Damit lohnt sich für Planer wie Fachhandwerker der Blick aufs (Bau-)Detail: Wiederverwertbare Produkte mit den entsprechenden Eigenschaften werden künftig deutlich besser eingestuft als Werkstoffe, die sich durch die Installationen „verbrauchen“. Ein Beispiel dafür sind bei Rohrleitungen solche aus (wiederverwertbarem) Kupfer im Vergleich zu solchen aus Kunststoff- oder Verbundmaterialien.
Nachhaltiges Bauen im Fokus
Das lineare Wirtschaften über die Gewinnung von natürlichen oder mineralischen Rohstoffen, deren Verarbeitung und Nutzung und dem abschließenden, endgültigen Wegwerfen führt zu einem unnötig hohen Ressourcenverbrauch und zur Belastung der Umwelt. Diese Erkenntnis setzt sich zunehmend auch auf dem Bau durch; Stichwort: nachhaltiges Bauen. Weg vom einmaligen Verbrauch – hin zum mehrmaligen Gebrauch ist die immer wichtiger werdende Maxime der Kreislaufwirtschaft. Dafür braucht es aber zwingend Produkte aus Materialien und Werkstoffen mit ökologischen Eigenschaften – klimaneutral, nachhaltig und wiederverwendbar. Zu den altbewährten Materialien gehört dabei insbesondere das Buntmetall Kupfer, einer der Leitwerkstoffe in der Technischen Gebäudeausstattung (TGA), wo es in vielfältigster Weise eingesetzt wird, beispielsweise für die elektrische Ausstattung, die Vernetzung zum Smart Home oder für die zuverlässige Versorgung mit Wasser und Wärme.
Im Zuge der Umstellung vom linearen zum kreislauforientierten (Bau-)Wirtschaften spielen diese „grünen“ Qualitäten von Werkstoffen und Bauteilen zunehmend eine entscheidende Rolle. Deshalb zeichnet auch die Kupferindustrie seit 2020 Unternehmen aus, die Kupfer ressourcenschonend und nachhaltig produzieren – mit dem Gütesiegel „Coppermark“. Das Siegel orientiert sich an den „Zielen für eine nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen („Sustainable Development Goals“- SDGs). In Europa wurde bislang zwei Unternehmen das Gütesiegel verliehen: eine Kupferhütte in Huelva (Spanien) sowie eine zur in Hamburg ansässigen Aurubis AG gehörende in Bulgarien. Inzwischen hat sich auch der Kupferrohrhersteller Wieland dem Gütesiegel als Copper Mark Partner angeschlossen.
Fokus auf nachhaltige Produkte
Der kreislaufwirtschaftliche Fokus auf nachhaltige Produkte führt bereits heute zu starken wirtschaftlichen Konsequenzen für die Bauwirtschaft. So spielen beispielsweise beim Kauf und Verkauf von Immobilien Aspekte wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung und Klimaneutralität eine immer wichtiger und künftig entscheidend werdende Rolle. Entsprechende Investitionen sowohl im Neubau als auch im Bestand tragen also zum Erhalt, wenn nicht zur Steigerung des Wertes einer Immobilie bei. Zudem ist „Grünes Bauen“ dann weitaus wirtschaftlicher, weil dabei der komplette Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt wird. Bei einer entsprechenden Kalkulation schon in der Anfangsphase eines Gebäudes können nämlich bis zu 80 Prozent der Kosten eingespart werden – verglichen mit einer konventionellen, „linearwirtschaftlichen“ Planung |1. Wichtig ist dabei vor allem für Häuslebauer, Investoren, Planer und ausführendes Handwerk: Die gesamten Kosten lassen sich am stärksten in der Planungsphase beeinflussen, wie in Grafik 1
dargestellt.
Europäische Union gibt den Rahmen vor
Zwei Programme der EU mit dem Ziel nachhaltigen Wirtschaftens werden in diesem Kontext auch für die Bau- und Wohnungswirtschaft rasant an Bedeutung gewinnen: der „Green Deal“ und der „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“. Betrachtet man derzeit den kompletten Lebenszyklus aller Gebäude über Rohstoffgewinnung, Herstellung der baulichen Komponenten, Bau, Nutzung, Abbau und Recycling, so ist der europäische Bausektor verantwortlich für:
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50 Prozent des gesamten Energieverbrauchs,
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40 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen,
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die Hälfte aller abgebauten Mineralien und
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ein Drittel des gesamten Wasserverbrauchs
innerhalb der EU.
Den Rahmen für die Implementierung des „Green Deal“ und der „Prinzipien der Kreislaufwirtschaft“ im Bauwesen bildet dafür Level(s). O-Ton EU: „Level(s) ist ein Bewertungs- und Berichtsrahmen, der eine gemeinsame Sprache für die Nachhaltigkeitsleistung von Gebäuden bietet. Level(s) fördert die Berücksichtigung des Lebenszyklus von Gebäuden und liefert einen robusten Ansatz zum Messen und Unterstützen von Verbesserungen vom Entwurf bis zum Lebensende von Wohngebäuden und Büroräumen. Level(s) verwendet Basisindikatoren zur Nachhaltigkeit, die im und vom Bausektor getestet werden, um CO!SUB(2)SUB!, Materialien, Wasser, Gesundheit und Wohlbefinden sowie Klimawandelfolgen unter Berücksichtigung von Lebenszykluskosten und Wertermittlungen zu bemessen. Level(s) ist eine Open Source-Software und steht jedem kostenlos zur Verfügung.“ |2
Level(s) konzentriert sich dabei auf sechs Themen: Treibhausgasemissionen, Gesundheit und Förderung des Wohlbefindens, Wasserverbrauch, Klimaresilienz, Lebenszyklus-Kosten und -Wert sowie Ressourceneffizienz. Damit geht der EU-Nachhaltigkeitsrahmen deutlich weiter als die bislang gebräuchlichen Zertifizierungssysteme für nachhaltiges Bauen. Die umfassen in der Regel noch nicht den kompletten Lebenszyklus eines Gebäudes. Ausnahmen bestätigen die Regel: So enthält beispielsweise die neueste Version des Zertifizierungsprogramms der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) bereits Level(s)-Indikatoren.
Level(s) wurde auch entwickelt, um quasi eine „gemeinsame europäische Sprache“ für Bauträger und Investoren, Bau- und Handwerksunternehmen, Architekten und Ingenieure sowie private oder berufliche Gebäudenutzer – kurz, für die gesamte Wertschöpfungskette des Bausektors – zu entwickeln. Level(s) generiert europaweit gemeinsame Indikatoren zur Messung der Nachhaltigkeit von Gebäuden über ihre gesamte Lebensdauer. Das Rahmenprogramm repräsentiert so also den aktuellen europäischen Konsens zu nachhaltigem Bauen.
Recyclen – Downcyclen - Upcyclen
Gerade die beiden Punkte Lebenszyklus-Kosten und -Wert sowie Ressourceneffizienz rücken die in einem Gebäude verwendeten Materialien und Werkstoffe in den Fokus. Das „Cradle-to-cradle“-Prinzip (C2C) verlangt von allen Produkten (beziehungsweise den biologischen oder technischen Stoffen und Materialien, aus denen sie bestehen) idealerweise die möglichst hundertprozentige Wiederverwertbarkeit. Beim Recyclen eines beliebigen Stoffes gibt es dabei zwei Möglichkeiten. Die eine ist das Downcyclen. Ein Beispiel: Der beim Abriss eines Gebäudes anfallende verbaute Beton kann nicht zu hundert Prozent für die gleiche Funktion wieder verwendet werden. Allenfalls kann man ihn als sogenannten RC-Beton neuem Beton beimischen, in Deutschland beispielsweise mit Anteilen von 35 - 45 Prozent. Der Baustoff Beton lässt sich also, zumindest derzeit, lediglich downcyclen.
Ähnlich verhält es sich mit der Wiederverwendbarkeit von Kunststoffen, die in dem abgerissenen Gebäude vielleicht für die Energie- oder Wasserversorgung eingesetzt waren. Diese lassen sich ebenfalls lediglich downcyclen. Denn: Beim Rezyklierprozess von beispielsweise Trinkwasserleitungen aus Kunststoff wird die ursprüngliche Anordnung der Makromoleküle zerstört. Genau die bedingte aber die trinkwassertauglichen Eigenschaften des Werkstoffs. Deshalb dürfen Rohrleitungen aus rezyklierten Kunststoffen nicht im Kontakt mit Trinkwasser oder Gas verbaut werden.
Die beiden Beispiele zeigen, wie sich Produkte auf die Wertschöpfung über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes auswirken. Daran wird deutlich, wie wichtig schon bei der Planung eine perspektivisch auf den künftigen Rückbau blickende Bau- und Werkstoffauswahl ist – der Neubau von heute ist das Rohstofflager von morgen…
Denn im Gegensatz zu Beton oder Kunststoff lässt sich der beim Abriss eines Gebäudes anfallende Metallschrott nicht nur recyclen, sondern auch upcyclen. Ein hervorragendes Beispiel dafür: das Buntmetall Kupfer. Legierungsschrotte wie Messing, Bronze und Rotguss etwa enthalten zwischen 60 und 80 Prozent Kupfer, ebenso gehäckselte elektrische Leitungen. Also kein Abfall, sondern wertvolles, für die Wiederverwendung absolut geeignetes Rohmaterial. Auf solche Schrotte ist beispielsweise die Montanwerke Brixlegg AG in Tirol spezialisiert. Die Kernkompetenz des Unternehmens „liegt im Recycling von kupferhaltigen Sekundärrohstoffen und in der Rückgewinnung dieses Rohstoffs, wobei das Recycling bis zu 85 Prozent weniger Energie als die Primärproduktion erfordert! Indem der Kupferbedarf durch Recyclingmaterial gedeckt wird, tragen die Montanwerke Brixlegg einen wesentlichen Beitrag zur europäischen Kreislaufwirtschaft und zur Ressourcenschonung bei“, erläutert Andreas Enderle, Leitung Verkauf & Marketing bei Brixlegg.
Kupfer ist damit ein Werkstoff, der die hohen Anforderungen einer Kreislaufwirtschaft und des Rahmenprogramms Level(s) bereits heute vollumfänglich erfüllt: Es lässt sich quasi unendlich wiederverwenden, ohne seine qualitativ hohen Eigenschaften zu verlieren. Das Gleiche gilt zudem für alle Kupfer-Legierungen wie Bronze, Messing oder Rotguss; in der Praxis typisch dafür: Verbinder oder Armaturen.
Wie viel das ausmacht, bestätigt eine weitere Zahl: Im Bauwesen kommen allein 15 Prozent der deutschen Kupferproduktion zum Einsatz, in erster Linie als Werkstoff für Produkte im Kontext der Trinkwasser- und Energieversorgung, für elektrische und elektronische Installationen sowie für Fassaden und Dächer.
Fazit
Die politischen Vorgaben der EU – „Green Deal“ und „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ veranlassen die Bau- und Wohnungswirtschaft, die Wirtschaftlichkeit von Gebäuden über den gesamten Lebenszyklus zu rechnen. Das beinhaltet die möglichst komplette Rückführung der verbauten Werkstoffe und Bauprodukte in den natürlichen und technischen Stoffkreislauf. Um diese Berechnungen und Kalkulationen EU-weit transparent, vergleichbar und in einer „gemeinsamen Sprache“ auszuführen, wurde das Rahmenprogramm Level(s) eingeführt. Als ein geradezu musterhaftes Beispiel für einen Werkstoff, der die hohen ökologischen Kriterien der Kreislaufwirtschaft erfüllt, gelten das Halbedelmetall Kupfer und seine Legierungen.
Quellen:
|1 BMI (Hrsg.), Leitfaden Nachhaltiges Bauen, 3. Auflage, Berlin 2019.
|2 „Flyer Level(s)“, herausgegeben von der Europäischen Kommission.