Hallo BDEW – geht das mit Grauwasser auch eine Nummer kleiner?

Vor ein paar Tagen war der Weltwassertag der Vereinten Nationen (VN). Das ist schön. Und wichtig, denn 1,8 Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Diesmal stand der Weltwassertag unter dem Stichwort „Abwasser“.

Im Original: "Wastewater – the untapped resource". Die Vereinten Nationen schreiben dazu: „Wastewater is a valuable resource in a world where water is finite and demand is growing,” says Guy Ryder, Chair of UN-Water and Director-General of the International Labour Organization. „Everyone can do their bit to achieve the Sustainable Development Goal target to halve the proportion of untreated wastewater and increase safe water reuse by 2030. … Let's all reduce and safely reuse more wastewater so that this precious resource serves the needs of increasing populations and a fragile ecosystem.“

Zusammengefasst: Wir brauchen dringend aufbereitetes Grauwasser, um die Bedürfnisse der wachsenden Bevölkerung in den entsprechenden Landstrichen mit ihren gefährdeten Ökosystemen weltweit abzudecken.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft in Berlin hat darauf sofort reagiert. Und es muss spontan, sehr spontan gewesen sein. Denn anders ist weder die Schlagzeile „Wiederverwendung von Grauwasser wäre Rückschritt ins Mittelalter“ noch das Statement von Hauptgeschäftsführer Martin Weyand zu erklären: „Wollen wir allen Ernstes in die unhygienischen Zustände des Mittelalters zurückfallen?“ fragt er und malt angesichts der Belastung von Grau- und Regenwasser durch „eine Vielzahl chemischer Stoffe wie Mikroplastik und potentielle Krankheitserreger, wie sie sich beispielsweise im Kot der Vögel wiederfinden“ sofort das dräuende Menetekel einer flächendeckenden Gesundheitsgefährdung an die Wand.

Direkt gefragt, Herr Weyand: Gibt es das auch alles eine Nummer kleiner? Und gibt es das vor allem auch aus einer Betrachtungsperspektive, die nicht so Hauptstadt-saturiert verengt ist? Dass wir in Deutschland – noch nicht einmal überall in Europa! – so hohe Trinkwasserstandards haben, ist wunderbar. Dafür muss man dankbar sein. Aber die aufzubauen, hat Jahre und Jahrzehnte gedauert. Genauso wie der Aufbau der Reinigungsanlagen, die über ihre hohe Klärleistung sicherlich ebenfalls zum Erhalt der Trinkwassergüte beitragen, indirekt (!). Diesen Status jetzt zu nehmen und über die Forderung der Vereinten Nationen, den Anteil unbehandelten Abwassers weltweit zu halbieren, hierzulande gleich den „Rückschritt ins Mittelalter“ auszurufen, ist schon starker Tobak.

Es ist starker Tobak, weil er für eine meines Erachtens kaum hinnehmbare Werteverschiebung steht: Viele der Länder, für die die VN-Forderung gilt, sind bezüglich ihrer Wasser-Infrastruktur nämlich tatsächlich noch auf dem Status des Mittelalters. Und für die ist jeder Schritt nach vorne ein guter, ein wichtiger Schritt! Die Nutzung von Grauwasser also so pauschal zu verdammen, ist damit aus meiner Sicht schlichtweg moralisch fragwürdig.

Die Nutzung von Grauwasser für unsere Breitengrade so pauschal zu verdammen, ist gleichzeitig ein direkter Schlag ins Gesicht aller ökologisch aufgestellten Mitbürger und deren fachgerecht arbeitender Sanitärhandwerker. Denn die parallele Nutzung von Trink- und Grauwasser in einer (getrennt geführten) Hausinstallation ist hierzulande bekanntlich ebenfalls sehr genau geregelt – bis hin zu klar definierten Nutzungsbereichen und den entsprechenden Installationsvorschriften.

Von Verhältnissen „wie im Mittelalter“ ist also wahrlich keine Rede. Das kann man wissen. Und dann zumindest am Rande vermerken. Muss man aber natürlich nicht.…

Dienstag, 28.03.2017