Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) sind für Geschosswohnungsbauten im Bestand unerlässlich, um den Wärmedurchgangskoeffizienten und damit die Verbrauchswerte auf ein zeitgemäßes Maß zu reduzieren. Die dichtere Gebäudehülle zieht für den hinreichenden Luftaustausch aber in aller Regel den Einbau einer dezentralen Wohnraumlüftung nach sich. Brandschutztechnisch lassen sich diese Außenwanddurchlässe über gekapselte Fassadenelemente als integrierter Bestandteil des WDVS absichern.
Die Dämmung der Gebäudehülle gilt als probater erster Schritt, den Wärmebedarf eines Objektes massiv zu verringern. Je nach Ausführung und Rechenweise liegen die berechneten (oder zumindest erwarteten) Einsparungen durch ein WDVS zwischen 40 und 70 Prozent. Vor allem in Geschosswohnungsbauten aus den 60er und 70er Jahren zog das viele Zentimeter starke „Einpacken mit Polystyrol“ aber sofort die nächste Maßnahme nach sich, den Einbau einer dezentralen Wohnraumlüftung. Denn dichte Dämmung war und ist zum einen gleichbedeutend mit deutlich niedrigerem Luftaustausch in den Räumen.
Zum anderen kommt es zu einer Verschiebung des Taupunktes und damit letztlich zum Entstehen von Schimmel, wenn die Nutzer ihr Lüftungsverhalten nicht anpassen. Weil aber das in Gerichtsurteilen (zum Beispiel LG Frankfurt/Main, Urteil vom 7. Februar 2012, Az. 2-17 S 89/11) geforderte „3 bis 4 Mal Stoßlüften pro Tag“ unabhängig von Berufstätigkeit und Schlafenszeiten nicht praktikabel ist, wird der Einbau entsprechender Wohnraumlüftung eigentlich schon allein zum Schutze der Bausubstanz unumgänglich.
Inwieweit hier eine zentrale, wohnungs- oder raumweise Wohnraumlüftung zu bevorzugen ist, hänge dabei immer vom Einzelfall ab, sagt Professor Dr.-Ing. Thomas Hartmann vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung (ITG) in Dresden. Er hat als einer der geistigen Väter die Lüftungsnorm DIN 1946-6 „Raumlufttechnik – Lüftung von Wohnungen“, also auch die daraus abgeleitete Forderung nach dem Aufstellen von Lüftungskonzepten entscheidend mit entwickelt und mit verfasst: „Patentrezepte gibt es nicht, es muss im Einzelfall entschieden werden.“
Also geht es in die Deklination, was beispielsweise in der und für die Wohnungswirtschaft im Bestand möglich ist:
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Eine zentrale Zu- und Abluftanlage mag zwar baulich machbar sein. Sie ist aber in aller Regel technisch sehr aufwändig und damit fast nur in Modellversuchen oder Pilotprojekten zu finden. Aber: Diese Variante funktioniert nutzerunabhängig, deckt die vier Lüftungsstufen (siehe Kasten) uneingeschränkt ab und ist energetisch wie brandschutztechnisch vorbildlich.
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Außenluftdurchlässe in den nicht innenliegenden Räumen und Überströmöffnungen zwischen den Räumen einer Wohnung sowie ein Abluftventilator im innenliegenden Bad nach DIN 18017-3 – das geht eigentlich immer und ist vergleichsweise wirtschaftlich zu realisieren. Aber: Hier erfüllt man nur den Feuchteschutz, und die Küche wird ungewünscht zum Zuluftraum. Dafür gibt es beim Brandschutz über den (Installations)Schacht keine Probleme, weil der in aller Regel ohnehin den F30-/F90-Anforderungen entspricht.
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Die Querlüftung mit Außenluftdurchlässen (ALD) ist wirtschaftlich zu realisieren, da sie wohnungsweise leicht nachzurüsten ist, also beispielsweise je nach Sanierungsfortschritt und Bedarf. Sie ist als Lüftung zum Feuchteschutz anerkannt.
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Bei den Einzelraum-Lüftungsgeräten muss grundsätzlich zwischen reinen Außenluftdurchlässen, also passiven Elementen ohne Ventilator, und „dynamischen“ Einzelraumlüftungsgeräten mit aktiver Lüftung über einen Ventilator unterschieden werden (siehe Abb. 1). Bei der Auslegung sind allerdings so genannte Kurzschlüsse, d.h. sich gegenseitig beeinflussende Lüftungsgeräte beispielsweise von übereinanderliegenden Geschossen, zu verhindern, rät Professor Hartmann. Ansonsten, so der Lüftungsspezialist, erfüllen die Einzelraumlüftungsgeräte alle Leistungsanforderungen, die an kontrollierte Lüftungsanlagen zum Feuchteschutz und zum Erhalt der Raumluftqualität gestellt werden (siehe Abb. 2).
Regelungsbedarf besteht allerdings bei dezentralen Lüftungslösungen über Einzelraumlüftungsgeräte aktuell noch in Sachen „Brandschutz“. Denn während beispielsweise die Absicherung von Raumentlüftungssystemen nach DIN 18017, Teil 3, in Verbindung mit Installationsschächten innerhalb eines Gebäudes über die Landesbauordnungen explizit beschrieben und geregelt ist, fehlen für Einzelraumlüftungsgeräte bislang vergleichbare Vorgaben.
Grundlagenarbeit notwendig
Das „Regelungsdefizit“ hängt zwar eng damit zusammen, dass ALD und Einzelraumlüftungsgeräte keine Wanddurchführungen „durch feuerbeständige Wände oder Decken“ (mit F-Klassifizierung) im Sinne ursprünglicher Definition sind. Davon losgelöst zeigt aber gerade die anhaltende Diskussion um die mögliche Brandlast von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) die enge Wechselbeziehung zwischen Fassadenbränden und Außenwanddurchführungen zum Zwecke der Wohnraumlüftung auf.
„In der Vergangenheit“, erinnert sich Professor Dr.-Ing. Thomas Hartmann, „gab es zwar gewisse Vorgaben zur Verschließbarkeit von ALD, beispielsweise in der EnEV 2002. Aber die waren eben im Hinblick auf Wärmeverluste verfasst, nicht unter dem Aspekt des Brandschutzes.“ Auch nur noch in der Rückschau als Erwähnung: die etwa zehn Jahre alten Merkblätter des ZIV, die auf Risiken durch Abgase abzielten; das Thema Brand- oder zumindest Rauchüberschlag vom WDVS abtropfend in den ALD also ebensowenig zum Gegenstand hatten.
Ob und inwieweit daraus resultierend auf Strecke gesehen ein ähnlicher Regelungskatalog aufgestellt wird (oder werden sollte) wie bei klassischen Wanddurchführungen durch Brandschutzabschnitte, mag Professor Hartmann dabei derzeit ebenso wenig beurteilen wie die Frage, ob an ALD und Einzelraumlüftungsgeräte ähnliche Prüfanforderungen wie beispielsweise an Brandschutzklappen oder Deckenschotts zu stellen wären: „Es gibt sicherlich technische Tendenzen bis hin zu Sensoren für die Raumluftqualität, die bei den dezentralen Wohnraumlüftungssystemen durchaus auch als Notfallschalter im Brandfalle fungieren könnten. Bis das aber in entsprechenden Regelwerken abgebildet ist, muss zuvor noch wesentliche Grundlagenarbeit geleistet werden.“
Schutzeffekt wie Brandriegel
Bis diese Regelwerke erstellt und anerkannt sind, ist also bei der nachträglichen Ausstattung von Geschossbauten mit einem Wärmedämmverbundsystem in Kombination mit einer raumweisen, dezentralen Wohnraumlüftung der Brandschutz bauseits sicherzustellen. Als anerkannter Stand der Technik gelten dafür DIBt-geprüfte Fassadenelemente mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung, die in schwer entflammbaren WDVS nach DIN 4102-1/B1 eingesetzt werden dürfen. Diese Fassadenelemente in der Dämmstärke des WDVS bestehen in der Regel aus einer inneren und äußeren mineralischen Kapselung des Dämmkerns (s. Abb. 3). Er kompensiert mit einem Durchgangskoeffizienten von 0,030 W/m²K einerseits die Verringerung der Wärmedämmschicht im Bereich des Lüftungsspaltes. Andererseits aber wirken die Elemente durch die mineralische Kapselung ähnlich wie die Brandriegel, die für Gebäude mittlerer Höhe beziehungsweise für die Gebäudeklassen 4 bis 5 in jedem zweiten Geschoss oberhalb der Fenster als Schutz gegen eine Brandausbreitung/Brandweiterleitung auf Außenwänden mit WDVS vorgeschrieben sind.
Außenluftdurchlässe oder Einzelraumlüftungsgeräte ohne diesen „baulichen Brandschutz“ stellen hingegen nicht nur ein höheres Brandrisiko an sich dar: Da die ALD die als System geprüfte Konstruktion des WDVS durchbricht, erlischt sofort dessen Zulassung nach DIN 4102-1/B1. Die gedämmte Fassade als solche entspricht also nicht mehr den aktuellen Brandschutzvorgaben für Geschossbauten – mit allen daraus möglicherweise resultierenden Haftungsrisiken für die Betreiber.
Zusätzlichen Charme gewinnen DIBt-geprüfte Fassadenelemente mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung für den Einsatz in schwer entflammbaren WDVS im Brandüberschlagsbereich im Übrigen durch eine spezielle Umlenkung der Luftführung in den gekapselten Elementen: Neben dem Fenster montiert befindet sich das nur wenige Zentimeter breite Zu-/Abluftgitter dadurch nahezu unsichtbar in der Fensterlaibung, ohne Einschränkung der Lüftungsleistung (siehe Abb. 4). Dieser gestalterische Effekt wird vor allem von Architekten geschätzt, die Wert auf eine harmonische, in sich nicht durch häufig wiederkehrende Lüftungsöffnungen unterbrochene Fassadengestaltung legen (siehe Abb. 5).
Fazit
Normativ ist die brandschutztechnische Abschottung von dezentralen Wohnraumlüftungssystemen mit Außenwanddurchlass in Wärmedämmverbundsystemen trotz der latent vorhandenen Brandrisiken (noch) nicht geregelt. Herstellerseits stehen aber mittlerweile mineralisch gekapselte Fassadenelemente für WDVS bis 300 mm Dämmstärke zur Verfügung. Mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung bieten sie DIBt-geprüft einen Brandschutz auf demselben Niveau wie Brandriegel, die zum Schutz vor Feuerüberschlag in mehrgeschossigen Gebäuden über Fenstern vorgeschrieben sind. Durch die integrierte Luftumlenkung in die Fensterlaibung bleibt das harmonische Fassadenbild dabei aber dennoch erhalten.
Als Maßstab für den Lüftungsumfang und damit natürlich auch für die Luftqualität im Raum sind in der DIN 1946-6 vier Lüftungsstufen definiert:
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Lüftung zum Feuchteschutz: Diese Stufe ist nutzerunabhängig
sicher zustellen und dient dem Bautenschutz. Sie erfüllt das Ziel,
Feuchtigkeitseinträge bei üblicher Nutzung, aber zum Teil reduzierten
Lasten (zum Beispiel durch zeitweise Abwesenheit und kein
Wäschetrocknen in den Wohn räumen), abzuführen, um Schimmel
und ähnliche Schäden zu verhindern. Bei der Auslegung ist zudem
das Wärmeschutzniveau des Gebäudes zu berücksichtigen.
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Reduzierte Lüftung: Diese Stufe ist weitestgehend nutzerunabhängig
sicherzustellen. Außer dem Bautenschutz gewährleistet
sie darüber hinaus den hygienischen Mindeststandard für die
Raumluftqualität, beispielsweise in puncto Stoffbelastung.
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Nennlüftung: Bei der Berechnung dieser Stufe kann die aktive
Fenster lüftung durch den Nutzer mit einbezogen werden. Sie erfüllt
sowohl die hygienischen und gesundheitlichen Anforderungen an
die Raumluft bei normaler Nutzung als auch den notwendigen
Luftaustausch für den Bautenschutz.
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Intensivlüftung: Dabei kann die aktive Fensterlüftung durch den
Nutzer mit einbezogen werden. Diese Stufe dient dem zeitlich
beschränkten Abbau von Lastspitzen (zum Beispiel durch Kochen und
Wäschetrocknen) und weist einen erhöhten Luftvolumenstrom auf.