Ist die Wärmewende überhaupt realistisch? Oder fehlen dafür schlicht die Fachkräfte…
Verdoppelung der Sanierungsrate recht „ambitioniert“
Ist die Wärmewende überhaupt realistisch? Oder fehlen dafür schlicht die Fachkräfte…
Das Wort Immobilie stammt aus dem lateinischen „im mobilis“ - unbeweglich. Im wörtlichen Sinne unbeweglich zeigt sich der Gebäudebestand auch auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die rund 43 Millionen Wohnungen in Deutschland wurden im Jahr 2020 zu 85 Prozent mit Gas, Heizöl oder Fernwärme beheizt. Selbst in 60 Prozent der neugebauten Wohnungen ist das noch der Fall, laut Deutsche Bank Research.
Zwar entfielen 2020 laut Umweltbundesamt (UBA) im Jahr 2020 fünfzehn Prozent des Endenergieverbrauchs für Wärme und Kälte auf erneuerbare Energien. Aber: Dabei überwiegt mit über 85 Prozent recht deutlich Bioenergie, vor allem Holz. Und diese erneuerbare Energie ist ja mit einem CO!SUB(2)SUB!-Äquivalent von 230g / kWh nicht gerade klimaneutral… Die entsprechenden Vergleichswerte, über den kompletten Lebenszyklus betrachtet, liegen für Photovoltaik bei 48g, für Windenergie bei 11g, für Gas hingegen bei 490g (Quelle: Report des IPCC, Annex III, Seite 1335).
Die Trägheit des Immobilienbestandes zeigt sich auch beim Blick auf die energiebedingten Treibhausgasemissionen. Die sind in den zwanzig Jahren von 2000 bis 2020 zwar um 28 Prozent gesunken. Das entspricht aber gerade mal einem Rückgang von 1,6 Prozent (oder 2,35 Mio. Tonnen CO!SUB(2)SUB!-Äquivalenten) pro Jahr.
Aber jetzt tritt die Europäische Kommission auf den Plan: mit der „Renovierungswelle“ – oder "Renovation Wave" - im Rahmen des europäischen Grünen Deals. Ziel ist, in diesem Jahrzehnt EU-weit 35 Millionen nicht energieeffiziente Gebäude zu sanieren und so die Emissionen um mindestens 55 Prozent zu senken. Dafür müsste die derzeitige Sanierungsrate von einem auf zwei Prozent pro Jahr verdoppelt werden! Kein leichtes Unterfangen, meint Deutsche Bank Research, „weil es die Handwerker, die die notwendigen Arbeiten ausführen sollen, schlicht nicht gibt. Da große Teile des Bau- und Ausbauhandwerks seit Jahren über Mangel an qualifiziertem Nachwuchs klagen, könnte sich die Situation angesichts sinkender Ausbildungszahlen in vielen Berufsgruppen sowie vermehrter Renteneintritte in den kommenden Jahren sogar zuspitzen.“
Da hilft die Europäische Kommission und verspricht – quasi par Ordre de Mufti: „Bis 2030 werden (in der EU) 160.000 grüne Arbeitsplätze im Baugewerbe entstehen“…
Die Chefin des BDEW, Kerstin Andrae, sieht das etwas realistischer: „Für die Umsetzung vor Ort braucht es aber nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Manpower. Wir dürfen daher nicht aus den Augen verlieren, dass wir aus dem Handwerk und dem Gewerbe Unterstützung und Fachkräfte brauchen, die heute so noch nicht verfügbar sind. Die Gewinnung von Nachwuchs in den technischen Berufen muss Priorität haben.“
Montag, 05.07.2021