Es gibt Unternehmen, die haben eine ganze Branche geprägt. Und tun es noch heute.
"Die Marke Grohe will für das Fachhandwerk wieder emotional erlebbar werden!"
Es gibt Unternehmen, die haben eine ganze Branche geprägt. Und tun es noch heute.
Wie der originär Sauerländer Armaturenhersteller Grohe, heute Teil der japanischen Lixil-Group, ein Baustoffkonzern. Bis dahin war es ein ebenso traditionsreicher wie wechselhafter Weg: 1936 kauft Friedrich Grohe den Hemeraner Badezimmer-Hersteller Berkenhoff & Paschedag – und legt damit den Grundstein für eine bemerkenswerte Entwicklung hin zum Weltkonzern, in den unter anderem 1956 der Thermostate-Bauer Carl Nestler (heute Grohe Thermostate Lahr), 1991 die Armaturenfabrik Eichelberg und 1994 DAL (Druckspüler und Vorwandtechnik) eingegliedert werden. Innovationen wie „Skalatherm“ (der „Volksthermostat“ fürs private Badezimmer), die Entwicklung der ersten Einhandmischer oder der „Cooltouch“-Technologie als Schutz vor Verbrühungen sind aus diesen Jahrzehnten bis heute ein Begriff.
1998 jedoch war für Grohe die Zeit als börsennotiertes Familienunternehmen zu Ende: Erst ging das Unternehmen damals recht spektakulär an Finanzinvestoren, im Januar 2014 wiederum an die japanische Lixil-Gruppe. Die Marke selbst blieb jedoch auch bei diesem Wechsel unangetastet – und das war gut so. Denn während sich beispielsweise US-amerikanische Konzerne wie Kohler am doch eher diffizil aufgestellten europäischen, speziell dreistufigen deutschen Markt eher erfolglos abarbeiteten, setzte Grohe kontinuierlich auf Innovationen wie das Wassersystem „Grohe Blue“ oder auf Markttrends wie das Dusch-WC „Sensia Arena“ – und baut seine Position als eine der Top-Marken in der Haustechnik so ausgesprochen erfolgreich aus, sagt Alexander Zeeh, seit Juli 2019 Grohe-Geschäftsführer Deutschland und seit September 2019 Regional Vice President Central Europe: 2019 beispielsweise war unser Wachstum in Deutschland, Österreich und der Schweiz deutlich größer als das des Marktes. Dazu trugen Armaturen und Duschprodukte bei, aber mit dem neuen ,Rapid SLX‘ auch Produkte der Vorwandtechnik. Außerdem unsere Grohe-Wassersysteme ,Blue‘ und ,Red‘ und das Küchensegment, das wir 2019 gemeinsam mit den Wassersystemen in einer neuen Geschäftseinheit zusammengeführt haben.
Aber – und die Einschränkung kommt genauso selbstkritisch hinterher – es gibt für das laufende Jahr auch noch eine ganze Menge Hausaufgaben zu tun. „Grohe hat“, so Zeeh, „in den vergangenen dynamischen Wachstumsjahren dem verarbeitenden Fachhandwerk nicht unbedingt die Aufmerksamkeit geschenkt, die für eine nachhaltige Marktentwicklung notwendig ist.“ Die Konsequenz daraus: Für Grohe ist 2020 „das Jahr des Handwerks“! Denn Gespräche mit Kunden, Verbänden und Großhandel haben gleichermaßen gezeigt, dass der Fachhandwerker beim Endkunden nicht mehr unbedingt der Empfehler für den Branchenriesen ist. Auf der Fachschiene hoch emotional diskutierte Ereignisse wie der Grohe-Showtruck vor dem Baumarkt haben dazu zweifellos beigetragen…
Die Situation ist jedoch erkannt und analysiert, Grohe stuft das Bekenntnis zum dreistufigen Vertriebsweg im Allgemeinen und zum Fachhandwerk im Besonderen als „wichtigsten Eckpunkt in der Gesamtstrategie für die kommenden Jahre“ ein und will entsprechend handeln: „Die Marke muss für das Fachhandwerk wieder emotional erlebbar werden“, fordert Alexander Zeeh: „Wir haben zugehört, verstanden und sehen den engen Schulterschluss mit dem Handwerk ganz klar als Schlüssel für unseren Erfolg in der Zukunft!“
Konkret gehört dazu mehr Unterstützung für das Fachhandwerk, in Corona-Zeiten vor allem online: Trainings und Montagevideos beispielsweise oder der „digitale Messestand“, weil ja aufgrund des Lockdowns die intensiven persönlichen Begegnungen unter anderem auf den Regionalmessen Essen und Nürnberg erstmal weggefallen sind. In der Vermarktung startet Grohe die Kampagne „Meisterwerker“ – und betont so den Stellenwert des Fachhandwerks zusätzlich.
„Direktvermarktung“, unterstreicht Alexander Zeeh, „wird es definitiv nicht geben!“. Auch wenn man sich naheliegenderweise Gedanken darüber machen müsse, wie man in Zeiten von Multichannel mit alternativen Distributionswegen umgehe. Hier gelte es, zu einer Balance zu kommen, die einerseits die Grohe-Markenwerte wie Qualität, Technologie, Design und Nachhaltigkeit – sowie eben besagte Bedeutung des Fachhandwerks als Empfehler – transportiere, andererseits aber auch das veränderte Einkaufsverhalten der Endkunden aufnehme. Die Messlatte für all diese Überlegungen sei dabei jedoch immer: „Das Handwerk und der dreistufige Vertriebsweg sind das Rückgrat der gesamten Branche!“
Produktseitig setzt Grohe dabei zum einen auf das Komplettbad. Aufgestellt ist der Hersteller für diese Herausforderung sicherlich sehr gut – allein: Es fehlt wohl noch etwas der Hebel, das genauso gut an den Endkunden zu bringen, damit der über seinen Fachhandwerker entsprechend bestellt. Nicht zuletzt, weil sich die über die Lixil-Gruppe hinzugekommene Kompetenz in Keramik augenscheinlich noch nicht wirklich herumgesprochen hat. Die Serien „Cube“, „Essence“ und „Euro“, die Programme „Bau“ und „Duschwannen“ – es gibt im Prinzip alles rund um Waschtisch und Wanne, Duschfläche und WC im Grohe-Sortiment, und das für jeden, auf hohem Qualitätsniveau und sogar mit entsprechend abgestimmten Armaturen. Bei der gewünschten Markt-Präsenz (und den damit einhergehend entsprechenden Absatzzahlen) hängt dieser Geschäftsbereich aber noch beträchtlich. Womit Alexander Zeeh wieder bei der Gewinnung des Fachhandwerks ist: „Wir müssen bei dieser Zielgruppe unser Komplettangebot ganz klar deutlich stärker ansprechen, als das in der Vergangenheit der Fall war und die Partner auch mit konkreten Hilfsmitteln für die Planung und Beratung unterstützen.“
Der zweite Ansatzpunkt, für Gespräche mit dem Fachhandwerk wie für die Marktentwicklung gleichermaßen, ist für Grohe das Smart Home, also das digitale Zuhause. Für Alexander Zeeh, der von Samsung-Hausgeräte zum Armaturenhersteller kam, eigentlich so etwas wie ein „Heimspiel“. Doch entsprechend kritisch fällt auch seine Bewertung aus: „Die SHK-Branche könnte hier aus meiner Sicht bei weitem organisierter vorgehen. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, sie dabei künftig noch stärker als bisher zu unterstützen.“ Entlang des Systems „Grohe Sense“ gehört dazu beispielsweise aber nicht nur die Steuerung von Wassersystemen zum Schutz vor Schäden durch Rohrbrüche, sondern auch die Zusammenarbeit mit Versicherungen.
„Die Digitalisierung des Zuhauses“, sagt Alexander Zeeh, „darf kein Selbstzweck sein, sondern muss dem Fachhandwerk ein attraktives zukunftsfähiges Geschäftsfeld und den Endkunden einen relevanten Mehrwert bieten.“ Vor diesem Hintergrund hat sich Grohe auch bereits 2019 im Rahmen der Weltleitmesse „ISH“ gemeinsam mit Miele (Haustechnik) und Viessmann (Klima- und Energielösungen) für einen branchenübergreifenden Dialog im Bereich „Intelligent Living“ zur Digitalisierung in Wohnräumen und digitaler Transformation in Unternehmen und Industrien eingebracht.
Freitag, 28.08.2020