Entwicklung von Sanitärwerkstoffen: GMS als Austausch-Plattform

Seit 2017 gilt die Positivliste des Umweltbundesamtes (UBA) für „hygienisch geeignete“ metallene Sanitärwerkstoffe nicht mehr als Empfehlung...

...sondern als sogenannte Bewertungsgrundlage. Diese Verschärfung geht auf die Novelle der EU-Trinkwasserrichtlinie und die Begrenzung des Bleigrenzwerts zurück. Sie führte dazu, dass der Werkstoff CW602N aus dem Markt ausgeschieden ist und die Entwicklung von gesetzeskonformen Werkstoff-Alternativen notwendig war. Doch die UBA-Liste sagt nichts über die technische Eignung der zugelassenen Sanitärwerkstoffe aus. Hier sorgt die Werkstoffliste des Gesamtverbands Messing-Sanitär e.V. (GMS) als Pendant zur UBA-Liste für die notwendige Planungssicherheit. Die GMS-Liste enthält Sanitärlegierungen, die sowohl hygienisch als auch korrosionstechnisch geeignet sind. Grundlage für die Listung sind neben einer Vielzahl von Laboruntersuchungen auch Langzeitwerkstofftests, die der Gesamtverband regelmäßig in Auftrag gibt. Mitgliedsunternehmen wie der Halbzeughersteller Diehl und der Bauteile- und Systemhersteller Beulco nutzen den Technischen Ausschuss des GMS, um Fragen der Werkstoffzulassung zu diskutieren und die Optimierung von Sanitärlegierungen gemeinsam voranzutreiben. Diehl und Beulco fördern insbesondere den bleifreien Messingwerkstoff CW724R als zukunftsträchtige Alternative zu CW602N.

Mit rund 60 Legierungen im Portfolio gilt der traditionsreiche Halbfabrikate-Hersteller Diehl Metall Messing als führender Spezialist für Sondermessinge für die Sanitärbranche. Von diesem Werkstoff-Know-how des Produzenten aus dem fränkischen Röthenbach profitieren Bauteile- und Systemhersteller wie Beulco. Das Attendorner Traditionsunternehmen setzt u. a. die Messingstangen von Diehl für Sanitär-Komponenten im Anwendungsbereich Trinkwasser ein. Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden regulativen Vorgaben entwickeln die Geschäftspartner die eingesetzten Sanitärwerkstoffe anwendungsspezifisch weiter. Hierfür bringen beide Partner ihre fundierte Werkstoffkompetenz mit den jahrzehntelangen Erfahrungen in der Verarbeitung von Messingprodukten zusammen. Durch die Kombination von Werkstoff- und Anwendungs-Know-how entwickeln sie anwendungsspezifische und marktfähige technische Lösungen. „Doch die zunehmende Komplexität der regulativen Vorgaben und Zulassungsverfahren erfordert den regelmäßigen und intensiven branchenweiten Austausch mit Werkstoffexperten und -anwendern“, erläutert Dr. Volker Bräutigam, Leiter Sales Support bei der Diehl Metall Stiftung & Co. KG. „Hierfür nutzen wir den Technischen Ausschuss des GMS, wo wir unsere Erfahrungen einbringen und von den Anwendungserfahrungen anderer Hersteller profitieren.“

Zukunftsfähiger bleifreier Werkstoff

Ein Beispiel ist die Entwicklung von Beulco-Sanitärbauteilen aus dem bleifreien Messingwerkstoff CW724R auf Basis einer innovativen siliziumhaltigen Legierung. Diehl produziert seit vielen Jahren den gut zerspanbaren Werkstoff, der sich mittlerweile im Markt breit etabliert hat. Beulco ist einer der ersten Anwender und setzt in vielen Bereichen auf die zukunftsträchtige Werkstofflösung, die von Beginn an auf der UBA-Liste steht, ebenso wie auf der GMS-Werkstoffliste. Die Herausforderung beim hygienisch unbedenklichen, bleifreien Werkstoff war anfangs die spanende Bearbeitung, die eine Anpassung der Werkzeuge erfordert sowie die Notwendigkeit eines getrennten Recycling-Kreislaufs. Auf Basis des Austauschs im technischen Ausschuss des GMS entwickelten die Mitgliedsunternehmen individuelle Lösungen.

„Wir haben die Plattform des GMS zudem genutzt, um gemeinsam mit allen Werkstoffanwendern Langzeittests in Auftrag zu geben. Auf Grundlage dieser wissenschaftlichen Untersuchungen bei unabhängigen Instituten entwickeln wir ein tieferes Werkstoffverständnis. Diese aufwändigen und kostspieligen Analysen kann ein Unternehmen alleine kaum wirtschaftlich darstellen. Im Verbund mit allen GMS-Mitgliedsunternehmen ist dies jedoch realisierbar“, so Dr. Bräutigam.

Langzeit-Werkstofftests

Auch Beulco legt großen Wert auf die Langzeituntersuchungen, wie Hans-Dieter Ufermann, Geschäftsleitung Entwicklung bei der Beulco GmbH & Co. KG, erläutert: „Wir betreiben durchgängig einen hohen Aufwand für Materialtests, um stetig auf dem aktuellen Stand zu sein und Kunden die bestmögliche Beratung zu gewährleisten. Neben eigenen Auswertungen der Versuche mittels Härteprüfung, Schliffbildern, Zug- und Berstversuchen werden weiterreichende Untersuchungen in einem unabhängigen und akkreditierten Institut durchgeführt und ausgewertet. Dies sind unter anderem die Entzinkungs- und Spannungsrisskorrosions-Tests, die nach den Vorgaben des GMS durchgeführt werden.“

Werkstoffberatung: technische und wirtschaftliche Aspekte

Diehl und Beulco nutzen die im Technischen Ausschuss des GMS gewonnenen Erkenntnisse, um ihre Kunden in punkto Auswahl von betriebssicheren und gesetzeskonformen Bauteilen zu beraten. „Wir begleiten unsere Kunden von der Anfrage bis zum fertigen Produkt durch das hauseigene Projektmanagement in enger Abstimmung mit unserer Entwicklungsabteilung, Produktion und Qualitätssicherung“, sagt Hans-Dieter Ufermann. „Wir vernetzen uns dabei mit den Konstruktions-Fachleuten auf Kundenseite, um die Metallkomponenten unter Fertigungs- und Kostengesichtspunkten optimal zu gestalten.“ In sogenannten Cost Improvement Workshops sichten die Teams alle Konstruktions-Daten und analysieren diese. „Bei einer solch umfangreichen Beratung ist der Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette unumgänglich, da alle Faktoren begutachtet und mit einbezogen werden müssen.

Normen und Regelwerke im Blick

Auch gelte es, bei den Materialberatungen die aktuell gültigen Regelwerke nicht außer Acht zu lassen. „Deshalb sind wir in Normenausschüssen vertreten“, erklärt Beulco-Manager Ufermann. „Aber auch die REACH-Verordnung, die Trinkwasserverordnung, die UBA-Liste, die GMS-Liste sowie weitere nationale und internationale Zulassungskriterien müssen in eine kompetente Beratung einfließen.“ Ziel sei es, dem Kunden das komplexe Zusammenspiel der unterschiedlichen Regelwerke zu erläutern und zugänglich zu machen. „Gerade die Tatsache, dass die UBA-Liste lediglich die hygienische Eignung von Metallen im Kontakt mit Trinkwasser beschreibt und auflistet, ist längst noch nicht aussagekräftig, ob auch die technischen Eigenschaften ausreichend sind. Die GMS-Liste hingegen gibt Aufschluss über die physikalische Eignung von Werkstoffen“, unterstreicht Ufermann. „Hier gilt es dann, die Schnittmenge zu finden und genau das Material auszuwählen, welches für den jeweiligen Anwendungsfall das Optimum darstellt.“

Donnerstag, 12.12.2019