Er ist nach wie vor heftig umstritten: Der Große Befähigungsnachweis, die Meisterpflicht oder, fast schon polemisch, der Meisterzwang… Seine Abschaffung sorge für mehr Wettbewerb und sinkende Preise für den Kunden – sagten die Befürworter der Reform von 2004. Nachlassende Qualität der handwerklichen Arbeit und Ausbildung, verbunden mit einem schlechteren Image für das gesamte Handwerk, sagen immer noch die Freunde der Meisterpflicht.
Vor fast 15 Jahren wurde sie für 53 Gewerke abgeschafft – nach wie vor wird heftig darüber diskutiert: die Meisterpflicht. Zwei Wissenschaftler des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh) diskutierten die Pros und Contras in der August-Ausgabe der Zeitschrift „Wirtschaftsdienst“.
Gewichtiges Pro-Meister-Argument ist das historisch-traditionelle: „Althergebrachte handwerkliche Traditionen, Werte und Muster sind eng mit dem beruflichen Ethos verknüpft, als selbstständiger Meister einen eigenen Gewerbebetrieb zu führen und Lehrlinge auszubilden“, so die Befürworter. Das führe bis heute zu wichtigen volkswirtschaftlichen Funktionen des Handwerks, etwa bei der weltweit vorbildlichen dualen Ausbildung, dem Innovationssystem (das SanitärJournal berichtete dazu hier) und der regionalen Entwicklung. Dafür sei die Meisterpflicht zwar nicht alleinige Ursache, auf jeden Fall aber ein wichtiger Garant. Tatsächlich ist empirisch bewiesen, dass die Ausbildungsleistung in den „meisterfreien“ Gewerken seit der Reform deutlich zurückgegangen ist (siehe Grafik).
Meisterbetriebe genießen höheres Ansehen
Ein höheres Einkommen erzielen Inhaber und Beschäftigte in „meisterlich“ geführten Betrieben, wenngleich diese Differenz nicht so ausgeprägt ist wie von den Reformern angenommen. Weit bedeutender ist hingegen ein anderer Effekt: Wie erwartet und erwünscht ist die Zahl der Neugründungen in den meisterfreien Gewerken sprunghaft angestiegen. Auch hat sich seit der Reform der Anteil der selbstständig und abhängig Beschäftigten aus dem EU-Ausland deutlich erhöht, was deren Integration in den Arbeitsmarkt erleichtert.
Die Kehrseite der Medaille zeigte sich aber schon bald in einer niedrigen Überlebensrate vieler Neugründungen. Ebenso stieg die Anzahl der Solo-Selbstständigen, die sich einkommensseitig gerade so über Wasser halten können und sozial-unterversichert sind. Ob die Qualität handwerklicher Arbeit durch die Reform gelitten hat, wird (nicht nur) von Befürwortern der Meisterpflicht angenommen und behauptet. Ein empirischer Nachweis dafür existiert jedoch bislang nicht. Allerdings erhalten Meisterfirmen beispielsweise auf der Plattform „MyHammer“ bessere Kundenbewertungen und halten sich da auch länger, wie Untersuchungen ergaben.
Das klassische Argument gegen den „Meisterzwang“: Er schotte Märkte künstlich ab, was zu geringerem Wettbewerb, höheren Preisen und in Folge zu Monopolrenten führe. Von daher wurden nach der Reform sinkende Preise und höhere Marktvolumina erwartet. Beides lässt sich empirisch nicht bestätigen.
Als Fazit lässt sich festhalten: Einige Aspekte und Auswirkungen der Reform von 2004 sind soweit untersucht worden, dass die empirischen Daten ein solides Fundament für eine offene Debatte bilden. Insgesamt aber besteht noch reichlich Forschungsbedarf sowohl für eine abschließende Beurteilung der Deregulierung wie auch für fundierte Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Handwerksordnung.