akzeptanz von Ausgangsstoffen, Zusammensetzung und Bestandteilen, die in Positivlisten veröffentlicht werden (bis zum 12. Januar 2024).
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Europäische Positivlisten der Ausgangsstoffe, Zusammensetzung oder Bestandteile bzgl. folgender Materialien: organische, anorganische, zementgebundene oder metallene Werkstoffe, Emails, keramische Stoffe (bis zum 12. Januar 2025).
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Verfahren und Methoden für das Testen und die Akzeptanz von endgültigen Materialien und Werkstoffen (bis zum 12. Januar 2024).
In der Richtlinie sind noch weitere Anforderungen beschrieben. Die europäischen Positivlisten können auch Übergangsbestimmungen enthalten, und das gesamte Verfahren soll bis zum 12. Januar 2032 überprüft werden. Eine erste Überprüfung der Positivlisten soll 15 Jahre nach Annahme der ersten europäischen Positivliste erfolgen.
Fazit
Diese Richtlinie enthält wesentliche Änderungen und einige neue Themen. Hervorzuheben sind die Positivlisten, die Einführung der Beobachtungsliste und der risikobasierte Ansatz für die Hausinstallation in Gebäuden. Mit Letzterem wird viel zum vorbeugenden Gesundheitsschutz beigetragen. Die Harmonisierungen waren längst überfällig und sind zu begrüßen. Allerdings stellen die genannten Zeiten bis zur Umsetzung sehr große Zeiträume dar. Bei einigen Themen, zum Beispiel dem Water-Safety-Plan, hätte man sich eine schnellere Umsetzung gewünscht.