Die Niederschlagsmenge bei Starkregen wird prozentual stärker zunehmen als die mittlere Niederschlagsmenge. So lautet die Klimaprojektion führender Experten für Deutschland [1].
Trinkwasseranlagen schon bauseits schützen
Die Niederschlagsmenge bei Starkregen wird prozentual stärker zunehmen als die mittlere Niederschlagsmenge. So lautet die Klimaprojektion führender Experten für Deutschland [1].
Die aktuellen Unwetter in weiten Teilen Deutschlands scheinen wie eine Bestätigung dafür zu sein. Stehen Häuser und ganze Landstriche unter Wasser, geht es aber nicht nur um die erkennbaren Sachschäden. Auch die Hygiene ist in jedem Fall massiv bedroht, da Keime auf unterschiedlichen Wegen in die Trinkwasser-Installation eingetragen werden können.
Fachhandwerker, Betreiber und Hausbesitzer können aber ihre Trinkwasser-Installationen vorsorglich schützen – und sollten die geeigneten Maßnahmen nach einem Hochwasserereignis kennen, um spätere gesundheitliche Risiken zu verhindern.
Die unterschiedlichsten methodischen Auswertungen von Niederschlagswerten aus Wetterdaten, die seit Jahrzehnten in Deutschland aufgezeichnet werden, vermitteln ein einheitliches Bild: Generell ist eine Zunahme von Starkniederschlägen zu verzeichnen, insbesondere in den Wintermonaten [1]. Klimaprognosen weisen hierbei eine steigende Tendenz auf [2]. Regionale Unterschiede sind zwar erkennbar, doch selbst in Jahren mit trockenem Sommer oder dort, wo sich Trends zu mehr Trockenheit im Sommer abzeichnen, können gravierende Starkniederschläge auftreten. Mit anderen Worten: Die aktuellen Überschwemmungen machen deutlich, dass Gebäude mehr denn je gegen eindringendes Wasser zu schützen sind und ein Maßnahmenplan bestehen sollte, wenn durch Hochwasser die Trinkwasserhygiene bedroht ist.
Das Ausmaß der Hochwasserschäden an einer Trinkwasser-Installation ist selten offensichtlich, dafür aber oft gravierend. Sie lassen sich in zwei Kategorien unterscheiden:
akute oder potenzielle Kontamination des Trinkwassers mit Keimen und
Korrosionsschäden an Rohren und Bauteilen, beispielsweise durch Schmutzwasserreste in Isolationen [3].
Die Trinkwasserhygiene ist generell gefährdet, wenn mit Krankheitserregern belastetes Wasser in die Hausverteilung der Trinkwasser-Installation gelangt. Das kann bei einer Überschwemmung der Fall sein, wenn beispielsweise ein Keller unter Wasser steht und Schmutzwasser über Armaturenkörper eindringt. Bei außerordentlichen Hochwasserereignissen kann es ebenso vorkommen, dass bereits das vom Versorger gelieferte Trinkwasser durch verunreinigtes Oberflächenwasser kontaminiert ist. Im Bau befindliche Installationen können verkeimen, wenn das im Gebäude hochstehende Wasser in geöffnete Bauteile eindringt.
Unabhängig davon, auf welchem Weg Keime in eine Trinkwasser-Installation gelangen: Sie stellen eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Trinkwasserhygiene dar!
Mit dem eindringenden Wasser werden neben Krankheitserregern auch Schmutzpartikel eingetragen. Sie setzen sich ebenfalls in den Bauteilen ab und führen in der Folge zu Innenkorrosion. Ein weiterer Risikofaktor: Lochkorrosion von außen, wenn durchfeuchtete Dämmungen nicht entfernt wurden.
Um die äußeren Schäden an der Trinkwasser-Installation zu verhindern, die mitunter erst viel später auffallen, sind durchfeuchtete Dämmungen nicht nur zu entfernen und fachgerecht zu entsorgen, sondern auch die Rohre gründlich abzuwaschen – und zwar mit einwandfreiem Trinkwasser. Erst, wenn aller Schmutz entfernt ist und die Bauteile trocken sind, sollte erneut gedämmt werden.
Doch nicht nur installierte Bauteile können Schaden nehmen. Auch beim Fachhandwerker oder auf der Baustelle gelagerte Bauteile werden häufig vom Hochwasser erfasst. Unverpackte technische Komponenten sollten dann nicht mehr ohne sorgfältige Reinigung und ggf. Beprobung installiert werden. Und selbst verpackte Bauteile müssen sorgfältig geprüft werden, da nicht jede Verpackung wasserdicht ist. Rohre können je nach Art und Grad der Verschmutzung gegebenenfalls gereinigt werden. Bei gespülten Rohren ist es entscheidend, diese anschließend mit Gefälle zu lagern, damit sie auch innen vollständig und schnell abtrocken.
Grundsätzlich dürfen in den Rohren oder Installationskomponenten keine Ablagerungen verbleiben, da sie möglicherweise Wasser länger binden und so Bakterien einen (Über-)Lebensraum bieten.
Zusätzlich sollte die Verwendung von Bauteilen, die mit Hochwasser in Kontakt gekommen sind, zumindest bei der ersten Gebäudeinstallation durch eine orientierende Untersuchung der fertiggestellten Trinkwasser-Installation abgesichert werden. Dabei ist auch eine Überprüfung auf Pseudomonaden zu empfehlen [3].
Teile von Trinkwasser-Installationen, die noch im Bau waren und von Hochwasser geflutet wurden, sind generell vollständig zu erneuern.
Trinkwasser aus bestehenden Installationen sollte nach einem Schadensereignis durch Hochwasser oder ähnlich erst wieder gebraucht werden, wenn die Trinkwasserqualität nachweislich den Vorgaben der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) entspricht. Hier ist ein enger Informationsaustausch mit dem Versorger erforderlich. Bestätigt darüber hinaus auch das Wasserwerk, wieder sauberes Trinkwasser mit unbedenklicher Mikrobiologie zu liefern, ist zunächst der Hausanschluss und anschließend die gesamte Installation zu spülen. Dabei ist im ersten Schritt die Anlage nach unten komplett zu entleeren und sofort wieder mit sauberem Trinkwasser zu füllen. So werden lokale Kontaminationen aus dem Kellerbereich nicht im gesamten Gebäude verteilt. Im zweiten Schritt ist gegebenenfalls eine Dichtheitsprüfung notwendig, wenn Beschädigungen an Rohrleitungen oder Armaturen vermutet werden. Das kann beispielsweise durch aufschwimmende Gegenstände während der Flutung der Fall sein.
Einzelheiten zu diesen Maßnahmen sind dem DVGW-Arbeitsblatt W 557 „Reinigung und Desinfektion von Trinkwasser-Installationen“ sowie den ZVSHK-Merkblättern „Spülen, Desinfizieren und Inbetriebnahme von Trinkwasser-Installationen“ und „Dichtheitsprüfung von Trinkwasser-Installationen“ zu entnehmen. Zusätzliche Sicherheit in Gebäuden mit besonders schutzbedürftigen Personen – wie Kindergärten, Pflegeheimen oder Krankenhäusern – bietet eine abschließende Beprobung, die jedoch mit dem Gesundheitsamt abgestimmt werden sollte. Die entscheidenden Parameter sind dabei die mikrobiologischen Grenzwerte für E.Coli und für Coliforme Bakterien. Sie gelten als Indikatoren einer fäkalen Belastung.
Wurde die Trinkwasser-Installation richtlinienkonform gereinigt und gespült, nachdem der Versorger die Lieferung genusstauglichen Trinkwassers bestätigt hat, ist in aller Regel die Trinkwassergüte wiederhergestellt. Eine prophylaktische Desinfektion sollte nicht vorgenommen werden. Sie belastet die Komponenten der Trinkwasser-Installation unnötig und erhöht die Korrosionswahrscheinlichkeit von Bauteilen.
Zudem widerspricht eine chemische Desinfektion ohne klare Indikation dem Minimierungsgebot von chemischen Stoffen gemäß der Trinkwasserverordnung (TrinkwV § 6, Absatz 3). Sollte eine Beprobung Wasserbelastungen oberhalb der Grenzwerte der TrinkwV nachweisen, muss zunächst die tatsächliche Kontaminationsquelle in der Installation lokalisiert und saniert werden. Ohne diese Vorgehensweise würde eine Desinfektionsmaßnahme ohnehin wirkungslos sein [4].
Bis zum Abschluss der Sanierungsmaßnahmen können gegebenenfalls endständige, bakteriendichte Filter eingesetzt werden.
Hochwasserschäden an Trinkwasser-Installationen lassen sich jedoch minimieren oder sogar verhindern: Ist in das Abwasserrohr zum Kanal beispielsweise eine Rückstausicherung eingebaut, kann zumindest von dort kein fäkalienbelastetes Wasser (Schwarzwasser) in das Gebäude steigen. In dem Bericht „Abschätzung der Verwundbarkeit gegenüber Hitzewellen und Starkregen“ vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wird dazu ausgeführt: „Fehlen derartige Schutzvorrichtungen, haften die Eigentümer für dadurch entstehende Schäden, des Weiteren besteht in diesen Fällen meist kein Versicherungsschutz. […]. Statistische Daten zu Rückstauklappen oder anderen baulichen Vorkehrungen sind in der Regel nicht verfügbar. Das Fehlen derartiger Vorkehrungen ist jedoch maßgeblich für die Verwundbarkeit der Bewohner bzw. des Eigentümers“. [5]
Es ist also dringend zu empfehlen, Gebäudeeigentümer auf diesen Sachverhalt aufmerksam zu machen und zu überprüfen, ob eine Rückstausicherung vorhanden ist. Doppelt sicher und geeignet für Schwarzwasser sind Rückstauverschlüsse des Typs 3 gemäß EN 13564 [6] mit einem automatisch motorbetriebenen und einem manuellen Notverschluss. Soziale Einrichtungen erhalten für eine solche Schutzmaßnahme sogar eine Förderung vom Bundesumweltministerium [7].
Die vielen punktuellen Unwetterereignisse unterstreichen die Risiken, denen das hohe und zugleich sensible Gut „genusstaugliches Trinkwasser“ ausgesetzt ist. Dieses Gut zu schützen, erfordert die kompetente Anwendung der entsprechenden Normen und Richtlinien, damit die Trinkwasserhygiene sofort und nachhaltig wiederhergestellt werden kann. In dem Zuge sollten, falls noch nicht vorhanden, prophylaktische Maßnahmen wie die Rückstausicherung in der Entwässerungsleitung mit eingeplant werden. Denn das nächste Hochwasser kommt (leider) bestimmt.
[1] „Veränderung der Starkniederschläge in Deutschland“, Dr. Gabriele Malitz, Deutscher Wetterdienst Abteilung Hydrometeorologie, Lindenberger Weg 24, 13125 Berlin-Buch
[2] REKLIES-DE, Regionale Klimaprojektionen Ensemble für Deutschland; Ergebnisbericht Dezember 2017
[3] P. Arens, u.a. SBZ Monteur, Außen trocknen und reinigen, innen spülen; 7/2013, S. 22 – 25.
[4] „Nur in Sonderfällen erlaubt; Desinfektion von Trinkwasser-Installationen“, Dr. Christian Schauer, tab Ausgabe 11/2020, Bauverlag BV, Gütersloh
[5] „Abschätzung der Verwundbarkeit von Bevölkerung und Kritischen Infrastrukturen gegenüber Hitzewellen und Starkregen“, Herausgeber: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Provinzialstraße 93, 53127 Bonn, ISBN 978-3-939347-55-2
[6] DIN EN 13564-1:2002-10 Rückstauverschlüsse für Gebäude - Teil 1: Anforderungen; Deutsche Fassung EN 13564-1:2002, Beuth Verlag, Berlin
[7] „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“, www.z-u-g.org
Montag, 19.07.2021