Die Kosten von Leitungswasserschäden gehen durch die Decke, Köln ist Spitze – bei Rohrbrüchen, und in Niedersachsen entwickelt sich ein Glaubenskrieg um Schuld und Sühne: Stiehlt sich der regionale Wasserversorger aus der (eventuellen) Verantwortung für den Lochfraß an kupfernen Trinkwasserleitungen?
„Et kütt, wie et kütt“ – vor allem Wasser „kommt, wie es kommt“, in Köln, der Hauptstadt der Rohrbrüche: In der Innen- und Südstadt platzen die Trinkwasserleitungen mehr als doppelt so häufig wie im Rest der Republik. In der wiederum ereignet sich durchschnittlich alle 30 Sekunden ein Leitungswasserschaden, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) errechnet hat.
In den ersten 17 Jahren des neuen Jahrhunderts stieg die jährliche Anzahl der Leitungswasserschäden um rund 20 Prozent, deren Kosten hingegen von 1,25 auf nahezu 2,8 Milliarden, also um 120 Prozent, so die Gebäudeversicherer. Viele dieser Schäden ließen sich vermeiden, würden die Installationen regelmäßig gewartet. Eigentlich müssten Hausbesitzer nach rund 30 Jahren ihr Rohrleitungssystem überprüfen, wenn nicht sogar bereits sanieren lassen, raten die Versicherer. Denn: Je älter das Gebäude, desto häufiger kommt es zu Leitungswasserschäden.
Lochfraß durch Trinkwasser?
Neben dem Alter der jeweiligen Installation könnte aber auch das Wasser selbst ein Faktor für häufige und teure Schäden sein. Ganz konkret im Fokus steht schon länger das Trinkwasser des Wasserwerks Drakenburg im Landkreis Nienburg, Niedersachsen. Dort häufen sich seit Jahren Korrosionsschäden durch Lochfraß in (kupfernen) Trinkwasserleitungen. Eine Bürgerinitiative „Weg mit dem Lochfraß“ engagiert sich für die Interessen der Geschädigten. Sie fordert den Einsatz von korrosionshemmenden Inkubatoren im Trinkwasser, macht also den Wasserverband verantwortlich. Dagegen verwahrt sich der Versorger: Lochkorrosion könne eine Vielzahl von Ursachen haben und sei damit ein „Multifaktorenproblem“, heißt es auf der Webseite des Wasserwerks. Und weiter: „Untersuchungen hätten ergeben, dass das Verbindungsverfahren Hartlöten ursächlich für Lochkorrosionsfälle in Trinkwasser-Hausinstallationen aus Kupfer ist.“
Dabei beruft sich der Versorger auf ein bundesweites Forschungsprojekt mit 200 Trinkwässern, das 2017 festgestellt habe: Die Trinkwasserbeschaffenheit könne nicht Ursache für Korrosionsschäden an Kupferrohren sein. Also seien weder schlichte Schuldzuweisungen noch pauschale Lösungen zielführend, so der Wasserverband.
In Niedersachsen droht „Krieg“ um Wasser
Eines von inzwischen mehreren Gutachten zu dem konkreten Fall empfiehlt hingegen Phosphat als Inhibitor. Das Element bilde mit Wasser eine Schutzschicht in den Rohren, die Lochfraß verhindere. Während die Bürgerinitiative den zentralen Einsatz des Phosphats ab Wasserwerk fordert, plädiert der Gutachter: „Die dezentrale Dosierung der Inhibitoren in betroffenen Haushalten entspricht dem Minimierungsgebot der Trinkwasserverordnung und wäre eine mögliche Problemlösung.“ Dagegen wiederum meldet das Landesgesundheitsamt Bedenken an. Es drohe eine mögliche Verkeimung im Rohrnetz durch Phosphate.
Erschwert wird die ganze Debatte durch den Mangel an objektiven Zahlen. Die von der Bürgerinitiative angeführten 1.500 Fälle von Lochkorrosion (mit steigender Tendenz) hält der Wasserverband für deutlich übertrieben.
Dialog abgebrochen
Inzwischen scheint das Tischtuch endgültig zerrissen - die Bürgerinitiative brach im September den Dialog mit den Gemeinden ab. Zuvor hatte die BI die Initiative für ein fremdfinanziertes und ergebnisoffenes Forschungsprojekt vor Ort zum zentralen und dezentralen Einsatz von Inhibitoren ergriffen. Der für das Wasserwerk Drakenburg verantwortliche Wasserverband knüpfte seine Teilnahme an dem Projekt jedoch an eine Bedingung: Nur der dezentrale Einsatz von Inhibitoren solle untersucht werden, nicht aber der zentrale ab Wasserwerk. Begründet wurde das mit dem Minimierungsgebot der Trinkwasserverordnung. Bürgermeister und Bauauschuss folgten dieser Empfehlung. Das sah die Bürgerinitiative als bewussten Affront: „Mit dem erneuten Versuch der Beeinflussung und Pervertierung von Forschung zeigen die politisch Verantwortlichen, dass sie nicht auftragsgemäß den Bürgern helfen wollen, sondern weiter nur die Interessen des Wasserverbandes bedienen.“ So würde der Verband als Lieferant eines korrosiven Produktes von vornherein aus jeglicher Pflicht und Verantwortung genommen – die Folgekosten hingegen ausschließlich den Geschädigten aufgebürdet… Das sei bewusste Politik gegen die Bürger und Grund genug, den Dialog zu beenden…